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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Erstes Buch. Der Statsbegriff.
zeitig gelebt haben. Sie unternimmt es sogar den leiblichen Zusammen-
hang und die Wandlungsstufen aufzuzeigen, welche den Menschenkörper
mit den älteren Körperformen der Thiere verbinden. Sie macht es wahr-
scheinlich, dasz die vorgeschichtlichen Menschenrassen mit den Affen und
andern Thieren noch näher verwandt waren, als die heutige Menschheit.
In dieser Beobachtung liegt zunächst eine Verschärfung, bei näherer Er-
wägung aber eine Lösung jenes Widerspruchs.

Mag immerhin die Geschichte der Menschenschöpfung, oder wie
Manche es nennen, der Menschenzüchtung, welche die Naturwissenschaft
aufsucht, auf sehr viel frühere Zeiten hinweisen, als die hergebrachte
Annahme eines Kindheitsalters der Menschheit vermuthet, so haben wir
doch keinen Grund, die Culturgeschichte der Menschheit, und das was
wir Weltgeschichte nennen, ebenso ins Weite auszudehnen. Die
Weltgeschichte konnte erst in der Zeit beginnen, als eine höhere
Menschenrasse
die Fähigkeit offenbarte, selber schöpferisch an der
Vervollkommnung des Menschengeschlechts zu arbeiten. Sie fängt daher
erst an mit der Erscheinung der weiszen Menschenrasse, der Kinder
des Lichts, der Bildner und Träger der Weltgeschichte. Der weisze
Mensch ist keinenfalls so alt als der sogenannte Affenmensch.

Das Gesetz der organisch-psychologischen Entwicklung der
Weltgeschichte ist also nicht mit dem Naturgesetze der leiblichen
Abstammung
zu verwechseln. Das menschliche Gemeingefühl und der
Gemeingeist, welche sich in jenem offenbaren und die Entwicklungsstufen,
die sich in dem wechselnden Vortreten der verschiedenen Geistes- und
Gemüthskräfte und in den Menschenwerken darstellen, gehören wesentlich
der höchsten Menschennatur an, und nicht der Natur der mancherlei
Thiergattungen.

Die niedrigeren ersten Erscheinungen von Menschenrassen mögen als
Vorstufen der höheren Menschheitsform eine stoffliche Bedeutung haben.
An der eigentlichen Geschichte der Menschheit haben sie kaum mehr An-
theil als die Farbe und der Pinsel an dem Gemälde des Künstlers.



Sechstes Capitel.
2. Hauptunterschiede des modernen Statsbegriffs von dem
antiken und dem mittelalterlichen Statsbegriff
.

Der Gegensatz des modernen und des antiken Statsbegriffs
läszt sich in folgender Gegenüberstellung der Hauptunterschiede
darstellen.


Erstes Buch. Der Statsbegriff.
zeitig gelebt haben. Sie unternimmt es sogar den leiblichen Zusammen-
hang und die Wandlungsstufen aufzuzeigen, welche den Menschenkörper
mit den älteren Körperformen der Thiere verbinden. Sie macht es wahr-
scheinlich, dasz die vorgeschichtlichen Menschenrassen mit den Affen und
andern Thieren noch näher verwandt waren, als die heutige Menschheit.
In dieser Beobachtung liegt zunächst eine Verschärfung, bei näherer Er-
wägung aber eine Lösung jenes Widerspruchs.

Mag immerhin die Geschichte der Menschenschöpfung, oder wie
Manche es nennen, der Menschenzüchtung, welche die Naturwissenschaft
aufsucht, auf sehr viel frühere Zeiten hinweisen, als die hergebrachte
Annahme eines Kindheitsalters der Menschheit vermuthet, so haben wir
doch keinen Grund, die Culturgeschichte der Menschheit, und das was
wir Weltgeschichte nennen, ebenso ins Weite auszudehnen. Die
Weltgeschichte konnte erst in der Zeit beginnen, als eine höhere
Menschenrasse
die Fähigkeit offenbarte, selber schöpferisch an der
Vervollkommnung des Menschengeschlechts zu arbeiten. Sie fängt daher
erst an mit der Erscheinung der weiszen Menschenrasse, der Kinder
des Lichts, der Bildner und Träger der Weltgeschichte. Der weisze
Mensch ist keinenfalls so alt als der sogenannte Affenmensch.

Das Gesetz der organisch-psychologischen Entwicklung der
Weltgeschichte ist also nicht mit dem Naturgesetze der leiblichen
Abstammung
zu verwechseln. Das menschliche Gemeingefühl und der
Gemeingeist, welche sich in jenem offenbaren und die Entwicklungsstufen,
die sich in dem wechselnden Vortreten der verschiedenen Geistes- und
Gemüthskräfte und in den Menschenwerken darstellen, gehören wesentlich
der höchsten Menschennatur an, und nicht der Natur der mancherlei
Thiergattungen.

Die niedrigeren ersten Erscheinungen von Menschenrassen mögen als
Vorstufen der höheren Menschheitsform eine stoffliche Bedeutung haben.
An der eigentlichen Geschichte der Menschheit haben sie kaum mehr An-
theil als die Farbe und der Pinsel an dem Gemälde des Künstlers.



Sechstes Capitel.
2. Hauptunterschiede des modernen Statsbegriffs von dem
antiken und dem mittelalterlichen Statsbegriff
.

Der Gegensatz des modernen und des antiken Statsbegriffs
läszt sich in folgender Gegenüberstellung der Hauptunterschiede
darstellen.


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[60/0078] Erstes Buch. Der Statsbegriff. zeitig gelebt haben. Sie unternimmt es sogar den leiblichen Zusammen- hang und die Wandlungsstufen aufzuzeigen, welche den Menschenkörper mit den älteren Körperformen der Thiere verbinden. Sie macht es wahr- scheinlich, dasz die vorgeschichtlichen Menschenrassen mit den Affen und andern Thieren noch näher verwandt waren, als die heutige Menschheit. In dieser Beobachtung liegt zunächst eine Verschärfung, bei näherer Er- wägung aber eine Lösung jenes Widerspruchs. Mag immerhin die Geschichte der Menschenschöpfung, oder wie Manche es nennen, der Menschenzüchtung, welche die Naturwissenschaft aufsucht, auf sehr viel frühere Zeiten hinweisen, als die hergebrachte Annahme eines Kindheitsalters der Menschheit vermuthet, so haben wir doch keinen Grund, die Culturgeschichte der Menschheit, und das was wir Weltgeschichte nennen, ebenso ins Weite auszudehnen. Die Weltgeschichte konnte erst in der Zeit beginnen, als eine höhere Menschenrasse die Fähigkeit offenbarte, selber schöpferisch an der Vervollkommnung des Menschengeschlechts zu arbeiten. Sie fängt daher erst an mit der Erscheinung der weiszen Menschenrasse, der Kinder des Lichts, der Bildner und Träger der Weltgeschichte. Der weisze Mensch ist keinenfalls so alt als der sogenannte Affenmensch. Das Gesetz der organisch-psychologischen Entwicklung der Weltgeschichte ist also nicht mit dem Naturgesetze der leiblichen Abstammung zu verwechseln. Das menschliche Gemeingefühl und der Gemeingeist, welche sich in jenem offenbaren und die Entwicklungsstufen, die sich in dem wechselnden Vortreten der verschiedenen Geistes- und Gemüthskräfte und in den Menschenwerken darstellen, gehören wesentlich der höchsten Menschennatur an, und nicht der Natur der mancherlei Thiergattungen. Die niedrigeren ersten Erscheinungen von Menschenrassen mögen als Vorstufen der höheren Menschheitsform eine stoffliche Bedeutung haben. An der eigentlichen Geschichte der Menschheit haben sie kaum mehr An- theil als die Farbe und der Pinsel an dem Gemälde des Künstlers. Sechstes Capitel. 2. Hauptunterschiede des modernen Statsbegriffs von dem antiken und dem mittelalterlichen Statsbegriff. Der Gegensatz des modernen und des antiken Statsbegriffs läszt sich in folgender Gegenüberstellung der Hauptunterschiede darstellen.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/78>, abgerufen am 28.03.2024.