Thiere, auch wenn sie in entfernte Gegenden von weit verschiedenem Klima-versetzt worden, doch be- ständig lange Reihen von Zeugungen hindurch sich erhalten.
Nicht geringer ist die Kraft und Macht des Kli- ma auf die Größe (statura) organischer Körper; da die Kälte ihr Wachsthum hindert, die Wärme hingegen es offenbar vermehrt und befördert. So z. B. die schottischen Pferde, oder die Füllen in dem kalten Nordwales; auf Schonen sind die Pferde und das Rindvieh, wie die eingebornen Menschen, groß und stark von Statur, in Seeland werden sie all- mählig kleiner, und im nördlichen Ostgothland end- lich sind sie nach Verhältniß am kleinsten.
§. 35. Nahrungsmittel.
Zwar ist des berühmten G. Fordyce scharfsinnige Meinung sehr wahrscheinlich, daß die ersten Urbe- standtheile aller Arten von Nahrung, gleichviel ob aus dem Thier- oder Pflanzenreiche genommen, die- selben seyen; und daß deshalb von den vielerley Fleisch- und Kräuterfressenden Thieren mit warmen Blute, von den verschiedensten Nahrungsmitteln, ein ähnlicher Chylus, und im allgemeinen ähnliches Blut zubereitet werde, sobald sie nur von den Ver- dauungswerkzeugen gehörig verarbeitet worden. Al- lein, so wahrscheinlich als diese Sache auch immer seyn möge, so ist doch keinesweges zu läugnen, daß die unzähligen, der verschiedenen Nahrung zukom- menden Eigenschaften, bey der Veränderung des
We-
Thiere, auch wenn ſie in entfernte Gegenden von weit verſchiedenem Klima-verſetzt worden, doch be- ſtaͤndig lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich erhalten.
Nicht geringer iſt die Kraft und Macht des Kli- ma auf die Groͤße (ſtatura) organiſcher Koͤrper; da die Kaͤlte ihr Wachsthum hindert, die Waͤrme hingegen es offenbar vermehrt und befoͤrdert. So z. B. die ſchottiſchen Pferde, oder die Fuͤllen in dem kalten Nordwales; auf Schonen ſind die Pferde und das Rindvieh, wie die eingebornen Menſchen, groß und ſtark von Statur, in Seeland werden ſie all- maͤhlig kleiner, und im noͤrdlichen Oſtgothland end- lich ſind ſie nach Verhaͤltniß am kleinſten.
§. 35. Nahrungsmittel.
Zwar iſt des beruͤhmten G. Fordyce ſcharfſinnige Meinung ſehr wahrſcheinlich, daß die erſten Urbe- ſtandtheile aller Arten von Nahrung, gleichviel ob aus dem Thier- oder Pflanzenreiche genommen, die- ſelben ſeyen; und daß deshalb von den vielerley Fleiſch- und Kraͤuterfreſſenden Thieren mit warmen Blute, von den verſchiedenſten Nahrungsmitteln, ein aͤhnlicher Chylus, und im allgemeinen aͤhnliches Blut zubereitet werde, ſobald ſie nur von den Ver- dauungswerkzeugen gehoͤrig verarbeitet worden. Al- lein, ſo wahrſcheinlich als dieſe Sache auch immer ſeyn moͤge, ſo iſt doch keinesweges zu laͤugnen, daß die unzaͤhligen, der verſchiedenen Nahrung zukom- menden Eigenſchaften, bey der Veraͤnderung des
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Thiere, auch wenn ſie in entfernte Gegenden von
weit verſchiedenem Klima-verſetzt worden, doch be-
ſtaͤndig lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich
erhalten.
Nicht geringer iſt die Kraft und Macht des Kli-
ma auf die Groͤße (ſtatura) organiſcher Koͤrper;
da die Kaͤlte ihr Wachsthum hindert, die Waͤrme
hingegen es offenbar vermehrt und befoͤrdert. So
z. B. die ſchottiſchen Pferde, oder die Fuͤllen in dem
kalten Nordwales; auf Schonen ſind die Pferde und
das Rindvieh, wie die eingebornen Menſchen, groß
und ſtark von Statur, in Seeland werden ſie all-
maͤhlig kleiner, und im noͤrdlichen Oſtgothland end-
lich ſind ſie nach Verhaͤltniß am kleinſten.
§. 35.
Nahrungsmittel.
Zwar iſt des beruͤhmten G. Fordyce ſcharfſinnige
Meinung ſehr wahrſcheinlich, daß die erſten Urbe-
ſtandtheile aller Arten von Nahrung, gleichviel ob
aus dem Thier- oder Pflanzenreiche genommen, die-
ſelben ſeyen; und daß deshalb von den vielerley
Fleiſch- und Kraͤuterfreſſenden Thieren mit warmen
Blute, von den verſchiedenſten Nahrungsmitteln,
ein aͤhnlicher Chylus, und im allgemeinen aͤhnliches
Blut zubereitet werde, ſobald ſie nur von den Ver-
dauungswerkzeugen gehoͤrig verarbeitet worden. Al-
lein, ſo wahrſcheinlich als dieſe Sache auch immer
ſeyn moͤge, ſo iſt doch keinesweges zu laͤugnen, daß
die unzaͤhligen, der verſchiedenen Nahrung zukom-
menden Eigenſchaften, bey der Veraͤnderung des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]
"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift "De generis humani varietate nativa" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk "De generis humani varietate nativa" in deutscher Sprache vor.
Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/111>, abgerufen am 05.03.2021.
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