Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der verblümten Schreibart.
als Phöbus/ Galimathias und Wortspielen
zu schreyen; weiß aber nicht/ daß er selbst
ein Meister in diesen Künsten ist. Leset doch
seine Beschreibung die er vom Reiche der Freu-
de gegeben. Jch will jetzo nicht an seine über
das Land spatzierende Augen/ auch nicht an
die Blumen gedencken/ die ihre Hälse hervor-
recketen/ und die heiterste Strahlen der Mor-
genröthe nachmahleten/ ja ihm Geruch von Bal-
sam/ Weyhrauch und Myrrhen in die Nase
bliesen; wiewohl man über diese hochgetriebe-
nen Redensarten eben so lustige Dinge sagen
könnte/ als über Neukirchs Verse von ihm
geschrieben worden. Wenn aber der Hunds-
stern gerühmet wird, daß er niemahls die
Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind
die Wälder niemals ihres grünen Haares be-
raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen
brennen/ und ihre Blätter mit Atlas und Da-
mast schmücken; wenn der Winter sein glä-
sernes Eis auf die Berge getragen; wenn
endlich die Freude über alle Sachen/ so sie
berühret/ einen neuen Glantz saet, so weiß
ich nicht/ was ich von dem Luchsaugigten
Verfolger unnatürlicher Gedancken und Aus-
drückungen dencken soll? Jch enthalte mich
alle diese Redensarten so lächerlich zu machen,
als dieser Schweitzerische Scioppius des Hoff-
mannswaldaus/ Lohensteins und andrer Ge-
dichte gemacht/ und wollte nichts mehr wün-
schen/ als daß ihr/ wehrteste Tadlerinnen,
den scharfsichtigen Herren Rubeen zu einer
Vertheidigung seiner Redensarten bringen kön-
tet; denn ich bin gewiß/ daß seine Entschul-

digun-
B 2

Von der verbluͤmten Schreibart.
als Phoͤbus/ Galimathias und Wortſpielen
zu ſchreyen; weiß aber nicht/ daß er ſelbſt
ein Meiſter in dieſen Kuͤnſten iſt. Leſet doch
ſeine Beſchreibung die er vom Reiche der Freu-
de gegeben. Jch will jetzo nicht an ſeine uͤber
das Land ſpatzierende Augen/ auch nicht an
die Blumen gedencken/ die ihre Haͤlſe hervor-
recketen/ und die heiterſte Strahlen der Mor-
genroͤthe nachmahleten/ ja ihm Geruch von Bal-
ſam/ Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe
blieſen; wiewohl man uͤber dieſe hochgetriebe-
nen Redensarten eben ſo luſtige Dinge ſagen
koͤnnte/ als uͤber Neukirchs Verſe von ihm
geſchrieben worden. Wenn aber der Hunds-
ſtern geruͤhmet wird, daß er niemahls die
Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind
die Waͤlder niemals ihres gruͤnen Haares be-
raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen
brennen/ und ihre Blaͤtter mit Atlas und Da-
maſt ſchmuͤcken; wenn der Winter ſein glaͤ-
ſernes Eis auf die Berge getragen; wenn
endlich die Freude uͤber alle Sachen/ ſo ſie
beruͤhret/ einen neuen Glantz ſaet, ſo weiß
ich nicht/ was ich von dem Luchsaugigten
Verfolger unnatuͤrlicher Gedancken und Aus-
druͤckungen dencken ſoll? Jch enthalte mich
alle dieſe Redensarten ſo laͤcherlich zu machen,
als dieſer Schweitzeriſche Scioppius des Hoff-
mannswaldaus/ Lohenſteins und andrer Ge-
dichte gemacht/ und wollte nichts mehr wuͤn-
ſchen/ als daß ihr/ wehrteſte Tadlerinnen,
den ſcharfſichtigen Herren Rubeen zu einer
Vertheidigung ſeiner Redensarten bringen koͤn-
tet; denn ich bin gewiß/ daß ſeine Entſchul-

digun-
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0021" n="19"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der verblu&#x0364;mten Schreibart.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">als Pho&#x0364;bus/ Galimathias und Wort&#x017F;pielen<lb/>
zu &#x017F;chreyen; weiß aber nicht/ daß er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein Mei&#x017F;ter in die&#x017F;en Ku&#x0364;n&#x017F;ten i&#x017F;t. Le&#x017F;et doch<lb/>
&#x017F;eine Be&#x017F;chreibung die er vom Reiche der Freu-<lb/>
de gegeben. Jch will jetzo nicht an &#x017F;eine u&#x0364;ber<lb/>
das Land &#x017F;patzierende Augen/ auch nicht an<lb/>
die Blumen gedencken/ die ihre Ha&#x0364;l&#x017F;e hervor-<lb/>
recketen/ und die heiter&#x017F;te Strahlen der Mor-<lb/>
genro&#x0364;the nachmahleten/ ja ihm Geruch von Bal-<lb/>
&#x017F;am/ Weyhrauch und Myrrhen in die Na&#x017F;e<lb/>
blie&#x017F;en; wiewohl man u&#x0364;ber die&#x017F;e hochgetriebe-<lb/>
nen Redensarten eben &#x017F;o lu&#x017F;tige Dinge &#x017F;agen<lb/>
ko&#x0364;nnte/ als u&#x0364;ber Neukirchs Ver&#x017F;e von ihm<lb/>
ge&#x017F;chrieben worden. Wenn aber der Hunds-<lb/>
&#x017F;tern geru&#x0364;hmet wird, daß er niemahls die<lb/>
Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind<lb/>
die Wa&#x0364;lder niemals ihres gru&#x0364;nen Haares be-<lb/>
raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen<lb/>
brennen/ und ihre Bla&#x0364;tter mit Atlas und Da-<lb/>
ma&#x017F;t &#x017F;chmu&#x0364;cken; wenn der Winter &#x017F;ein gla&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ernes Eis auf die Berge getragen; wenn<lb/>
endlich die Freude u&#x0364;ber alle Sachen/ &#x017F;o &#x017F;ie<lb/>
beru&#x0364;hret/ einen neuen Glantz &#x017F;aet, &#x017F;o weiß<lb/>
ich nicht/ was ich von dem Luchsaugigten<lb/>
Verfolger unnatu&#x0364;rlicher Gedancken und Aus-<lb/>
dru&#x0364;ckungen dencken &#x017F;oll? Jch enthalte mich<lb/>
alle die&#x017F;e Redensarten &#x017F;o la&#x0364;cherlich zu machen,<lb/>
als die&#x017F;er Schweitzeri&#x017F;che Scioppius des Hoff-<lb/>
mannswaldaus/ Lohen&#x017F;teins und andrer Ge-<lb/>
dichte gemacht/ und wollte nichts mehr wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen/ als daß ihr/ wehrte&#x017F;te Tadlerinnen,<lb/>
den &#x017F;charf&#x017F;ichtigen Herren Rubeen zu einer<lb/>
Vertheidigung &#x017F;einer Redensarten bringen ko&#x0364;n-<lb/>
tet; denn ich bin gewiß/ daß &#x017F;eine Ent&#x017F;chul-</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">digun-</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0021] Von der verbluͤmten Schreibart. als Phoͤbus/ Galimathias und Wortſpielen zu ſchreyen; weiß aber nicht/ daß er ſelbſt ein Meiſter in dieſen Kuͤnſten iſt. Leſet doch ſeine Beſchreibung die er vom Reiche der Freu- de gegeben. Jch will jetzo nicht an ſeine uͤber das Land ſpatzierende Augen/ auch nicht an die Blumen gedencken/ die ihre Haͤlſe hervor- recketen/ und die heiterſte Strahlen der Mor- genroͤthe nachmahleten/ ja ihm Geruch von Bal- ſam/ Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen; wiewohl man uͤber dieſe hochgetriebe- nen Redensarten eben ſo luſtige Dinge ſagen koͤnnte/ als uͤber Neukirchs Verſe von ihm geſchrieben worden. Wenn aber der Hunds- ſtern geruͤhmet wird, daß er niemahls die Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind die Waͤlder niemals ihres gruͤnen Haares be- raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen brennen/ und ihre Blaͤtter mit Atlas und Da- maſt ſchmuͤcken; wenn der Winter ſein glaͤ- ſernes Eis auf die Berge getragen; wenn endlich die Freude uͤber alle Sachen/ ſo ſie beruͤhret/ einen neuen Glantz ſaet, ſo weiß ich nicht/ was ich von dem Luchsaugigten Verfolger unnatuͤrlicher Gedancken und Aus- druͤckungen dencken ſoll? Jch enthalte mich alle dieſe Redensarten ſo laͤcherlich zu machen, als dieſer Schweitzeriſche Scioppius des Hoff- mannswaldaus/ Lohenſteins und andrer Ge- dichte gemacht/ und wollte nichts mehr wuͤn- ſchen/ als daß ihr/ wehrteſte Tadlerinnen, den ſcharfſichtigen Herren Rubeen zu einer Vertheidigung ſeiner Redensarten bringen koͤn- tet; denn ich bin gewiß/ daß ſeine Entſchul- digun- B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/21
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/21>, abgerufen am 28.03.2024.