Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

"gament, wodurch der Kopf der Thiere gehalten
"und aufwärts gezogen wird. Linne merkt aus-
"drücklich an, daß dieses Ligament, welches er Pax-
"wax
nennt, sich weder bey den Affen noch bey dem
"Menschen finde

4) 4)
. Gäbe man nun auch dem
"Moskati zu, daß, im Fall der Mensch vierfüßig
"wäre, sich diese Haut nach und nach selbst erzeuge:
"so ist es doch bey denen sich selbst überlassenen Af-
"fen, welche gleichfalls oftmals aufrecht gehen, nicht
"da, wo aber die Struktur der in einander greifen-
"den Halswirbelbeine diesen Mangel ersetzt, welches
"bey den Menschen nicht ist. Uiberdem ist die Lage
"der Augen und Ohren gar nicht für ein vierfüßiges
"Thier eingerichtet. Die Augenaxe steht bey dem
"Menschen beynahe senkrecht auf dem vertikalen
"Durchschnitte des Kopfs, da sie hingegen bey den
"Thieren, die großen Affen ausgenommen, einen
"spitzigen Winkel macht; das heißt, das Auge des
"Menschen wäre, wenn er auf vier Füßen stünde,
"mehr der Erde zugekehrt als bey den Thieren.
"Auch hat die Natur den Thieren, bis auf den
"Urang, einen eigenen Muskel (suspensorius ocu-
"li),
den Augapfel in die Höhe zu ziehen, gegeben,
"welcher dem Menschen fehlt. Wird Moskati die-
"sen auch nach und nach wachsen lassen? Gingen
"wir also auf Händen und Füßen; so wäre nicht
"nur das Gesicht des Menschen mehr als bey einem
"andern Thiere eingeschränkt, sondern dieses wäre
"auch ebenfalls der Fall mit dem Gehör; denn die
"Ohren stünden gleichfalls der Erde zu. Wiederum
"ist der Rückgrad zu dem zweybeinigten Gange besser,
"als irgend bey einem andern Thiere eingerichtet.

"Neh-

„gament, wodurch der Kopf der Thiere gehalten
„und aufwaͤrts gezogen wird. Linné merkt aus-
„druͤcklich an, daß dieſes Ligament, welches er Pax-
„wax
nennt, ſich weder bey den Affen noch bey dem
„Menſchen finde

4) 4)
. Gaͤbe man nun auch dem
„Moskati zu, daß, im Fall der Menſch vierfuͤßig
„waͤre, ſich dieſe Haut nach und nach ſelbſt erzeuge:
„ſo iſt es doch bey denen ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Af-
„fen, welche gleichfalls oftmals aufrecht gehen, nicht
„da, wo aber die Struktur der in einander greifen-
„den Halswirbelbeine dieſen Mangel erſetzt, welches
„bey den Menſchen nicht iſt. Uiberdem iſt die Lage
„der Augen und Ohren gar nicht fuͤr ein vierfuͤßiges
„Thier eingerichtet. Die Augenaxe ſteht bey dem
„Menſchen beynahe ſenkrecht auf dem vertikalen
„Durchſchnitte des Kopfs, da ſie hingegen bey den
„Thieren, die großen Affen ausgenommen, einen
„ſpitzigen Winkel macht; das heißt, das Auge des
„Menſchen waͤre, wenn er auf vier Fuͤßen ſtuͤnde,
„mehr der Erde zugekehrt als bey den Thieren.
„Auch hat die Natur den Thieren, bis auf den
„Urang, einen eigenen Muſkel (ſuſpenſorius ocu-
„li),
den Augapfel in die Hoͤhe zu ziehen, gegeben,
„welcher dem Menſchen fehlt. Wird Moskati die-
„ſen auch nach und nach wachſen laſſen? Gingen
„wir alſo auf Haͤnden und Fuͤßen; ſo waͤre nicht
„nur das Geſicht des Menſchen mehr als bey einem
„andern Thiere eingeſchraͤnkt, ſondern dieſes waͤre
„auch ebenfalls der Fall mit dem Gehoͤr; denn die
„Ohren ſtuͤnden gleichfalls der Erde zu. Wiederum
„iſt der Ruͤckgrad zu dem zweybeinigten Gange beſſer,
„als irgend bey einem andern Thiere eingerichtet.

„Neh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0266" n="232"/>
&#x201E;gament, wodurch der Kopf der Thiere gehalten<lb/>
&#x201E;und aufwa&#x0364;rts gezogen wird. Linné merkt aus-<lb/>
&#x201E;dru&#x0364;cklich an, daß die&#x017F;es Ligament, welches er <hi rendition="#aq">Pax-<lb/>
&#x201E;wax</hi> nennt, &#x017F;ich weder bey den Affen noch bey dem<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen finde <note xml:id="end04a" next="#end04b" place="end" n="4)">4)</note>. Ga&#x0364;be man nun auch dem<lb/>
&#x201E;Moskati zu, daß, im Fall der Men&#x017F;ch vierfu&#x0364;ßig<lb/>
&#x201E;wa&#x0364;re, &#x017F;ich die&#x017F;e Haut nach und nach &#x017F;elb&#x017F;t erzeuge:<lb/>
&#x201E;&#x017F;o i&#x017F;t es doch bey denen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;enen Af-<lb/>
&#x201E;fen, welche gleichfalls oftmals aufrecht gehen, nicht<lb/>
&#x201E;da, wo aber die Struktur der in einander greifen-<lb/>
&#x201E;den Halswirbelbeine die&#x017F;en Mangel er&#x017F;etzt, welches<lb/>
&#x201E;bey den Men&#x017F;chen nicht i&#x017F;t. Uiberdem i&#x017F;t die Lage<lb/>
&#x201E;der Augen und Ohren gar nicht fu&#x0364;r ein vierfu&#x0364;ßiges<lb/>
&#x201E;Thier eingerichtet. Die Augenaxe &#x017F;teht bey dem<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen beynahe &#x017F;enkrecht auf dem vertikalen<lb/>
&#x201E;Durch&#x017F;chnitte des Kopfs, da &#x017F;ie hingegen bey den<lb/>
&#x201E;Thieren, die großen Affen ausgenommen, einen<lb/>
&#x201E;&#x017F;pitzigen Winkel macht; das heißt, das Auge des<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen wa&#x0364;re, wenn er auf vier Fu&#x0364;ßen &#x017F;tu&#x0364;nde,<lb/>
&#x201E;mehr der Erde zugekehrt als bey den Thieren.<lb/>
&#x201E;Auch hat die Natur den Thieren, bis auf den<lb/>
&#x201E;Urang, einen eigenen Mu&#x017F;kel <hi rendition="#aq">(&#x017F;u&#x017F;pen&#x017F;orius ocu-<lb/>
&#x201E;li),</hi> den Augapfel in die Ho&#x0364;he zu ziehen, gegeben,<lb/>
&#x201E;welcher dem Men&#x017F;chen fehlt. Wird Moskati die-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en auch nach und nach wach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en? Gingen<lb/>
&#x201E;wir al&#x017F;o auf Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;ßen; &#x017F;o wa&#x0364;re nicht<lb/>
&#x201E;nur das Ge&#x017F;icht des Men&#x017F;chen mehr als bey einem<lb/>
&#x201E;andern Thiere einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, &#x017F;ondern die&#x017F;es wa&#x0364;re<lb/>
&#x201E;auch ebenfalls der Fall mit dem Geho&#x0364;r; denn die<lb/>
&#x201E;Ohren &#x017F;tu&#x0364;nden gleichfalls der Erde zu. Wiederum<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t der Ru&#x0364;ckgrad zu dem zweybeinigten Gange be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
&#x201E;als irgend bey einem andern Thiere eingerichtet.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Neh-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0266] „gament, wodurch der Kopf der Thiere gehalten „und aufwaͤrts gezogen wird. Linné merkt aus- „druͤcklich an, daß dieſes Ligament, welches er Pax- „wax nennt, ſich weder bey den Affen noch bey dem „Menſchen finde ⁴⁾ 4) . Gaͤbe man nun auch dem „Moskati zu, daß, im Fall der Menſch vierfuͤßig „waͤre, ſich dieſe Haut nach und nach ſelbſt erzeuge: „ſo iſt es doch bey denen ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Af- „fen, welche gleichfalls oftmals aufrecht gehen, nicht „da, wo aber die Struktur der in einander greifen- „den Halswirbelbeine dieſen Mangel erſetzt, welches „bey den Menſchen nicht iſt. Uiberdem iſt die Lage „der Augen und Ohren gar nicht fuͤr ein vierfuͤßiges „Thier eingerichtet. Die Augenaxe ſteht bey dem „Menſchen beynahe ſenkrecht auf dem vertikalen „Durchſchnitte des Kopfs, da ſie hingegen bey den „Thieren, die großen Affen ausgenommen, einen „ſpitzigen Winkel macht; das heißt, das Auge des „Menſchen waͤre, wenn er auf vier Fuͤßen ſtuͤnde, „mehr der Erde zugekehrt als bey den Thieren. „Auch hat die Natur den Thieren, bis auf den „Urang, einen eigenen Muſkel (ſuſpenſorius ocu- „li), den Augapfel in die Hoͤhe zu ziehen, gegeben, „welcher dem Menſchen fehlt. Wird Moskati die- „ſen auch nach und nach wachſen laſſen? Gingen „wir alſo auf Haͤnden und Fuͤßen; ſo waͤre nicht „nur das Geſicht des Menſchen mehr als bey einem „andern Thiere eingeſchraͤnkt, ſondern dieſes waͤre „auch ebenfalls der Fall mit dem Gehoͤr; denn die „Ohren ſtuͤnden gleichfalls der Erde zu. Wiederum „iſt der Ruͤckgrad zu dem zweybeinigten Gange beſſer, „als irgend bey einem andern Thiere eingerichtet. „Neh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/266
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/266>, abgerufen am 27.04.2024.