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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 10. Aufl. Göttingen, 1821.

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zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung ab-
zielenden Handlungen zu unterziehen.

Daß diese wichtigen Handlungen wirklich
ganz unüberlegt, bloß nach ursprünglichen Ge-
setzen der Nothwendigkeit, und gleichsam ma-
schinenmäßig vollzogen werden, wird durch
zahlreiche Bemerkungen erweislich, wie z. B.,
daß die Hamster auch todten Vögeln doch zu-
erst die Flügel zerbrechen, ehe sie weiter an-
beißen; daß junge Zugvögel, die man ganz
einsam im Zimmer erzogen hat, doch im Herbst
den innern Ruf zum Fortziehen fühlen, und
im Käfich bey allem guten Futter und Pflege
unruhig werden.

§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thieri-
schen Triebe sind besonders die so genannten
Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so
viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle
Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung*),
(als welche bey so vielen gar nicht Statt finden
kann; wie z. B. bey den Seidenwürmern etc.,
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da-
von Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
Eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh-
nungen, Nester, Gewebe etc. zu ihrem Auf-
enthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum

*) "Nascitur ars ista, non discitur." Seneca.

zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung ab-
zielenden Handlungen zu unterziehen.

Daß diese wichtigen Handlungen wirklich
ganz unüberlegt, bloß nach ursprünglichen Ge-
setzen der Nothwendigkeit, und gleichsam ma-
schinenmäßig vollzogen werden, wird durch
zahlreiche Bemerkungen erweislich, wie z. B.,
daß die Hamster auch todten Vögeln doch zu-
erst die Flügel zerbrechen, ehe sie weiter an-
beißen; daß junge Zugvögel, die man ganz
einsam im Zimmer erzogen hat, doch im Herbst
den innern Ruf zum Fortziehen fühlen, und
im Käfich bey allem guten Futter und Pflege
unruhig werden.

§. 36.

Unter den mancherley Arten dieser thieri-
schen Triebe sind besonders die so genannten
Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so
viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle
Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung*),
(als welche bey so vielen gar nicht Statt finden
kann; wie z. B. bey den Seidenwürmern ꝛc.,
die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da-
von Gebrauch machen können, und wo folglich
schlechterdings erster Versuch und Meisterstück
Eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh-
nungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem Auf-
enthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum

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[43/0065] zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung ab- zielenden Handlungen zu unterziehen. Daß diese wichtigen Handlungen wirklich ganz unüberlegt, bloß nach ursprünglichen Ge- setzen der Nothwendigkeit, und gleichsam ma- schinenmäßig vollzogen werden, wird durch zahlreiche Bemerkungen erweislich, wie z. B., daß die Hamster auch todten Vögeln doch zu- erst die Flügel zerbrechen, ehe sie weiter an- beißen; daß junge Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum Fortziehen fühlen, und im Käfich bey allem guten Futter und Pflege unruhig werden. §. 36. Unter den mancherley Arten dieser thieri- schen Triebe sind besonders die so genannten Kunsttriebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle Anweisung und ohne alle vorgängige Uebung *), (als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B. bey den Seidenwürmern ꝛc., die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben da- von Gebrauch machen können, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück Eins seyn muß), so ungemein künstliche Woh- nungen, Nester, Gewebe ꝛc. zu ihrem Auf- enthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum *) „Nascitur ars ista, non discitur.” Seneca.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 10. Aufl. Göttingen, 1821, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1821/65>, abgerufen am 25.04.2024.