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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

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Echo
Doctor Trillers mit Liebe auf und angenommen
würde. Jch rüstete es auch, weil es ziemlich übel
zugerichtet war, so gut als ich in aller Eile vermoch-
te, mit einem neuen Kleid aus, welches ich um
und um mit saubern Tressen verbrämen und mit
wolklingenden Schellen behängen ließ, d. i. ich
nahm den Character eines Schweitzerischen An-
hängers von diesem grossen Fabeldichter an, und
stellte mich demselben gemäß an, als ob ich in denen
unter dem Text geflickten Anmerkungen seinen Sinn
erklären, gegen alle Mißdeutung retten, u. den Nach-
druck seiner Vertheidigungsgründe in ihr volles Licht
setzen wollte: Wodurch dieses Ergäntzungsstück ein
eben so schönes Ansehen bekommen, als mancher la-
teinischer Autor mit notis variorum. Als ich mit
dieser Kurtzweil umgieng, hatte es mein Freund in-
zwischen mit Hrn. Prof. Gottscheden aufgenom-
men, und sich die Mühe gegeben, seine richterlichen
Aussprüche über die neue critische Dichtkunst durch
eine kurtze Vergleichung mit der Gottschedischen
zu beleuchten und die Verurtheilung des miltoni-
schen Gedichtes in einem ironischen Blatte zu prüf-
fen, indem er Hrn. Prof. Gottscheden den Ver-
dacht ausreden wollte, als ob die schweitzerische
Nation sich hätte überreden lassen, an Miltons
Gedichte einen Geschmack zu finden. Diese Schrif-
ten sind in 5. Bogen in dem Januar 1741. ans
Licht hervorgetreten.

Nun hätte man von denselben eine zweyfache
Wirkung vermuthen können: Entweder daß sich
diese deutsche Kunstrichter in ihrem Gewissen be-
schämt befinden, und auf Besserung bedacht seyn:

Oder

Echo
Doctor Trillers mit Liebe auf und angenommen
wuͤrde. Jch ruͤſtete es auch, weil es ziemlich uͤbel
zugerichtet war, ſo gut als ich in aller Eile vermoch-
te, mit einem neuen Kleid aus, welches ich um
und um mit ſaubern Treſſen verbraͤmen und mit
wolklingenden Schellen behaͤngen ließ, d. i. ich
nahm den Character eines Schweitzeriſchen An-
haͤngers von dieſem groſſen Fabeldichter an, und
ſtellte mich demſelben gemaͤß an, als ob ich in denen
unter dem Text geflickten Anmerkungen ſeinen Sinn
erklaͤren, gegen alle Mißdeutung retten, u. den Nach-
druck ſeiner Vertheidigungsgruͤnde in ihr volles Licht
ſetzen wollte: Wodurch dieſes Ergaͤntzungsſtuͤck ein
eben ſo ſchoͤnes Anſehen bekommen, als mancher la-
teiniſcher Autor mit notis variorum. Als ich mit
dieſer Kurtzweil umgieng, hatte es mein Freund in-
zwiſchen mit Hrn. Prof. Gottſcheden aufgenom-
men, und ſich die Muͤhe gegeben, ſeine richterlichen
Ausſpruͤche uͤber die neue critiſche Dichtkunſt durch
eine kurtze Vergleichung mit der Gottſchediſchen
zu beleuchten und die Verurtheilung des miltoni-
ſchen Gedichtes in einem ironiſchen Blatte zu pruͤf-
fen, indem er Hrn. Prof. Gottſcheden den Ver-
dacht ausreden wollte, als ob die ſchweitzeriſche
Nation ſich haͤtte uͤberreden laſſen, an Miltons
Gedichte einen Geſchmack zu finden. Dieſe Schrif-
ten ſind in 5. Bogen in dem Januar 1741. ans
Licht hervorgetreten.

Nun haͤtte man von denſelben eine zweyfache
Wirkung vermuthen koͤnnen: Entweder daß ſich
dieſe deutſche Kunſtrichter in ihrem Gewiſſen be-
ſchaͤmt befinden, und auf Beſſerung bedacht ſeyn:

Oder
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[30/0032] Echo Doctor Trillers mit Liebe auf und angenommen wuͤrde. Jch ruͤſtete es auch, weil es ziemlich uͤbel zugerichtet war, ſo gut als ich in aller Eile vermoch- te, mit einem neuen Kleid aus, welches ich um und um mit ſaubern Treſſen verbraͤmen und mit wolklingenden Schellen behaͤngen ließ, d. i. ich nahm den Character eines Schweitzeriſchen An- haͤngers von dieſem groſſen Fabeldichter an, und ſtellte mich demſelben gemaͤß an, als ob ich in denen unter dem Text geflickten Anmerkungen ſeinen Sinn erklaͤren, gegen alle Mißdeutung retten, u. den Nach- druck ſeiner Vertheidigungsgruͤnde in ihr volles Licht ſetzen wollte: Wodurch dieſes Ergaͤntzungsſtuͤck ein eben ſo ſchoͤnes Anſehen bekommen, als mancher la- teiniſcher Autor mit notis variorum. Als ich mit dieſer Kurtzweil umgieng, hatte es mein Freund in- zwiſchen mit Hrn. Prof. Gottſcheden aufgenom- men, und ſich die Muͤhe gegeben, ſeine richterlichen Ausſpruͤche uͤber die neue critiſche Dichtkunſt durch eine kurtze Vergleichung mit der Gottſchediſchen zu beleuchten und die Verurtheilung des miltoni- ſchen Gedichtes in einem ironiſchen Blatte zu pruͤf- fen, indem er Hrn. Prof. Gottſcheden den Ver- dacht ausreden wollte, als ob die ſchweitzeriſche Nation ſich haͤtte uͤberreden laſſen, an Miltons Gedichte einen Geſchmack zu finden. Dieſe Schrif- ten ſind in 5. Bogen in dem Januar 1741. ans Licht hervorgetreten. Nun haͤtte man von denſelben eine zweyfache Wirkung vermuthen koͤnnen: Entweder daß ſich dieſe deutſche Kunſtrichter in ihrem Gewiſſen be- ſchaͤmt befinden, und auf Beſſerung bedacht ſeyn: Oder

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/32>, abgerufen am 29.03.2024.