Fieberhitze von dem schmalen Wege einer weisen Mässigung, auf dem man doch nur allein zu einer wahren Ruhe gelangt! Frey- lich war es nicht mein Fehler allein, dass ich zu diesem unwürdigen Betragen herunter- sank; aber ich weiss, dass ich dazu beytrug, oder ich müsste mich im mindesten nicht er- kennen wollen. That ich wohl alles was ich konnte, den ersten Funken den ich auffing zu löschen, ehe er einen zweyten erregte? Wandte ich dazu wohl die halbe Behut- samkeit an die ich anzuwenden pflege, wenn es darauf ankömmt eine geliebte Lei- denschaft, einer Menge sich entgegenstel- lender Schwierigkeiten ungeachtet, zu be- friedigen? Jch weiss es zu gut, dass ich es nicht taht. Jch fühle darüber den gerech- testen Verdruss und das angemessenste Miss- fallen an mir selbst.
Fieberhitze von dem ſchmalen Wege einer weiſen Mäſsigung, auf dem man doch nur allein zu einer wahren Ruhe gelangt! Frey- lich war es nicht mein Fehler allein, daſs ich zu dieſem unwürdigen Betragen herunter- ſank; aber ich weiſs, daſs ich dazu beytrug, oder ich müſste mich im mindeſten nicht er- kennen wollen. That ich wohl alles was ich konnte, den erſten Funken den ich auffing zu löſchen, ehe er einen zweyten erregte? Wandte ich dazu wohl die halbe Behut- ſamkeit an die ich anzuwenden pflege, wenn es darauf ankömmt eine geliebte Lei- denſchaft, einer Menge ſich entgegenſtel- lender Schwierigkeiten ungeachtet, zu be- friedigen? Jch weiſs es zu gut, daſs ich es nicht taht. Jch fühle darüber den gerech- teſten Verdruſs und das angemeſsenſte Miſs- fallen an mir ſelbſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"n="27"/>
Fieberhitze von dem ſchmalen Wege einer<lb/>
weiſen Mäſsigung, auf dem man doch nur<lb/>
allein zu einer wahren Ruhe gelangt! Frey-<lb/>
lich war es nicht mein Fehler allein, daſs ich<lb/>
zu dieſem unwürdigen Betragen herunter-<lb/>ſank; aber ich weiſs, daſs ich dazu beytrug,<lb/>
oder ich müſste mich im mindeſten nicht er-<lb/>
kennen wollen. That ich wohl alles was ich<lb/>
konnte, den erſten Funken den ich auffing<lb/>
zu löſchen, ehe er einen zweyten erregte?<lb/>
Wandte ich dazu wohl die halbe Behut-<lb/>ſamkeit an die ich anzuwenden pflege,<lb/>
wenn es darauf ankömmt eine geliebte Lei-<lb/>
denſchaft, einer Menge ſich entgegenſtel-<lb/>
lender Schwierigkeiten ungeachtet, zu be-<lb/>
friedigen? Jch weiſs es zu gut, daſs ich es<lb/>
nicht taht. Jch fühle darüber den gerech-<lb/>
teſten Verdruſs und das angemeſsenſte Miſs-<lb/>
fallen an mir ſelbſt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[27/0035]
Fieberhitze von dem ſchmalen Wege einer
weiſen Mäſsigung, auf dem man doch nur
allein zu einer wahren Ruhe gelangt! Frey-
lich war es nicht mein Fehler allein, daſs ich
zu dieſem unwürdigen Betragen herunter-
ſank; aber ich weiſs, daſs ich dazu beytrug,
oder ich müſste mich im mindeſten nicht er-
kennen wollen. That ich wohl alles was ich
konnte, den erſten Funken den ich auffing
zu löſchen, ehe er einen zweyten erregte?
Wandte ich dazu wohl die halbe Behut-
ſamkeit an die ich anzuwenden pflege,
wenn es darauf ankömmt eine geliebte Lei-
denſchaft, einer Menge ſich entgegenſtel-
lender Schwierigkeiten ungeachtet, zu be-
friedigen? Jch weiſs es zu gut, daſs ich es
nicht taht. Jch fühle darüber den gerech-
teſten Verdruſs und das angemeſsenſte Miſs-
fallen an mir ſelbſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/35>, abgerufen am 20.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.