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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Mag sie doch entwischen; mag sie
doch nie wiederkommen! Du kannst ihn
ärger machen, wenn du dich an ihm rächst:
das ist möglich; allein du machst dich selbst
ärger, wenn du dich rächst: das ist gewiss.
Wähle nun unter zweyen Uebeln das klei-
nere: Vergib ihm! Es ist doch möglich,
dass du ihn dadurch überwindest. Ganz
gewiss aber erhältst du dadurch den herr-
lichsten Sieg über dich selbst; ganz gewiss
aber verschaffst du dir dadurch eine süsse,
innre Beruhigung und die reinste Wollust,
deren das menschliche Herz fähig ist.

Das sind Träume! Deine Ehre ist et-
was reeles. Die Welt wird seiner Verlä-
sterung Glauben geben, wenn du dazu
schweigst. Man wird dich für den Dei-
sten, für den Wollüstling, für den Verfüh-
rer der Unschuld halten, dafür er dich in
allen Gesellschaften erklärt hat.

Mag ſie doch entwiſchen; mag ſie
doch nie wiederkommen! Du kannſt ihn
ärger machen, wenn du dich an ihm rächſt:
das iſt möglich; allein du machſt dich ſelbſt
ärger, wenn du dich rächſt: das iſt gewiſs.
Wähle nun unter zweyen Uebeln das klei-
nere: Vergib ihm! Es iſt doch möglich,
daſs du ihn dadurch überwindeſt. Ganz
gewiſs aber erhältſt du dadurch den herr-
lichſten Sieg über dich ſelbſt; ganz gewiſs
aber verſchaffſt du dir dadurch eine ſüſse,
innre Beruhigung und die reinſte Wolluſt,
deren das menſchliche Herz fähig iſt.

Das ſind Träume! Deine Ehre iſt et-
was reeles. Die Welt wird ſeiner Verlä-
ſterung Glauben geben, wenn du dazu
ſchweigſt. Man wird dich für den Deï-
ſten, für den Wollüſtling, für den Verfüh-
rer der Unſchuld halten, dafür er dich in
allen Geſellſchaften erklärt hat.

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[64/0072] Mag ſie doch entwiſchen; mag ſie doch nie wiederkommen! Du kannſt ihn ärger machen, wenn du dich an ihm rächſt: das iſt möglich; allein du machſt dich ſelbſt ärger, wenn du dich rächſt: das iſt gewiſs. Wähle nun unter zweyen Uebeln das klei- nere: Vergib ihm! Es iſt doch möglich, daſs du ihn dadurch überwindeſt. Ganz gewiſs aber erhältſt du dadurch den herr- lichſten Sieg über dich ſelbſt; ganz gewiſs aber verſchaffſt du dir dadurch eine ſüſse, innre Beruhigung und die reinſte Wolluſt, deren das menſchliche Herz fähig iſt. Das ſind Träume! Deine Ehre iſt et- was reeles. Die Welt wird ſeiner Verlä- ſterung Glauben geben, wenn du dazu ſchweigſt. Man wird dich für den Deï- ſten, für den Wollüſtling, für den Verfüh- rer der Unſchuld halten, dafür er dich in allen Geſellſchaften erklärt hat.

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/72>, abgerufen am 28.03.2024.