Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Lett. sur la Rel. Essent. &c.
lich machen, so sollte er lieber keine erschaffen
haben; weil doch die verderbte Menschen selbst,
wenn sie das Vermögen hätten, Geschöpfe
ausser sich hervor zu bringen, es in dem Falle
nicht thäten, da sie wüßten daß dieselbige un-
glücklich würden.

Jch darf gegen Eu. Hoche. frey seyn, und da-
rum ohne Scheue sagen, daß dieses mich von Her-
zen schwach dünckt: Der Schluß ist nemlich
darauf gebauet, daß die Geschöpfe Gottes nur
aus den einigen Menschen bestehen. Es ist frey-
lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der
Güte Gottes, ja der höchsten Güte die möglich ist,
würde ein Werck seyn, das Gott nicht geziemet;
aber wer hat denn dem Unbekannten gesagt, daß
nur die Menschen auf der Welt seyn, und mit-
hin Gott nur allein für sie zu sorgen habe? Lieber
wie viel andere Dinge kan der Mensch unter und
über ihm erkenneu, die eben sowohl Gottes Ge-
schöpfe sind, als die Menschen: Und wie viel tau-
send Arten, vermuthlich auch noch andrer vernünf-
tiger Geschöpfe, mögen seyn, die wir nicht erken-
nen? Jch meines Theils möchte in Ansehung der
Verschiedenheit und Menge der Geschöpfe Gottes
eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten
Kirchenväter in Ansehung der Gegenfüsser ge-
macht. Jch wollte doch gern hören, was der Un-
genannte gedächte, wenn er nach Durchlesung der
Entdeckungen der Gestirnsverständigen und des Ge-
dichtes Essai on Man von Herr Pope, etwann
bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete.
Wir haben aber zu unserm Zwecke nicht einmahl

so
A 5

in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c.
lich machen, ſo ſollte er lieber keine erſchaffen
haben; weil doch die verderbte Menſchen ſelbſt,
wenn ſie das Vermoͤgen haͤtten, Geſchoͤpfe
auſſer ſich hervor zu bringen, es in dem Falle
nicht thaͤten, da ſie wuͤßten daß dieſelbige un-
gluͤcklich wuͤrden.

Jch darf gegen Eu. Hoche. frey ſeyn, und da-
rum ohne Scheue ſagen, daß dieſes mich von Her-
zen ſchwach duͤnckt: Der Schluß iſt nemlich
darauf gebauet, daß die Geſchoͤpfe Gottes nur
aus den einigen Menſchen beſtehen. Es iſt frey-
lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der
Guͤte Gottes, ja der hoͤchſten Guͤte die moͤglich iſt,
wuͤrde ein Werck ſeyn, das Gott nicht geziemet;
aber wer hat denn dem Unbekannten geſagt, daß
nur die Menſchen auf der Welt ſeyn, und mit-
hin Gott nur allein fuͤr ſie zu ſorgen habe? Lieber
wie viel andere Dinge kan der Menſch unter und
uͤber ihm erkenneu, die eben ſowohl Gottes Ge-
ſchoͤpfe ſind, als die Menſchen: Und wie viel tau-
ſend Arten, vermuthlich auch noch andrer vernuͤnf-
tiger Geſchoͤpfe, moͤgen ſeyn, die wir nicht erken-
nen? Jch meines Theils moͤchte in Anſehung der
Verſchiedenheit und Menge der Geſchoͤpfe Gottes
eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten
Kirchenvaͤter in Anſehung der Gegenfuͤſſer ge-
macht. Jch wollte doch gern hoͤren, was der Un-
genannte gedaͤchte, wenn er nach Durchleſung der
Entdeckungen der Geſtirnsverſtaͤndigen und des Ge-
dichtes Eſſai on Man von Herr Pope, etwann
bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete.
Wir haben aber zu unſerm Zwecke nicht einmahl

ſo
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0011" n="9"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in den <hi rendition="#aq">Lett. &#x017F;ur la Rel. E&#x017F;&#x017F;ent. &amp;c.</hi></hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">lich machen, &#x017F;o &#x017F;ollte er lieber keine er&#x017F;chaffen<lb/>
haben; weil doch die verderbte Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
wenn &#x017F;ie das Vermo&#x0364;gen ha&#x0364;tten, Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich hervor zu bringen, es in dem Falle<lb/>
nicht tha&#x0364;ten, da &#x017F;ie wu&#x0364;ßten daß die&#x017F;elbige un-<lb/>
glu&#x0364;cklich wu&#x0364;rden.</hi> </p><lb/>
        <p>Jch darf gegen Eu. Hoche. frey &#x017F;eyn, und da-<lb/>
rum ohne Scheue &#x017F;agen, daß die&#x017F;es mich von Her-<lb/>
zen &#x017F;chwach du&#x0364;nckt: Der Schluß i&#x017F;t nemlich<lb/>
darauf gebauet, daß die Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe Gottes nur<lb/>
aus den einigen Men&#x017F;chen be&#x017F;tehen. Es i&#x017F;t frey-<lb/>
lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der<lb/>
Gu&#x0364;te Gottes, ja der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gu&#x0364;te die mo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
wu&#x0364;rde ein Werck &#x017F;eyn, das Gott nicht geziemet;<lb/>
aber wer hat denn dem Unbekannten ge&#x017F;agt, daß<lb/>
nur die Men&#x017F;chen auf der Welt &#x017F;eyn, und mit-<lb/>
hin Gott nur allein fu&#x0364;r &#x017F;ie zu &#x017F;orgen habe? Lieber<lb/>
wie viel andere Dinge kan der Men&#x017F;ch unter und<lb/>
u&#x0364;ber ihm erkenneu, die eben &#x017F;owohl Gottes Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;ind, als die Men&#x017F;chen: Und wie viel tau-<lb/>
&#x017F;end Arten, vermuthlich auch noch andrer vernu&#x0364;nf-<lb/>
tiger Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, mo&#x0364;gen &#x017F;eyn, die wir nicht erken-<lb/>
nen? Jch meines Theils mo&#x0364;chte in An&#x017F;ehung der<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit und Menge der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe Gottes<lb/>
eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten<lb/>
Kirchenva&#x0364;ter in An&#x017F;ehung der Gegenfu&#x0364;&#x017F;&#x017F;er ge-<lb/>
macht. Jch wollte doch gern ho&#x0364;ren, was der Un-<lb/>
genannte geda&#x0364;chte, wenn er nach Durchle&#x017F;ung der<lb/>
Entdeckungen der Ge&#x017F;tirnsver&#x017F;ta&#x0364;ndigen und des Ge-<lb/>
dichtes <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ai on Man</hi> von Herr Pope, etwann<lb/>
bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete.<lb/>
Wir haben aber zu un&#x017F;erm Zwecke nicht einmahl<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0011] in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. lich machen, ſo ſollte er lieber keine erſchaffen haben; weil doch die verderbte Menſchen ſelbſt, wenn ſie das Vermoͤgen haͤtten, Geſchoͤpfe auſſer ſich hervor zu bringen, es in dem Falle nicht thaͤten, da ſie wuͤßten daß dieſelbige un- gluͤcklich wuͤrden. Jch darf gegen Eu. Hoche. frey ſeyn, und da- rum ohne Scheue ſagen, daß dieſes mich von Her- zen ſchwach duͤnckt: Der Schluß iſt nemlich darauf gebauet, daß die Geſchoͤpfe Gottes nur aus den einigen Menſchen beſtehen. Es iſt frey- lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der Guͤte Gottes, ja der hoͤchſten Guͤte die moͤglich iſt, wuͤrde ein Werck ſeyn, das Gott nicht geziemet; aber wer hat denn dem Unbekannten geſagt, daß nur die Menſchen auf der Welt ſeyn, und mit- hin Gott nur allein fuͤr ſie zu ſorgen habe? Lieber wie viel andere Dinge kan der Menſch unter und uͤber ihm erkenneu, die eben ſowohl Gottes Ge- ſchoͤpfe ſind, als die Menſchen: Und wie viel tau- ſend Arten, vermuthlich auch noch andrer vernuͤnf- tiger Geſchoͤpfe, moͤgen ſeyn, die wir nicht erken- nen? Jch meines Theils moͤchte in Anſehung der Verſchiedenheit und Menge der Geſchoͤpfe Gottes eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten Kirchenvaͤter in Anſehung der Gegenfuͤſſer ge- macht. Jch wollte doch gern hoͤren, was der Un- genannte gedaͤchte, wenn er nach Durchleſung der Entdeckungen der Geſtirnsverſtaͤndigen und des Ge- dichtes Eſſai on Man von Herr Pope, etwann bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete. Wir haben aber zu unſerm Zwecke nicht einmahl ſo A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/11
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/11>, abgerufen am 29.03.2024.