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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
das Ende des Beamtenverhältnisses für das Individuum nach
sich. Ueber die Fortdauer und Art des Amtes wird nur nach
Gründen der öffentlichen Wohlfahrt entschieden. Die privat-
rechtlichen Ansprüche des angestellten Beamten aber auf den
Standesgehalt werden durch die statsrechtliche Aufhebung des
Amtes nicht beseitigt. Vielmehr hat derselbe auch nachher
auf so lange einen Anspruch darauf, als er, hätte das Amt
fortgedauert, in demselben auch ein Recht auf die Besoldung
gehabt hätte.

2. Wie die Freiheit der Annahme oder Ablehnung eines
Amtes als Regel gilt, so ist auch die Freiheit der Resig-
nation
als Regel des neueren Statsrechtes nun anerkannt,
obwohl allerdings aus jener nicht ohne weiters auf diese ge-
schlossen werden kann, denn aus der Freiheit eine Verpflich-
tung auf sich zu laden, folgt nicht die Freiheit, eine über-
nommene Verpflichtung wieder abzuschütteln. Aber wo die
geistige Kraft und die gemüthliche Stimmung des Individuums,
die durch Zwangsanstalten nicht nach Belieben erzeugt wer-
den können, so sehr in Betracht kommen wie bei den öffent-
lichen Aemtern, da frommt auch eine blosze erzwungene
Fortsetzung des Dienstes dem State nicht. 1 Wo dagegen
schon die Annahme eines Amtes Bürgerpflicht ist, da ist es
auch die Fortsetzung des Dienstes wenigstens während einer
bestimmten Zeitperiode. 2

Die Resignation bewirkt indessen nicht ohne weiters die

1 Preuszisches
Landrecht II. 10. §. 95: "Die Entlassung (auf An-
suchen des Beamten) soll nur alsdann, wenn ein erheblicher Nachtheil
für das gemeine Beste zu besorgen ist, versagt werden."
Bayerisches
Edict von 1818, §. 22: "Der Statsdiener kann zu jeder Zeit, ohne alle
Motivirung, seine Entlassung aus dem Statsdienste nehmen. Er verliert
in diesem Falle den Standes- und Dienstesgehalt mit dem Titel und
Functionszeichen."
2 Z. B. nach englischem Recht wird der Sheriff (scire-gerefa), der
das Amt ein Jahr lang verwaltet hat, für die drei nächsten Jahre von
der Verpflichtung frei, dasselbe zu übernehmen. Blackstone, Comm.
I. 9, 1.

Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
das Ende des Beamtenverhältnisses für das Individuum nach
sich. Ueber die Fortdauer und Art des Amtes wird nur nach
Gründen der öffentlichen Wohlfahrt entschieden. Die privat-
rechtlichen Ansprüche des angestellten Beamten aber auf den
Standesgehalt werden durch die statsrechtliche Aufhebung des
Amtes nicht beseitigt. Vielmehr hat derselbe auch nachher
auf so lange einen Anspruch darauf, als er, hätte das Amt
fortgedauert, in demselben auch ein Recht auf die Besoldung
gehabt hätte.

2. Wie die Freiheit der Annahme oder Ablehnung eines
Amtes als Regel gilt, so ist auch die Freiheit der Resig-
nation
als Regel des neueren Statsrechtes nun anerkannt,
obwohl allerdings aus jener nicht ohne weiters auf diese ge-
schlossen werden kann, denn aus der Freiheit eine Verpflich-
tung auf sich zu laden, folgt nicht die Freiheit, eine über-
nommene Verpflichtung wieder abzuschütteln. Aber wo die
geistige Kraft und die gemüthliche Stimmung des Individuums,
die durch Zwangsanstalten nicht nach Belieben erzeugt wer-
den können, so sehr in Betracht kommen wie bei den öffent-
lichen Aemtern, da frommt auch eine blosze erzwungene
Fortsetzung des Dienstes dem State nicht. 1 Wo dagegen
schon die Annahme eines Amtes Bürgerpflicht ist, da ist es
auch die Fortsetzung des Dienstes wenigstens während einer
bestimmten Zeitperiode. 2

Die Resignation bewirkt indessen nicht ohne weiters die

1 Preuszisches
Landrecht II. 10. §. 95: „Die Entlassung (auf An-
suchen des Beamten) soll nur alsdann, wenn ein erheblicher Nachtheil
für das gemeine Beste zu besorgen ist, versagt werden.“
Bayerisches
Edict von 1818, §. 22: „Der Statsdiener kann zu jeder Zeit, ohne alle
Motivirung, seine Entlassung aus dem Statsdienste nehmen. Er verliert
in diesem Falle den Standes- und Dienstesgehalt mit dem Titel und
Functionszeichen.“
2 Z. B. nach englischem Recht wird der Sheriff (scire-gerefa), der
das Amt ein Jahr lang verwaltet hat, für die drei nächsten Jahre von
der Verpflichtung frei, dasselbe zu übernehmen. Blackstone, Comm.
I. 9, 1.
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[628/0646] Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc. das Ende des Beamtenverhältnisses für das Individuum nach sich. Ueber die Fortdauer und Art des Amtes wird nur nach Gründen der öffentlichen Wohlfahrt entschieden. Die privat- rechtlichen Ansprüche des angestellten Beamten aber auf den Standesgehalt werden durch die statsrechtliche Aufhebung des Amtes nicht beseitigt. Vielmehr hat derselbe auch nachher auf so lange einen Anspruch darauf, als er, hätte das Amt fortgedauert, in demselben auch ein Recht auf die Besoldung gehabt hätte. 2. Wie die Freiheit der Annahme oder Ablehnung eines Amtes als Regel gilt, so ist auch die Freiheit der Resig- nation als Regel des neueren Statsrechtes nun anerkannt, obwohl allerdings aus jener nicht ohne weiters auf diese ge- schlossen werden kann, denn aus der Freiheit eine Verpflich- tung auf sich zu laden, folgt nicht die Freiheit, eine über- nommene Verpflichtung wieder abzuschütteln. Aber wo die geistige Kraft und die gemüthliche Stimmung des Individuums, die durch Zwangsanstalten nicht nach Belieben erzeugt wer- den können, so sehr in Betracht kommen wie bei den öffent- lichen Aemtern, da frommt auch eine blosze erzwungene Fortsetzung des Dienstes dem State nicht. 1 Wo dagegen schon die Annahme eines Amtes Bürgerpflicht ist, da ist es auch die Fortsetzung des Dienstes wenigstens während einer bestimmten Zeitperiode. 2 Die Resignation bewirkt indessen nicht ohne weiters die 1 Preuszisches Landrecht II. 10. §. 95: „Die Entlassung (auf An- suchen des Beamten) soll nur alsdann, wenn ein erheblicher Nachtheil für das gemeine Beste zu besorgen ist, versagt werden.“ Bayerisches Edict von 1818, §. 22: „Der Statsdiener kann zu jeder Zeit, ohne alle Motivirung, seine Entlassung aus dem Statsdienste nehmen. Er verliert in diesem Falle den Standes- und Dienstesgehalt mit dem Titel und Functionszeichen.“ 2 Z. B. nach englischem Recht wird der Sheriff (scire-gerefa), der das Amt ein Jahr lang verwaltet hat, für die drei nächsten Jahre von der Verpflichtung frei, dasselbe zu übernehmen. Blackstone, Comm. I. 9, 1.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/646>, abgerufen am 20.04.2024.