Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

befunden. Wollte man also diesen wunderseltenen
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd
und Esel für Thiere derselben Species halten, un-
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau - zumahl
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge),
wenigstens eben so specifisch von einander differiren
als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle
Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedene Gat-
tungen anzuerkennen. Und eben diesem Grund-
satze der Analogie gemäß halte ich auch die ge-
dachten beyderley Elephanten für ganz verschiedene
Gattungen, weil ihr Gebiß eine so constante auf-
fallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich
als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.

§. 16.

Zu den mancherley Ursachen der Ausartung
gehören vorzüglichst der Einfluß des Himmels-
strichs, der Nahrung, und bey Menschen und
Thieren auch der Lebensart.

Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachs-
thum der organisirten Körper, und darum sind
die Grönländer, Lappländer etc. so wie die
Thiere und Gewächse kalter Erdstriche, klein,
untersetzt. Eben so bringt dieses Clima weiße
Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und
darum sind die Nordländer von Natur von
weißer Haut etc. so wie viele warmblütige
Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße
Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst
anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. -
Dagegen tragen die Creolen (d. h. die in
Ost. und West-Indien von europäischen Ael-
tern gebornen Weißen) das unverkennbare,

befunden. Wollte man also diesen wunderseltenen
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd
und Esel für Thiere derselben Species halten, un-
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumahl
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge),
wenigstens eben so specifisch von einander differiren
als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle
Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedene Gat-
tungen anzuerkennen. Und eben diesem Grund-
satze der Analogie gemäß halte ich auch die ge-
dachten beyderley Elephanten für ganz verschiedene
Gattungen, weil ihr Gebiß eine so constante auf-
fallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich
als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.

§. 16.

Zu den mancherley Ursachen der Ausartung
gehören vorzüglichst der Einfluß des Himmels-
strichs, der Nahrung, und bey Menschen und
Thieren auch der Lebensart.

Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachs-
thum der organisirten Körper, und darum sind
die Grönländer, Lappländer ꝛc. so wie die
Thiere und Gewächse kalter Erdstriche, klein,
untersetzt. Eben so bringt dieses Clima weiße
Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und
darum sind die Nordländer von Natur von
weißer Haut ꝛc. so wie viele warmblütige
Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße
Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst
anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. –
Dagegen tragen die Creolen (d. h. die in
Ost. und West-Indien von europäischen Ael-
tern gebornen Weißen) das unverkennbare,

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000031">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p rendition="#l1em #small"><pb facs="#f0045" xml:id="pb027_0001" n="27"/>
befunden. Wollte man also diesen wunderseltenen<lb/>
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd<lb/>
und Esel für Thiere derselben <hi rendition="#aq">Species</hi> halten, un-<lb/>
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau &#x2013; zumahl<lb/>
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend<lb/>
verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge),<lb/>
wenigstens eben so specifisch von einander differiren<lb/>
als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle<lb/>
Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedene Gat-<lb/>
tungen anzuerkennen. Und eben diesem Grund-<lb/>
satze der Analogie gemäß halte ich auch die ge-<lb/>
dachten beyderley Elephanten für ganz verschiedene<lb/>
Gattungen, weil ihr Gebiß eine so constante auf-<lb/>
fallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich<lb/>
als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 16.</head><lb/>
          <p>Zu den mancherley Ursachen der Ausartung<lb/>
gehören vorzüglichst der Einfluß des Himmels-<lb/>
strichs, der Nahrung, und bey Menschen und<lb/>
Thieren auch der Lebensart.</p>
          <p>Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachs-<lb/>
thum der organisirten Körper, und darum sind<lb/>
die Grönländer, Lappländer &#xA75B;c. so wie die<lb/>
Thiere und Gewächse kalter Erdstriche, klein,<lb/>
untersetzt. Eben so bringt dieses Clima weiße<lb/>
Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und<lb/>
darum sind die Nordländer von Natur von<lb/>
weißer Haut &#xA75B;c. so wie viele warmblütige<lb/>
Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße<lb/>
Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst<lb/>
anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. &#x2013;<lb/>
Dagegen tragen die Creolen (d. h. die in<lb/>
Ost. und West-Indien von europäischen Ael-<lb/>
tern gebornen Weißen) das unverkennbare,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0045] befunden. Wollte man also diesen wunderseltenen Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Species halten, un- geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumahl im Innern (und namentlich in der ganz auffallend verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge), wenigstens eben so specifisch von einander differiren als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedene Gat- tungen anzuerkennen. Und eben diesem Grund- satze der Analogie gemäß halte ich auch die ge- dachten beyderley Elephanten für ganz verschiedene Gattungen, weil ihr Gebiß eine so constante auf- fallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt. §. 16. Zu den mancherley Ursachen der Ausartung gehören vorzüglichst der Einfluß des Himmels- strichs, der Nahrung, und bey Menschen und Thieren auch der Lebensart. Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachs- thum der organisirten Körper, und darum sind die Grönländer, Lappländer ꝛc. so wie die Thiere und Gewächse kalter Erdstriche, klein, untersetzt. Eben so bringt dieses Clima weiße Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und darum sind die Nordländer von Natur von weißer Haut ꝛc. so wie viele warmblütige Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. – Dagegen tragen die Creolen (d. h. die in Ost. und West-Indien von europäischen Ael- tern gebornen Weißen) das unverkennbare,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/45
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/45>, abgerufen am 28.03.2024.