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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der verblümten Schreibart.
Die letzte hebt der güldnen Stirne Zier
Fast ohne Stiel gleich an der Erd herfür.

Und an einem andern Orte vergleicht eben dieser
vornehme Poet die vermischten Farben des Regen-
bogens und der Abendröthe mit den buntvermisch-
ten Farben eines Blumenselds:

Der Jris farbenreicher Krantz,
Des hellen Abendsterns so lieblich reiner Glantz,
Erquicken kaum so sehr das menschliche Gesicht,
Als das auf hundert tausend Arten
Gefärbet und gebrochne Licht
Von einem bunten Blumen-Garten.

Das Wort nachmahlen zeiget sehr nachdrücklich
die Aehnlichkeit der Farben. Aber vielleicht är-
gert ihn am meisten, daß Rubens beyfüget: Und
die uns Geruch von Balsam, Weyhrauch und
Myrrhen in die Nase bliesen
Doch ich will
zur Vertheidigung dieses verblümten Ausdruckes
abermahl eine ähnliche Stelle aus Hrn. Brockes
beysetzen.

Haucht ihre Menge nicht den stärcksten Visam aus,
Sie würtzen durch so angenehme Düfte,
Die voller Amber und Ziebeth,
Die ausgespannten lauen Lüfte,
Daß ihre Balsam-Kraft uns recht ans Hertze geht.

Die Beschreibung der Arten Geruches ist überaus
schwer und muß nothwendig durch Vergleichung
mit Balsam und andern bekannten wohlriechenden
Dingen geschehen. Aber die folgenden Ausdrücke
kommen dem Hrn. Philologus noch weit lächerli-

cher
Von der verbluͤmten Schreibart.
Die letzte hebt der guͤldnen Stirne Zier
Faſt ohne Stiel gleich an der Erd herfuͤr.

Und an einem andern Orte vergleicht eben dieſer
vornehme Poet die vermiſchten Farben des Regen-
bogens und der Abendroͤthe mit den buntvermiſch-
ten Farben eines Blumenſelds:

Der Jris farbenreicher Krantz,
Des hellen Abendſterns ſo lieblich reiner Glantz,
Erquicken kaum ſo ſehr das menſchliche Geſicht,
Als das auf hundert tauſend Arten
Gefaͤrbet und gebrochne Licht
Von einem bunten Blumen-Garten.

Das Wort nachmahlen zeiget ſehr nachdruͤcklich
die Aehnlichkeit der Farben. Aber vielleicht aͤr-
gert ihn am meiſten, daß Rubens beyfuͤget: Und
die uns Geruch von Balſam, Weyhrauch und
Myrrhen in die Naſe blieſen
Doch ich will
zur Vertheidigung dieſes verbluͤmten Ausdruckes
abermahl eine aͤhnliche Stelle aus Hrn. Brockes
beyſetzen.

Haucht ihre Menge nicht den ſtaͤrckſten Viſam aus,
Sie wuͤrtzen durch ſo angenehme Duͤfte,
Die voller Amber und Ziebeth,
Die ausgeſpannten lauen Luͤfte,
Daß ihre Balſam-Kraft uns recht ans Hertze geht.

Die Beſchreibung der Arten Geruches iſt uͤberaus
ſchwer und muß nothwendig durch Vergleichung
mit Balſam und andern bekannten wohlriechenden
Dingen geſchehen. Aber die folgenden Ausdruͤcke
kommen dem Hrn. Philologus noch weit laͤcherli-

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[24/0026] Von der verbluͤmten Schreibart. Die letzte hebt der guͤldnen Stirne Zier Faſt ohne Stiel gleich an der Erd herfuͤr. Und an einem andern Orte vergleicht eben dieſer vornehme Poet die vermiſchten Farben des Regen- bogens und der Abendroͤthe mit den buntvermiſch- ten Farben eines Blumenſelds: Der Jris farbenreicher Krantz, Des hellen Abendſterns ſo lieblich reiner Glantz, Erquicken kaum ſo ſehr das menſchliche Geſicht, Als das auf hundert tauſend Arten Gefaͤrbet und gebrochne Licht Von einem bunten Blumen-Garten. Das Wort nachmahlen zeiget ſehr nachdruͤcklich die Aehnlichkeit der Farben. Aber vielleicht aͤr- gert ihn am meiſten, daß Rubens beyfuͤget: Und die uns Geruch von Balſam, Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe blieſen Doch ich will zur Vertheidigung dieſes verbluͤmten Ausdruckes abermahl eine aͤhnliche Stelle aus Hrn. Brockes beyſetzen. Haucht ihre Menge nicht den ſtaͤrckſten Viſam aus, Sie wuͤrtzen durch ſo angenehme Duͤfte, Die voller Amber und Ziebeth, Die ausgeſpannten lauen Luͤfte, Daß ihre Balſam-Kraft uns recht ans Hertze geht. Die Beſchreibung der Arten Geruches iſt uͤberaus ſchwer und muß nothwendig durch Vergleichung mit Balſam und andern bekannten wohlriechenden Dingen geſchehen. Aber die folgenden Ausdruͤcke kommen dem Hrn. Philologus noch weit laͤcherli- cher

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/26>, abgerufen am 28.03.2024.