Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Hinterhauptsloch (foramen occipitale), welches wei-
ter vorwärts liegt, als bey den vierfüßigen Thie-
ren 28) und anderes der Art mehr, ausgenommen;
hat der Mensch, sage ich, die größte Gehirnmasse,
und nicht (welche Meinung seit Aristoteles Zeiten sich
behauptet hatte) nach dem Verhältniß des ganzen
Körpers, sondern nach des berühmten Sömmering
schöner Beobachtung in Rücksicht der zarten Ner-
ven, welche hier ihren Ursprung haben 29). Wird
nun also das gesamte Nervensystem in physiologischer
Hinsicht in zwey Theile getheilt, in den sogenannten
Nerventheil, als welcher die Nerven selbst, und die
Masse beyder Gehirne, und des ihrem Ursprunge am
nächsten liegenden Rückenmarks enthält, und in den
Empfindungstheil, welcher näheren Bezug hat auf
das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner-
ven mit den Seelenvermögen verknüpft sind; so hat
der Mensch die größte Masse jener edleren Empfin-
dungstheils erhalten.

Gleich merkwürdig ist eine andere Entdeckung,
ebenfalls des scharfsinnigen Forschers Sömmering,
daß die, von andern zwar öfters bemerkten Stein-
chen der Zirbeldrüse, von dem vierzehnten Jahre
an, so durchgängig in den menschlichen Hirnschädeln
gefunden werden, daß sie gleichfalls zu den Eigen-
thümlichkeiten des Menschen gezählt zu werden ver-

dienen,
28) d' Aubenton in Memoires de l' acad. des sciences de
Paris 1764.
29) S. dessel. Abhandlung: De basi encephali. Goet-
ting.
1778. S. 17.
Derselbe über die körperliche Verschie-
denheit des Negers vom Europäer
. S. 59.
Auch J. Gottfr. Ebel observ. nevrol. ex anatome
comparata.
Frankf. an der Oder 1788.

Hinterhauptsloch (foramen occipitale), welches wei-
ter vorwaͤrts liegt, als bey den vierfuͤßigen Thie-
ren 28) und anderes der Art mehr, ausgenommen;
hat der Menſch, ſage ich, die groͤßte Gehirnmaſſe,
und nicht (welche Meinung ſeit Ariſtoteles Zeiten ſich
behauptet hatte) nach dem Verhaͤltniß des ganzen
Koͤrpers, ſondern nach des beruͤhmten Soͤmmering
ſchoͤner Beobachtung in Ruͤckſicht der zarten Ner-
ven, welche hier ihren Urſprung haben 29). Wird
nun alſo das geſamte Nervenſyſtem in phyſiologiſcher
Hinſicht in zwey Theile getheilt, in den ſogenannten
Nerventheil, als welcher die Nerven ſelbſt, und die
Maſſe beyder Gehirne, und des ihrem Urſprunge am
naͤchſten liegenden Ruͤckenmarks enthaͤlt, und in den
Empfindungstheil, welcher naͤheren Bezug hat auf
das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner-
ven mit den Seelenvermoͤgen verknuͤpft ſind; ſo hat
der Menſch die groͤßte Maſſe jener edleren Empfin-
dungstheils erhalten.

Gleich merkwuͤrdig iſt eine andere Entdeckung,
ebenfalls des ſcharfſinnigen Forſchers Soͤmmering,
daß die, von andern zwar oͤfters bemerkten Stein-
chen der Zirbeldruͤſe, von dem vierzehnten Jahre
an, ſo durchgaͤngig in den menſchlichen Hirnſchaͤdeln
gefunden werden, daß ſie gleichfalls zu den Eigen-
thuͤmlichkeiten des Menſchen gezaͤhlt zu werden ver-

dienen,
28) d’ Aubenton in Memoires de l’ acad. des ſciences de
Paris 1764.
29) S. deſſel. Abhandlung: De baſi encephali. Goet-
ting.
1778. S. 17.
Derſelbe uͤber die koͤrperliche Verſchie-
denheit des Negers vom Europaͤer
. S. 59.
Auch J. Gottfr. Ebel obſerv. nevrol. ex anatome
comparata.
Frankf. an der Oder 1788.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="43"/>
Hinterhauptsloch (<hi rendition="#aq">foramen occipitale</hi>), welches wei-<lb/>
ter vorwa&#x0364;rts liegt, als bey den vierfu&#x0364;ßigen Thie-<lb/>
ren <note place="foot" n="28)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">d&#x2019; Aubenton in Memoires de l&#x2019; acad. des &#x017F;ciences de<lb/>
Paris 1764.</hi></hi></note> und anderes der Art mehr, ausgenommen;<lb/>
hat der Men&#x017F;ch, &#x017F;age ich, die gro&#x0364;ßte Gehirnma&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
und nicht (welche Meinung &#x017F;eit Ari&#x017F;toteles Zeiten &#x017F;ich<lb/>
behauptet hatte) nach dem Verha&#x0364;ltniß des ganzen<lb/>
Ko&#x0364;rpers, &#x017F;ondern nach des beru&#x0364;hmten So&#x0364;mmering<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ner Beobachtung in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der zarten Ner-<lb/>
ven, welche hier ihren Ur&#x017F;prung haben <note place="foot" n="29)">S. de&#x017F;&#x017F;el. Abhandlung: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">De ba&#x017F;i encephali.</hi> Goet-<lb/>
ting.</hi> 1778. S. 17.<lb/>
Der&#x017F;elbe <hi rendition="#g">u&#x0364;ber die ko&#x0364;rperliche Ver&#x017F;chie-<lb/>
denheit des Negers vom Europa&#x0364;er</hi>. S. 59.<lb/>
Auch J. Gottfr. Ebel <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ob&#x017F;erv. nevrol. ex anatome<lb/>
comparata.</hi></hi> Frankf. an der Oder 1788.</note>. Wird<lb/>
nun al&#x017F;o das ge&#x017F;amte Nerven&#x017F;y&#x017F;tem in phy&#x017F;iologi&#x017F;cher<lb/>
Hin&#x017F;icht in zwey Theile getheilt, in den &#x017F;ogenannten<lb/>
Nerventheil, als welcher die Nerven &#x017F;elb&#x017F;t, und die<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e beyder Gehirne, und des ihrem Ur&#x017F;prunge am<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;ten liegenden Ru&#x0364;ckenmarks entha&#x0364;lt, und in den<lb/>
Empfindungstheil, welcher na&#x0364;heren Bezug hat auf<lb/>
das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner-<lb/>
ven mit den Seelenvermo&#x0364;gen verknu&#x0364;pft &#x017F;ind; &#x017F;o hat<lb/>
der Men&#x017F;ch die gro&#x0364;ßte Ma&#x017F;&#x017F;e jener edleren Empfin-<lb/>
dungstheils erhalten.</p><lb/>
          <p>Gleich merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t eine andere Entdeckung,<lb/>
ebenfalls des &#x017F;charf&#x017F;innigen For&#x017F;chers So&#x0364;mmering,<lb/>
daß die, von andern zwar o&#x0364;fters bemerkten Stein-<lb/>
chen der <hi rendition="#fr">Zirbeldru&#x0364;&#x017F;e,</hi> von dem vierzehnten Jahre<lb/>
an, &#x017F;o durchga&#x0364;ngig in den men&#x017F;chlichen Hirn&#x017F;cha&#x0364;deln<lb/>
gefunden werden, daß &#x017F;ie gleichfalls zu den Eigen-<lb/>
thu&#x0364;mlichkeiten des Men&#x017F;chen geza&#x0364;hlt zu werden ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dienen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0077] Hinterhauptsloch (foramen occipitale), welches wei- ter vorwaͤrts liegt, als bey den vierfuͤßigen Thie- ren 28) und anderes der Art mehr, ausgenommen; hat der Menſch, ſage ich, die groͤßte Gehirnmaſſe, und nicht (welche Meinung ſeit Ariſtoteles Zeiten ſich behauptet hatte) nach dem Verhaͤltniß des ganzen Koͤrpers, ſondern nach des beruͤhmten Soͤmmering ſchoͤner Beobachtung in Ruͤckſicht der zarten Ner- ven, welche hier ihren Urſprung haben 29). Wird nun alſo das geſamte Nervenſyſtem in phyſiologiſcher Hinſicht in zwey Theile getheilt, in den ſogenannten Nerventheil, als welcher die Nerven ſelbſt, und die Maſſe beyder Gehirne, und des ihrem Urſprunge am naͤchſten liegenden Ruͤckenmarks enthaͤlt, und in den Empfindungstheil, welcher naͤheren Bezug hat auf das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner- ven mit den Seelenvermoͤgen verknuͤpft ſind; ſo hat der Menſch die groͤßte Maſſe jener edleren Empfin- dungstheils erhalten. Gleich merkwuͤrdig iſt eine andere Entdeckung, ebenfalls des ſcharfſinnigen Forſchers Soͤmmering, daß die, von andern zwar oͤfters bemerkten Stein- chen der Zirbeldruͤſe, von dem vierzehnten Jahre an, ſo durchgaͤngig in den menſchlichen Hirnſchaͤdeln gefunden werden, daß ſie gleichfalls zu den Eigen- thuͤmlichkeiten des Menſchen gezaͤhlt zu werden ver- dienen, 28) d’ Aubenton in Memoires de l’ acad. des ſciences de Paris 1764. 29) S. deſſel. Abhandlung: De baſi encephali. Goet- ting. 1778. S. 17. Derſelbe uͤber die koͤrperliche Verſchie- denheit des Negers vom Europaͤer. S. 59. Auch J. Gottfr. Ebel obſerv. nevrol. ex anatome comparata. Frankf. an der Oder 1788.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/77
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/77>, abgerufen am 19.04.2024.