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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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§. 7.

Noch müssen wir endlich ein paar Worte
über die bekannten Bilder von Ketten und Lei-
tern und Netzen, die man der Natur angepaßt
hat, sagen. Auch durch sie hat man neuer-
lich die Stützen der bestimmten Naturreiche zu
untergraben gesucht. Man hat nemlich den
Satz: Die Natur thut keinen Sprung,
über den schon Leibniz viel wahres und
schönes gesagt hat, den Bradley nachher
(auf Addison's Anrathen) in einem eignen
Werke, aber ziemlich unvollständig und tro-
cken, Bonnet ungemein scharssinnig, und Ro-
binet ganz abentheuerlich behandelt haben, da-
hin gedeutet: daß alle erschaffene Wesen, vom
vollkommensten bis zum Atom, vom Engel
bis zum einfachsten Elemente, in einer unun-
terbrochnen Reihe, wie Glied an Glied
in einer Kette, zusammenhingen; daß sie
in Rücksicht, ihrer Bildung stufenweise,
aber doch so unmerklich auf einander folg-
ten, daß durchaus keine andre, als eine
sehr willkürliche, sehr imaginäre Abtheilung
in Reiche oder Classen und Ordnungen etc. bey
ihnen statt finden könne. Diese Idee von Stu-
fenfolge in der Natur ist allerdings nicht nur
eine der interessantsten Speculationen in der
Natürlichen Philosophie, sondern auch der
wahre Grund eines natürlichen Systems
in der Naturgeschichte, das der große, aber

§. 7.

Noch müssen wir endlich ein paar Worte
über die bekannten Bilder von Ketten und Lei-
tern und Netzen, die man der Natur angepaßt
hat, sagen. Auch durch sie hat man neuer-
lich die Stützen der bestimmten Naturreiche zu
untergraben gesucht. Man hat nemlich den
Satz: Die Natur thut keinen Sprung,
über den schon Leibniz viel wahres und
schönes gesagt hat, den Bradley nachher
(auf Addison's Anrathen) in einem eignen
Werke, aber ziemlich unvollständig und tro-
cken, Bonnet ungemein scharssinnig, und Ro-
binet ganz abentheuerlich behandelt haben, da-
hin gedeutet: daß alle erschaffene Wesen, vom
vollkommensten bis zum Atom, vom Engel
bis zum einfachsten Elemente, in einer unun-
terbrochnen Reihe, wie Glied an Glied
in einer Kette, zusammenhingen; daß sie
in Rücksicht, ihrer Bildung stufenweise,
aber doch so unmerklich auf einander folg-
ten, daß durchaus keine andre, als eine
sehr willkürliche, sehr imaginäre Abtheilung
in Reiche oder Classen und Ordnungen ꝛc. bey
ihnen statt finden könne. Diese Idee von Stu-
fenfolge in der Natur ist allerdings nicht nur
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[8/0020] §. 7. Noch müssen wir endlich ein paar Worte über die bekannten Bilder von Ketten und Lei- tern und Netzen, die man der Natur angepaßt hat, sagen. Auch durch sie hat man neuer- lich die Stützen der bestimmten Naturreiche zu untergraben gesucht. Man hat nemlich den Satz: Die Natur thut keinen Sprung, über den schon Leibniz viel wahres und schönes gesagt hat, den Bradley nachher (auf Addison's Anrathen) in einem eignen Werke, aber ziemlich unvollständig und tro- cken, Bonnet ungemein scharssinnig, und Ro- binet ganz abentheuerlich behandelt haben, da- hin gedeutet: daß alle erschaffene Wesen, vom vollkommensten bis zum Atom, vom Engel bis zum einfachsten Elemente, in einer unun- terbrochnen Reihe, wie Glied an Glied in einer Kette, zusammenhingen; daß sie in Rücksicht, ihrer Bildung stufenweise, aber doch so unmerklich auf einander folg- ten, daß durchaus keine andre, als eine sehr willkürliche, sehr imaginäre Abtheilung in Reiche oder Classen und Ordnungen ꝛc. bey ihnen statt finden könne. Diese Idee von Stu- fenfolge in der Natur ist allerdings nicht nur eine der interessantsten Speculationen in der Natürlichen Philosophie, sondern auch der wahre Grund eines natürlichen Systems in der Naturgeschichte, das der große, aber

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/20>, abgerufen am 19.04.2024.