Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 10. Aufl. Göttingen, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

äugige Blonde mit braunäugigen Brünetten
Kinder zeugen*).

Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli-
chen Reihen von Generationen fortgepflanzt haben,
so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße
Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen
(Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent-
scheidung in dergleichen Fällen keine andern in
praxi
anwendbare Regeln, als die, so aus der
Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray,
Büffon und andere angenommen haben, den Cha-
racter von Species darnach zu bestimmen, wenn
die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nachkom-
menschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr unzu-
länglich und schwankend ist.

Denn abgerechnet, daß die Anwendung die-
ser Regel ohnehin bey allen den Thieren und
Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort-
pflanzen. (- s. unten §. 20. -), so findet sie auch
in unzähligen andern Fällen wegen unüberwindli-
cher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey
Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der
africanische Elephant zu einerley Species gehören
oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung
Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von
Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der
gewöhnliche oder aber der äußerst seltene Erfolg
als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich
sind die Maulthiere steril, und nur in äußerst sel-
tenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig
befunden. Wollte man also diesen wunderseltnen
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd
und Esel für Thiere derselben Species halten, un-
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau - zumal
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiednen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!),

*) Diesen Unterschied zwischen Rassen und Spielarten
hat zuerst Kant genau bestimmt, im deutschen
Mercur 1788. I. B. S. 48. S. hiervon ausführ-
lich Girtanner' über das Kantische Princip für
die Naturgeschichte. Göttingen 1797. 8.

äugige Blonde mit braunäugigen Brünetten
Kinder zeugen*).

Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli-
chen Reihen von Generationen fortgepflanzt haben,
so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße
Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen
(Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent-
scheidung in dergleichen Fällen keine andern in
praxi
anwendbare Regeln, als die, so aus der
Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray,
Büffon und andere angenommen haben, den Cha-
racter von Species darnach zu bestimmen, wenn
die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nachkom-
menschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr unzu-
länglich und schwankend ist.

Denn abgerechnet, daß die Anwendung die-
ser Regel ohnehin bey allen den Thieren und
Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort-
pflanzen. (– s. unten §. 20. –), so findet sie auch
in unzähligen andern Fällen wegen unüberwindli-
cher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey
Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der
africanische Elephant zu einerley Species gehören
oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung
Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von
Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der
gewöhnliche oder aber der äußerst seltene Erfolg
als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich
sind die Maulthiere steril, und nur in äußerst sel-
tenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig
befunden. Wollte man also diesen wunderseltnen
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd
und Esel für Thiere derselben Species halten, un-
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumal
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend
verschiednen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!),

*) Diesen Unterschied zwischen Rassen und Spielarten
hat zuerst Kant genau bestimmt, im deutschen
Mercur 1788. I. B. S. 48. S. hiervon ausführ-
lich Girtanner' über das Kantische Princip für
die Naturgeschichte. Göttingen 1797. 8.
<TEI>
  <text xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xml:id="blume_hbnatur_000032">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" xml:id="pb026_0001" n="26"/>
äugige Blonde mit braunäugigen Brünetten<lb/>
Kinder zeugen<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p>Diesen Unterschied zwischen Rassen und Spielarten<lb/>
hat zuerst Kant genau bestimmt, im deutschen<lb/>
Mercur 1788. I. B. S. 48. S. hiervon ausführ-<lb/>
lich Girtanner' über das Kantische Princip für<lb/>
die Naturgeschichte. Göttingen 1797. 8.</p></note>.</p>
          <p rendition="#indent-1 #small">Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli-<lb/>
chen Reihen von Generationen fortgepflanzt haben,<lb/>
so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße<lb/>
Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen<lb/>
(<hi rendition="#aq">Species</hi>) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent-<lb/>
scheidung in dergleichen Fällen keine andern <hi rendition="#aq">in<lb/>
praxi</hi> anwendbare Regeln, als die, so aus der<lb/>
Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray,<lb/>
Büffon und andere angenommen haben, den Cha-<lb/>
racter von <hi rendition="#aq">Species</hi> darnach zu bestimmen, wenn<lb/>
die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nachkom-<lb/>
menschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr unzu-<lb/>
länglich und schwankend ist.</p>
          <p rendition="#l1em #small">Denn abgerechnet, daß die Anwendung die-<lb/>
ser Regel ohnehin bey allen den Thieren und<lb/>
Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort-<lb/>
pflanzen. (&#x2013; s. unten §. 20. &#x2013;), so findet sie auch<lb/>
in unzähligen andern Fällen wegen unüberwindli-<lb/>
cher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey<lb/>
Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der<lb/>
africanische Elephant zu einerley <hi rendition="#aq">Species</hi> gehören<lb/>
oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung<lb/>
Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von<lb/>
Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der<lb/>
gewöhnliche oder aber der äußerst seltene Erfolg<lb/>
als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich<lb/>
sind die Maulthiere steril, und nur in äußerst sel-<lb/>
tenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig<lb/>
befunden. Wollte man also diesen wunderseltnen<lb/>
Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd<lb/>
und Esel für Thiere derselben <hi rendition="#aq">Species</hi> halten, un-<lb/>
geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau &#x2013; zumal<lb/>
im Innern (und namentlich in der ganz auffallend<lb/>
verschiednen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!),<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0048] äugige Blonde mit braunäugigen Brünetten Kinder zeugen *). Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli- chen Reihen von Generationen fortgepflanzt haben, so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen (Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent- scheidung in dergleichen Fällen keine andern in praxi anwendbare Regeln, als die, so aus der Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray, Büffon und andere angenommen haben, den Cha- racter von Species darnach zu bestimmen, wenn die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nachkom- menschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr unzu- länglich und schwankend ist. Denn abgerechnet, daß die Anwendung die- ser Regel ohnehin bey allen den Thieren und Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort- pflanzen. (– s. unten §. 20. –), so findet sie auch in unzähligen andern Fällen wegen unüberwindli- cher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der africanische Elephant zu einerley Species gehören oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der gewöhnliche oder aber der äußerst seltene Erfolg als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich sind die Maulthiere steril, und nur in äußerst sel- tenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig befunden. Wollte man also diesen wunderseltnen Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Species halten, un- geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumal im Innern (und namentlich in der ganz auffallend verschiednen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!), *) Diesen Unterschied zwischen Rassen und Spielarten hat zuerst Kant genau bestimmt, im deutschen Mercur 1788. I. B. S. 48. S. hiervon ausführ- lich Girtanner' über das Kantische Princip für die Naturgeschichte. Göttingen 1797. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1821/48
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 10. Aufl. Göttingen, 1821, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1821/48>, abgerufen am 19.04.2024.