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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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I. Ord. INERMIS.

1. Geschl. homo. Animal rationale, loqueas,
erectum, bimanum
.*)

1. Gatt. sapiens. Der Mensch wird durch so merk-
würdige Eigenschaften des Geistes und des Kör-
per von der ganzen übrigen thierischen Schöpf-
ung ausgezeichnet, daß er bey weitem nicht
blos in einem eignen Geschlecht, sondern aller-
dings in einer besondern Ordnung von ihr abge-
schieden werden muß.

Er hat ausser dem Begattungstrieb we-
nig Spuren von Instinct (§ 36), Kunsttriebe
ber (§ 35), schlechterdings gar nicht. Da-
gegen ist er ausschlieslich im Besitz der Ver-
nunft (§ 37), und der dadurch erfundenen
Rede oder Sprache (Loquela), die nicht mit
der blos thierischen Stimme (vox) als welche
auch den ganz jungen und selbst den stummge-
bohrnen Kindern zukommt, verwechselt werden
darf (§ 46). Daß die Rede hingegen eine blose
Folge der Vernunft und nicht etwa der beson-
dern Organisation der menschlichen Sprach-
werkzeuge sey, erhellt aus den bekannten Bey-
spielen der Papagaien, Raben etc. die allerhand
Worte ganz vernehmlich nachsprechen lernen.
Die Stimme ist den Thieren wie ihr Instinct
angebohren; die Sprache hingegen entwickelt
sich erst mit der Vernunft, da denn die Seele
ihre erlangten Begriffe, der Zunge zum Aus-

*) Sanctius - animal, mentisque capacius altae
----- et quod dominari in caetera poffet.
ovid.
I. Ord. INERMIS.

1. Geschl. homo. Animal rationale, loqueas,
erectum, bimanum
.*)

1. Gatt. sapiens. Der Mensch wird durch so merk-
würdige Eigenschaften des Geistes und des Kör-
per von der ganzen übrigen thierischen Schöpf-
ung ausgezeichnet, daß er bey weitem nicht
blos in einem eignen Geschlecht, sondern aller-
dings in einer besondern Ordnung von ihr abge-
schieden werden muß.

Er hat ausser dem Begattungstrieb we-
nig Spuren von Instinct (§ 36), Kunsttriebe
ber (§ 35), schlechterdings gar nicht. Da-
gegen ist er ausschlieslich im Besitz der Ver-
nunft (§ 37), und der dadurch erfundenen
Rede oder Sprache (Loquela), die nicht mit
der blos thierischen Stimme (vox) als welche
auch den ganz jungen und selbst den stummge-
bohrnen Kindern zukommt, verwechselt werden
darf (§ 46). Daß die Rede hingegen eine blose
Folge der Vernunft und nicht etwa der beson-
dern Organisation der menschlichen Sprach-
werkzeuge sey, erhellt aus den bekannten Bey-
spielen der Papagaien, Raben ꝛc. die allerhand
Worte ganz vernehmlich nachsprechen lernen.
Die Stimme ist den Thieren wie ihr Instinct
angebohren; die Sprache hingegen entwickelt
sich erst mit der Vernunft, da denn die Seele
ihre erlangten Begriffe, der Zunge zum Aus-

*) Sanctius – animal, mentisque capacius altae
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[57/0069] I. Ord. INERMIS. 1. Geschl. homo. Animal rationale, loqueas, erectum, bimanum. *) 1. Gatt. sapiens. Der Mensch wird durch so merk- würdige Eigenschaften des Geistes und des Kör- per von der ganzen übrigen thierischen Schöpf- ung ausgezeichnet, daß er bey weitem nicht blos in einem eignen Geschlecht, sondern aller- dings in einer besondern Ordnung von ihr abge- schieden werden muß. Er hat ausser dem Begattungstrieb we- nig Spuren von Instinct (§ 36), Kunsttriebe ber (§ 35), schlechterdings gar nicht. Da- gegen ist er ausschlieslich im Besitz der Ver- nunft (§ 37), und der dadurch erfundenen Rede oder Sprache (Loquela), die nicht mit der blos thierischen Stimme (vox) als welche auch den ganz jungen und selbst den stummge- bohrnen Kindern zukommt, verwechselt werden darf (§ 46). Daß die Rede hingegen eine blose Folge der Vernunft und nicht etwa der beson- dern Organisation der menschlichen Sprach- werkzeuge sey, erhellt aus den bekannten Bey- spielen der Papagaien, Raben ꝛc. die allerhand Worte ganz vernehmlich nachsprechen lernen. Die Stimme ist den Thieren wie ihr Instinct angebohren; die Sprache hingegen entwickelt sich erst mit der Vernunft, da denn die Seele ihre erlangten Begriffe, der Zunge zum Aus- *) Sanctius – animal, mentisque capacius altae ----- et quod dominari in caetera poffet. ovid.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/69>, abgerufen am 28.03.2024.