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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Eilftes Capitel. Ende des Statsdienstes.
zwar wohl berufen und fähig sind, die verbrecherische That
eines Beamten wie eines Bürgers zu erkennen und zu beur-
theilen, aber immer in dem Angeklagten voraus den Menschen,
nur nebenher auch den Beamten sehen, und welche auszer
Stande sind, auch die statsrechtlichen Bedürfnisse des Amtes
in ihrer vollen Macht und die verderblichen Wirkungen, welche
ein ungehöriges Benehmen eines Beamten für die Einheit und
Harmonie der Statsgewalt hat, in ihrem vollen Umfang zu
überblicken und zu ermessen, ist keineswegs zu billigen. Wo
dieselbe angeordnet ist, da hat das Interesse des jeweiligen
Beamten über das des bleibenden Amtes und des States, und
in Wahrheit das Privatrecht über das Statsrecht den
Sieg erfochten. Nur einem Gerichtshofe, welcher schon in
seiner Zusammensetzung Garantie dafür darbietet, dasz er auch
die statsrechtlichen Momente, die hier in Betracht kommen,
zu würdigen wisse, kann ohne Schaden für den Stat eine aus-
schlieszliche Competenz für solche Fälle eingeräumt werden.
Gibt es einen solchen nicht, so musz den höhern Aufsichts-
behörden das Recht verbleiben, unwürdige oder untaugliche
Beamte nöthigenfalls aus dem Amte zu entfernen. 7



Eilftes Capitel.
Ende des Statsdienstes.

1. Da der Beamte um des Amtes willen ernannt wird,
nicht dieses um der Person des Beamten willen besteht, so
zieht die Aufhebung des Amtes von Rechtes wegen auch

7 Preuszische Verordnung vom 11. Julius 1849 §. 20: "Die Dienst-
entlassung musz insbesondere dann erfolgen, wenn der Beamte die Pflicht
der Treue verletzt, oder den Muth, den sein Beruf erfordert, nicht
bethätigt
, oder sich einer feindseligen Parteinahme gegen die
Statsregierung schuldig gemacht hat."

Eilftes Capitel. Ende des Statsdienstes.
zwar wohl berufen und fähig sind, die verbrecherische That
eines Beamten wie eines Bürgers zu erkennen und zu beur-
theilen, aber immer in dem Angeklagten voraus den Menschen,
nur nebenher auch den Beamten sehen, und welche auszer
Stande sind, auch die statsrechtlichen Bedürfnisse des Amtes
in ihrer vollen Macht und die verderblichen Wirkungen, welche
ein ungehöriges Benehmen eines Beamten für die Einheit und
Harmonie der Statsgewalt hat, in ihrem vollen Umfang zu
überblicken und zu ermessen, ist keineswegs zu billigen. Wo
dieselbe angeordnet ist, da hat das Interesse des jeweiligen
Beamten über das des bleibenden Amtes und des States, und
in Wahrheit das Privatrecht über das Statsrecht den
Sieg erfochten. Nur einem Gerichtshofe, welcher schon in
seiner Zusammensetzung Garantie dafür darbietet, dasz er auch
die statsrechtlichen Momente, die hier in Betracht kommen,
zu würdigen wisse, kann ohne Schaden für den Stat eine aus-
schlieszliche Competenz für solche Fälle eingeräumt werden.
Gibt es einen solchen nicht, so musz den höhern Aufsichts-
behörden das Recht verbleiben, unwürdige oder untaugliche
Beamte nöthigenfalls aus dem Amte zu entfernen. 7



Eilftes Capitel.
Ende des Statsdienstes.

1. Da der Beamte um des Amtes willen ernannt wird,
nicht dieses um der Person des Beamten willen besteht, so
zieht die Aufhebung des Amtes von Rechtes wegen auch

7 Preuszische Verordnung vom 11. Julius 1849 §. 20: „Die Dienst-
entlassung musz insbesondere dann erfolgen, wenn der Beamte die Pflicht
der Treue verletzt, oder den Muth, den sein Beruf erfordert, nicht
bethätigt
, oder sich einer feindseligen Parteinahme gegen die
Statsregierung schuldig gemacht hat.“
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[627/0645] Eilftes Capitel. Ende des Statsdienstes. zwar wohl berufen und fähig sind, die verbrecherische That eines Beamten wie eines Bürgers zu erkennen und zu beur- theilen, aber immer in dem Angeklagten voraus den Menschen, nur nebenher auch den Beamten sehen, und welche auszer Stande sind, auch die statsrechtlichen Bedürfnisse des Amtes in ihrer vollen Macht und die verderblichen Wirkungen, welche ein ungehöriges Benehmen eines Beamten für die Einheit und Harmonie der Statsgewalt hat, in ihrem vollen Umfang zu überblicken und zu ermessen, ist keineswegs zu billigen. Wo dieselbe angeordnet ist, da hat das Interesse des jeweiligen Beamten über das des bleibenden Amtes und des States, und in Wahrheit das Privatrecht über das Statsrecht den Sieg erfochten. Nur einem Gerichtshofe, welcher schon in seiner Zusammensetzung Garantie dafür darbietet, dasz er auch die statsrechtlichen Momente, die hier in Betracht kommen, zu würdigen wisse, kann ohne Schaden für den Stat eine aus- schlieszliche Competenz für solche Fälle eingeräumt werden. Gibt es einen solchen nicht, so musz den höhern Aufsichts- behörden das Recht verbleiben, unwürdige oder untaugliche Beamte nöthigenfalls aus dem Amte zu entfernen. 7 Eilftes Capitel. Ende des Statsdienstes. 1. Da der Beamte um des Amtes willen ernannt wird, nicht dieses um der Person des Beamten willen besteht, so zieht die Aufhebung des Amtes von Rechtes wegen auch 7 Preuszische Verordnung vom 11. Julius 1849 §. 20: „Die Dienst- entlassung musz insbesondere dann erfolgen, wenn der Beamte die Pflicht der Treue verletzt, oder den Muth, den sein Beruf erfordert, nicht bethätigt, oder sich einer feindseligen Parteinahme gegen die Statsregierung schuldig gemacht hat.“

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/645>, abgerufen am 23.04.2024.