Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter.
welches dasselbe inne hat. Es kann daher auch seiner Natur
nach nicht zu eigenem Privatrechte verliehen noch als solches
Gegenstand des Privatverkehrs werden. Wo derlei geschehen
ist, wie im Mittelalter und spät noch in Frankreich, da war
eben der Stat selbst noch in den Banden des Privatrechts
gefangen und noch nicht zu vollem Bewusztsein seines poli-
tischen Daseins gelangt.

8. In der mit dem Amte verbundenen Besoldung aber
liegt allerdings ein privatrechtliches Element, denn die
Besoldung ist wesentlich dafür gegeben, um die ökonomische
Existenz der Person, und ihrer Familie zu sichern, welche
ihre Dienste dem State leistet, und daher von dem State Le-
bensunterhalt verlangen darf. Die Besoldungsansprüche haben
keinen politischen, sondern einen vermögensrechtlichen In-
halt. Sie können daher wohl durch den Civilrichter geschätzt
werden.

Aber das Wesen des Statsamts wird nicht dadurch be-
stimmt. Es hat in allen Zeiten auch unbesoldete Statsämter,
sogenannte Ehrenämter gegeben, die in der Hauptsache
dieselbe organische Bedeutung hatte, wie die besoldeten
Berufsämter
. Die englischen Friedensrichter sind unzweifel-
haft Policeibeamte des Stats, eben so wie die besoldeten
preuszischen Landräthe, welche ebenfalls Policeibeamte des
States sind.



Neuntes Capitel.
Besetzung der Statsämter.

1. Die Erblichkeit der Aemter, im Mittelalter allent-
halben in Europa eingeführt, wird in den modernen Staten
mit Recht eben so allgemein verworfen. Die Geschichte des
Mittelalters hat unwiderleglich bewiesen, dasz die Erblichkeit

Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter.
welches dasselbe inne hat. Es kann daher auch seiner Natur
nach nicht zu eigenem Privatrechte verliehen noch als solches
Gegenstand des Privatverkehrs werden. Wo derlei geschehen
ist, wie im Mittelalter und spät noch in Frankreich, da war
eben der Stat selbst noch in den Banden des Privatrechts
gefangen und noch nicht zu vollem Bewusztsein seines poli-
tischen Daseins gelangt.

8. In der mit dem Amte verbundenen Besoldung aber
liegt allerdings ein privatrechtliches Element, denn die
Besoldung ist wesentlich dafür gegeben, um die ökonomische
Existenz der Person, und ihrer Familie zu sichern, welche
ihre Dienste dem State leistet, und daher von dem State Le-
bensunterhalt verlangen darf. Die Besoldungsansprüche haben
keinen politischen, sondern einen vermögensrechtlichen In-
halt. Sie können daher wohl durch den Civilrichter geschätzt
werden.

Aber das Wesen des Statsamts wird nicht dadurch be-
stimmt. Es hat in allen Zeiten auch unbesoldete Statsämter,
sogenannte Ehrenämter gegeben, die in der Hauptsache
dieselbe organische Bedeutung hatte, wie die besoldeten
Berufsämter
. Die englischen Friedensrichter sind unzweifel-
haft Policeibeamte des Stats, eben so wie die besoldeten
preuszischen Landräthe, welche ebenfalls Policeibeamte des
States sind.



Neuntes Capitel.
Besetzung der Statsämter.

1. Die Erblichkeit der Aemter, im Mittelalter allent-
halben in Europa eingeführt, wird in den modernen Staten
mit Recht eben so allgemein verworfen. Die Geschichte des
Mittelalters hat unwiderleglich bewiesen, dasz die Erblichkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0623" n="605"/><fw place="top" type="header">Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter.</fw><lb/>
welches dasselbe inne hat. Es kann daher auch seiner Natur<lb/>
nach nicht zu eigenem Privatrechte verliehen noch als solches<lb/>
Gegenstand des Privatverkehrs werden. Wo derlei geschehen<lb/>
ist, wie im Mittelalter und spät noch in Frankreich, da war<lb/>
eben der Stat selbst noch in den Banden des Privatrechts<lb/>
gefangen und noch nicht zu vollem Bewusztsein seines poli-<lb/>
tischen Daseins gelangt.</p><lb/>
          <p>8. In der mit dem Amte verbundenen <hi rendition="#g">Besoldung</hi> aber<lb/>
liegt allerdings ein <hi rendition="#g">privatrechtliches</hi> Element, denn die<lb/>
Besoldung ist wesentlich dafür gegeben, um die ökonomische<lb/>
Existenz der Person, und ihrer Familie zu sichern, welche<lb/>
ihre Dienste dem State leistet, und daher von dem State Le-<lb/>
bensunterhalt verlangen darf. Die Besoldungsansprüche haben<lb/>
keinen politischen, sondern einen vermögensrechtlichen In-<lb/>
halt. Sie können daher wohl durch den Civilrichter geschätzt<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p>Aber das Wesen des Statsamts wird nicht dadurch be-<lb/>
stimmt. Es hat in allen Zeiten auch unbesoldete Statsämter,<lb/>
sogenannte <hi rendition="#g">Ehrenämter</hi> gegeben, die in der Hauptsache<lb/>
dieselbe organische Bedeutung hatte, wie die <hi rendition="#g">besoldeten<lb/>
Berufsämter</hi>. Die englischen Friedensrichter sind unzweifel-<lb/>
haft <hi rendition="#g">Policeibeamte</hi> des Stats, eben so wie die besoldeten<lb/>
preuszischen <hi rendition="#g">Landräthe</hi>, welche ebenfalls Policeibeamte des<lb/>
States sind.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Neuntes Capitel.<lb/><hi rendition="#b">Besetzung der Statsämter.</hi></head><lb/>
          <p>1. Die <hi rendition="#g">Erblichkeit</hi> der Aemter, im Mittelalter allent-<lb/>
halben in Europa eingeführt, wird in den modernen Staten<lb/>
mit Recht eben so allgemein verworfen. Die Geschichte des<lb/>
Mittelalters hat unwiderleglich bewiesen, dasz die Erblichkeit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[605/0623] Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter. welches dasselbe inne hat. Es kann daher auch seiner Natur nach nicht zu eigenem Privatrechte verliehen noch als solches Gegenstand des Privatverkehrs werden. Wo derlei geschehen ist, wie im Mittelalter und spät noch in Frankreich, da war eben der Stat selbst noch in den Banden des Privatrechts gefangen und noch nicht zu vollem Bewusztsein seines poli- tischen Daseins gelangt. 8. In der mit dem Amte verbundenen Besoldung aber liegt allerdings ein privatrechtliches Element, denn die Besoldung ist wesentlich dafür gegeben, um die ökonomische Existenz der Person, und ihrer Familie zu sichern, welche ihre Dienste dem State leistet, und daher von dem State Le- bensunterhalt verlangen darf. Die Besoldungsansprüche haben keinen politischen, sondern einen vermögensrechtlichen In- halt. Sie können daher wohl durch den Civilrichter geschätzt werden. Aber das Wesen des Statsamts wird nicht dadurch be- stimmt. Es hat in allen Zeiten auch unbesoldete Statsämter, sogenannte Ehrenämter gegeben, die in der Hauptsache dieselbe organische Bedeutung hatte, wie die besoldeten Berufsämter. Die englischen Friedensrichter sind unzweifel- haft Policeibeamte des Stats, eben so wie die besoldeten preuszischen Landräthe, welche ebenfalls Policeibeamte des States sind. Neuntes Capitel. Besetzung der Statsämter. 1. Die Erblichkeit der Aemter, im Mittelalter allent- halben in Europa eingeführt, wird in den modernen Staten mit Recht eben so allgemein verworfen. Die Geschichte des Mittelalters hat unwiderleglich bewiesen, dasz die Erblichkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/623
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/623>, abgerufen am 19.04.2024.