Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Siebenzehntes Capitel.
III. Die Aristokratie.
A. Hellenische Form. Sparta.

Wie Athen im Alterthum als der höchste Ausdruck der
Demokratie, so galt Sparta bei den Hellenen als die aus-
geprägteste Erscheinung
der Aristokratie. Im all-
gemeinen hatte der hellenische Volkscharakter eher eine Nei-
gung zur demokratischen als zur aristokratischen Statsform;
nur im Verhältnisz zu den Barbaren des Auslandes liebten
die Hellenen es, sich als geborne Aristokraten zu betrachten.
Der dorische Volksstamm aber, zu welchem die Spartiaten
gehörten, zog auch für seine innern Statseinrichtungen aristo-
kratische Formen und Tendenzen vor.

Alle Aristokratie setzt in ihrem idealen Princip Herr-
schaft der edleren Bestandtheile des Volkes über die
untergeordnete Menge voraus. Die Art aber wie diese edleren
Bestandtheile gemessen und emporgehoben werden, ist in den
verschiedenen Staten dieses Charakters verschieden. In Sparta
war der Stamm der Spartiaten, welche das Land mit den
Waffen erobert hatten, der herrschende. Ihre Unterthanen
waren die alten besiegten Einwohner des Landes, die Perioi-
ken, Lakedämonier. Die Geburt bezeichnet somit schon
den herrschenden und den unterthänigen Stamm. Die ersten
Eroberer des Landes setzten so die Herrschaft, welche sie
durch die Ueberlegenheit ihrer Waffen erworben hatten, fort,
indem sie dieselbe durch alle folgenden Generationen auf ihre
Nachkommen vererbten. Das politische Erbrecht, ein
charakteristischer Zug aller alten Aristokratien, hatte in die-
sem Streben der Erhaltung einen natürlichen Ursprung, und
war zu einem Grundprincip des ganzen States geworden.

Diese erbliche Herrschaft der Spartiaten als des edleren

Sechstes Buch. Die Statsformen.
Siebenzehntes Capitel.
III. Die Aristokratie.
A. Hellenische Form. Sparta.

Wie Athen im Alterthum als der höchste Ausdruck der
Demokratie, so galt Sparta bei den Hellenen als die aus-
geprägteste Erscheinung
der Aristokratie. Im all-
gemeinen hatte der hellenische Volkscharakter eher eine Nei-
gung zur demokratischen als zur aristokratischen Statsform;
nur im Verhältnisz zu den Barbaren des Auslandes liebten
die Hellenen es, sich als geborne Aristokraten zu betrachten.
Der dorische Volksstamm aber, zu welchem die Spartiaten
gehörten, zog auch für seine innern Statseinrichtungen aristo-
kratische Formen und Tendenzen vor.

Alle Aristokratie setzt in ihrem idealen Princip Herr-
schaft der edleren Bestandtheile des Volkes über die
untergeordnete Menge voraus. Die Art aber wie diese edleren
Bestandtheile gemessen und emporgehoben werden, ist in den
verschiedenen Staten dieses Charakters verschieden. In Sparta
war der Stamm der Spartiaten, welche das Land mit den
Waffen erobert hatten, der herrschende. Ihre Unterthanen
waren die alten besiegten Einwohner des Landes, die Perioi-
ken, Lakedämonier. Die Geburt bezeichnet somit schon
den herrschenden und den unterthänigen Stamm. Die ersten
Eroberer des Landes setzten so die Herrschaft, welche sie
durch die Ueberlegenheit ihrer Waffen erworben hatten, fort,
indem sie dieselbe durch alle folgenden Generationen auf ihre
Nachkommen vererbten. Das politische Erbrecht, ein
charakteristischer Zug aller alten Aristokratien, hatte in die-
sem Streben der Erhaltung einen natürlichen Ursprung, und
war zu einem Grundprincip des ganzen States geworden.

Diese erbliche Herrschaft der Spartiaten als des edleren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0520" n="502"/>
        <fw place="top" type="header">Sechstes Buch. Die Statsformen.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>Siebenzehntes Capitel.<lb/>
III. <hi rendition="#g">Die Aristokratie</hi>.<lb/><hi rendition="#b">A. Hellenische Form. Sparta.</hi></head><lb/>
          <p>Wie Athen im Alterthum als der höchste Ausdruck der<lb/>
Demokratie, so galt <hi rendition="#g">Sparta</hi> bei den <hi rendition="#g">Hellenen</hi> als die <hi rendition="#g">aus-<lb/>
geprägteste Erscheinung</hi> der <hi rendition="#g">Aristokratie</hi>. Im all-<lb/>
gemeinen hatte der hellenische Volkscharakter eher eine Nei-<lb/>
gung zur demokratischen als zur aristokratischen Statsform;<lb/>
nur im Verhältnisz zu den Barbaren des Auslandes liebten<lb/>
die Hellenen es, sich als geborne Aristokraten zu betrachten.<lb/>
Der dorische Volksstamm aber, zu welchem die Spartiaten<lb/>
gehörten, zog auch für seine innern Statseinrichtungen aristo-<lb/>
kratische Formen und Tendenzen vor.</p><lb/>
          <p>Alle Aristokratie setzt in ihrem idealen Princip Herr-<lb/>
schaft der <hi rendition="#g">edleren Bestandtheile</hi> des Volkes über die<lb/>
untergeordnete Menge voraus. Die Art aber wie diese edleren<lb/>
Bestandtheile gemessen und emporgehoben werden, ist in den<lb/>
verschiedenen Staten dieses Charakters verschieden. In Sparta<lb/>
war der Stamm der Spartiaten, welche das Land mit den<lb/>
Waffen erobert hatten, der herrschende. Ihre Unterthanen<lb/>
waren die alten besiegten Einwohner des Landes, die Perioi-<lb/>
ken, Lakedämonier. Die <hi rendition="#g">Geburt</hi> bezeichnet somit schon<lb/>
den herrschenden und den unterthänigen Stamm. Die ersten<lb/>
Eroberer des Landes setzten so die Herrschaft, welche sie<lb/>
durch die Ueberlegenheit ihrer Waffen erworben hatten, fort,<lb/>
indem sie dieselbe durch alle folgenden Generationen auf ihre<lb/>
Nachkommen vererbten. Das <hi rendition="#g">politische Erbrecht</hi>, ein<lb/>
charakteristischer Zug aller alten Aristokratien, hatte in die-<lb/>
sem Streben der Erhaltung einen natürlichen Ursprung, und<lb/>
war zu einem Grundprincip des ganzen States geworden.</p><lb/>
          <p>Diese erbliche Herrschaft der Spartiaten als des edleren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0520] Sechstes Buch. Die Statsformen. Siebenzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. A. Hellenische Form. Sparta. Wie Athen im Alterthum als der höchste Ausdruck der Demokratie, so galt Sparta bei den Hellenen als die aus- geprägteste Erscheinung der Aristokratie. Im all- gemeinen hatte der hellenische Volkscharakter eher eine Nei- gung zur demokratischen als zur aristokratischen Statsform; nur im Verhältnisz zu den Barbaren des Auslandes liebten die Hellenen es, sich als geborne Aristokraten zu betrachten. Der dorische Volksstamm aber, zu welchem die Spartiaten gehörten, zog auch für seine innern Statseinrichtungen aristo- kratische Formen und Tendenzen vor. Alle Aristokratie setzt in ihrem idealen Princip Herr- schaft der edleren Bestandtheile des Volkes über die untergeordnete Menge voraus. Die Art aber wie diese edleren Bestandtheile gemessen und emporgehoben werden, ist in den verschiedenen Staten dieses Charakters verschieden. In Sparta war der Stamm der Spartiaten, welche das Land mit den Waffen erobert hatten, der herrschende. Ihre Unterthanen waren die alten besiegten Einwohner des Landes, die Perioi- ken, Lakedämonier. Die Geburt bezeichnet somit schon den herrschenden und den unterthänigen Stamm. Die ersten Eroberer des Landes setzten so die Herrschaft, welche sie durch die Ueberlegenheit ihrer Waffen erworben hatten, fort, indem sie dieselbe durch alle folgenden Generationen auf ihre Nachkommen vererbten. Das politische Erbrecht, ein charakteristischer Zug aller alten Aristokratien, hatte in die- sem Streben der Erhaltung einen natürlichen Ursprung, und war zu einem Grundprincip des ganzen States geworden. Diese erbliche Herrschaft der Spartiaten als des edleren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/520
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/520>, abgerufen am 19.04.2024.