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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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"Nehmen nicht die Wirbelbeine an Stärke zu, wo
"sie mehr zu tragen haben? Daher sind die Lenden-
"wirbel viel stärker als alle die übrigen; sie tragen
"den ganzen Stamm des Körpers. Dies war bey
"einer Horizontallänge nicht nöthig, und eben daher
"findet sich dieses Verhältniß nicht bey den Thieren.

"Dann vergleiche man die breiten Hüftbeine des
"Menschen (ilia), welche sich in die verengten Sitz-
"beine (ischia) endigen, ferner unser kurzes Becken,
"das oben weit ist, und nach unten zusammenläuft,
"wodurch es gerade so geräumig wird, daß es der
"Frucht hinreichenden Platz läßt, aber dabey den
"Vorfall der Mutter hindert, mit den ovalen cylin-
"derförmigen Becken der Thiere, nebst ihren breiten
"Sitzbeinen, und auseinanderstehenden Hüftbeinen;
"dabey gebe man zugleich auf den Bau der Gesäß-
"muskeln und Waden in beyden acht, und urtheile
"dann, zu was für eine Art von Gange der Mensch
"und das Thier eingerichtet sind. Auch gehört noch
"hierher der längere und nur allmählich schieflaufen-
"de Hals des Schenkelbeins (cervix ossis femoris)
"bey dem Menschen, welcher selbst bey den Affen
"nur kurz ist, und in die Quere (oder beynahe hori-
"zontal) in die große Pfanne (acetatabulum ossis
"ischii
) eintritt. Endlich sind die Waden, die sehr
"starken Schenkelbeine, die ganze Zusammenfügung
"des menschlichen Fußes, die starke Ferse, lauter
"Zeugnisse für den aufrechten Gang.

S. 1ste Ausg. S. 22. 33. fgg. und 2te Ausg. S. 26. fgg.
vgl. mit E. A. W. Zimmermann geographische
Geschichte des Menschen
u. s. w. Th. 1. Seite
124. fgg.

1) Vergl.

„Nehmen nicht die Wirbelbeine an Staͤrke zu, wo
„ſie mehr zu tragen haben? Daher ſind die Lenden-
„wirbel viel ſtaͤrker als alle die uͤbrigen; ſie tragen
„den ganzen Stamm des Koͤrpers. Dies war bey
„einer Horizontallaͤnge nicht noͤthig, und eben daher
„findet ſich dieſes Verhaͤltniß nicht bey den Thieren.

„Dann vergleiche man die breiten Huͤftbeine des
„Menſchen (ilia), welche ſich in die verengten Sitz-
„beine (iſchia) endigen, ferner unſer kurzes Becken,
„das oben weit iſt, und nach unten zuſammenlaͤuft,
„wodurch es gerade ſo geraͤumig wird, daß es der
„Frucht hinreichenden Platz laͤßt, aber dabey den
„Vorfall der Mutter hindert, mit den ovalen cylin-
„derfoͤrmigen Becken der Thiere, nebſt ihren breiten
„Sitzbeinen, und auseinanderſtehenden Huͤftbeinen;
„dabey gebe man zugleich auf den Bau der Geſaͤß-
„muſkeln und Waden in beyden acht, und urtheile
„dann, zu was fuͤr eine Art von Gange der Menſch
„und das Thier eingerichtet ſind. Auch gehoͤrt noch
„hierher der laͤngere und nur allmaͤhlich ſchieflaufen-
„de Hals des Schenkelbeins (cervix oſſis femoris)
„bey dem Menſchen, welcher ſelbſt bey den Affen
„nur kurz iſt, und in die Quere (oder beynahe hori-
„zontal) in die große Pfanne (acetatabulum oſſis
„iſchii
) eintritt. Endlich ſind die Waden, die ſehr
„ſtarken Schenkelbeine, die ganze Zuſammenfuͤgung
„des menſchlichen Fußes, die ſtarke Ferſe, lauter
„Zeugniſſe fuͤr den aufrechten Gang.

S. 1ſte Ausg. S. 22. 33. fgg. und 2te Ausg. S. 26. fgg.
vgl. mit E. A. W. Zimmermann geographiſche
Geſchichte des Menſchen
u. ſ. w. Th. 1. Seite
124. fgg.

1) Vergl.
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[233/0267] „Nehmen nicht die Wirbelbeine an Staͤrke zu, wo „ſie mehr zu tragen haben? Daher ſind die Lenden- „wirbel viel ſtaͤrker als alle die uͤbrigen; ſie tragen „den ganzen Stamm des Koͤrpers. Dies war bey „einer Horizontallaͤnge nicht noͤthig, und eben daher „findet ſich dieſes Verhaͤltniß nicht bey den Thieren. „Dann vergleiche man die breiten Huͤftbeine des „Menſchen (ilia), welche ſich in die verengten Sitz- „beine (iſchia) endigen, ferner unſer kurzes Becken, „das oben weit iſt, und nach unten zuſammenlaͤuft, „wodurch es gerade ſo geraͤumig wird, daß es der „Frucht hinreichenden Platz laͤßt, aber dabey den „Vorfall der Mutter hindert, mit den ovalen cylin- „derfoͤrmigen Becken der Thiere, nebſt ihren breiten „Sitzbeinen, und auseinanderſtehenden Huͤftbeinen; „dabey gebe man zugleich auf den Bau der Geſaͤß- „muſkeln und Waden in beyden acht, und urtheile „dann, zu was fuͤr eine Art von Gange der Menſch „und das Thier eingerichtet ſind. Auch gehoͤrt noch „hierher der laͤngere und nur allmaͤhlich ſchieflaufen- „de Hals des Schenkelbeins (cervix oſſis femoris) „bey dem Menſchen, welcher ſelbſt bey den Affen „nur kurz iſt, und in die Quere (oder beynahe hori- „zontal) in die große Pfanne (acetatabulum oſſis „iſchii) eintritt. Endlich ſind die Waden, die ſehr „ſtarken Schenkelbeine, die ganze Zuſammenfuͤgung „des menſchlichen Fußes, die ſtarke Ferſe, lauter „Zeugniſſe fuͤr den aufrechten Gang. S. 1ſte Ausg. S. 22. 33. fgg. und 2te Ausg. S. 26. fgg. vgl. mit E. A. W. Zimmermann geographiſche Geſchichte des Menſchen u. ſ. w. Th. 1. Seite 124. fgg. 1) Vergl.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/267>, abgerufen am 28.03.2024.