fliessen die Bäche dahin, in ihren kleinsten Beugungen mit dem schimmernden Schmel- ze des jungen Jahres besäumt! -- Welch ein Konzert! Die ganze Schöpfung scheinet dazu zusammenzustimmen: im Thale, die murmelnde Flut; am Ufer, der Büsche me- lodisches Flüstern; aus blühenden Hecken, der Nachtigall zärtliche Stimme; der Lerche Jubelgesang, vom heitern Himmel herab. Jch schweige nicht; ich vereinige damit meine lobsingende Stimme. Die Stimme des Menschen, sie ist der ächte Ausdruck der Freude. Und Jch habe vor Tausenden zur innigsten Freude Recht! Nicht genug, dass ich mir selbst und meinen Freunden wiedergegeben bin, so ist dieser Uebergang vom Tode zum Leben, diese Abwesenheit schmerzhafter Empfindungen, dieser frische Eindruck eines lange vermissten Vergnü- gens selbst schon eine Wollust, die allen
flieſsen die Bäche dahin, in ihren kleinſten Beugungen mit dem ſchimmernden Schmel- ze des jungen Jahres beſäumt! — Welch ein Konzert! Die ganze Schöpfung ſcheinet dazu zuſammenzuſtimmen: im Thale, die murmelnde Flut; am Ufer, der Büſche me- lodiſches Flüſtern; aus blühenden Hecken, der Nachtigall zärtliche Stimme; der Lerche Jubelgeſang, vom heitern Himmel herab. Jch ſchweige nicht; ich vereinige damit meine lobſingende Stimme. Die Stimme des Menſchen, ſie iſt der ächte Ausdruck der Freude. Und Jch habe vor Tauſenden zur innigſten Freude Recht! Nicht genug, daſs ich mir ſelbſt und meinen Freunden wiedergegeben bin, ſo iſt dieſer Uebergang vom Tode zum Leben, dieſe Abweſenheit ſchmerzhafter Empfindungen, dieſer friſche Eindruck eines lange vermiſsten Vergnü- gens ſelbſt ſchon eine Wolluſt, die allen
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flieſsen die Bäche dahin, in ihren kleinſten
Beugungen mit dem ſchimmernden Schmel-
ze des jungen Jahres beſäumt! — Welch
ein Konzert! Die ganze Schöpfung ſcheinet
dazu zuſammenzuſtimmen: im Thale, die
murmelnde Flut; am Ufer, der Büſche me-
lodiſches Flüſtern; aus blühenden Hecken,
der Nachtigall zärtliche Stimme; der Lerche
Jubelgeſang, vom heitern Himmel herab.
Jch ſchweige nicht; ich vereinige damit
meine lobſingende Stimme. Die Stimme
des Menſchen, ſie iſt der ächte Ausdruck
der Freude. Und Jch habe vor Tauſenden
zur innigſten Freude Recht! Nicht genug,
daſs ich mir ſelbſt und meinen Freunden
wiedergegeben bin, ſo iſt dieſer Uebergang
vom Tode zum Leben, dieſe Abweſenheit
ſchmerzhafter Empfindungen, dieſer friſche
Eindruck eines lange vermiſsten Vergnü-
gens ſelbſt ſchon eine Wolluſt, die allen
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/157>, abgerufen am 28.03.2024.
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