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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

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Echo
macher habe mit dieser Anmerkung Hrn. D.
Steinbach eins versetzen wollen, weil dieser in sei-
nem deutschen Wörterbuche das Schweitzerische
Grade dem Hochdeutschen Gerade vorziehet.

Obrigkeitlich verordnete Bücherärzte.] Bey
dieser Metapher fragt es sich, ob sie für eine
Spötterey und für lächerlich zu halten sey[?]
Der
Leipzigische Notenmacher weiß an der Richtigkeit
der Metapher nichts zu tadeln: Es ist so ferne,
daß sie an Deutlichkeit und Wahrscheinlichkeit ei-
nigen Mangel leide, daß sie eben deswegen dem
Leipzigischen Tadler so verhaßt ist. Er sagt da-
her auf der 180sten Seite:

"Er geräth darüber
"gar in die Metapher, und nennt diese Censo-
"ren, mit einer recht feinen Spötterey, obrig-
"keitlich verordnete Bücherärtzte." Und auf der
folgenden Seite: "Die dritte Unbedachtsamkeit,
"die er begangen hat, ist diese, daß er Leute,
"von denen er uns vorzusagen weiß, daß sie durch
"höhern Befehl verordnet sind, mit Titeln be-
"legt, die von ihm für spöttisch und lächer-
"lich gehalten werden."

Es muß einer wahr-
haftig selbst ein hochgeschorner Bücher-Censor
seyn, wenn er sich darüber ärgert, daß man ihn
mit einem Artzte in Vergleichung stellet. Und
wenn der Leipzigische Tadler diese Metapher als
niederträchtig und unedel, und darum als spöttisch
und lächtrlich durchziehet, so muß ich es, weil
ich selbst kein Artzt bin, der medieinischen Fa-
cultät überlassen, die Würde dieser Metapher
zugleich mit der Würde ihrer Profession zu ret-
ten, da man dieselbe so niedrig tractiert, als ob

es

Echo
macher habe mit dieſer Anmerkung Hrn. D.
Steinbach eins verſetzen wollen, weil dieſer in ſei-
nem deutſchen Woͤrterbuche das Schweitzeriſche
Grade dem Hochdeutſchen Gerade vorziehet.

Obrigkeitlich verordnete Buͤcheraͤrzte.] Bey
dieſer Metapher fragt es ſich, ob ſie fuͤr eine
Spoͤtterey und fuͤr laͤcherlich zu halten ſey[?]
Der
Leipzigiſche Notenmacher weiß an der Richtigkeit
der Metapher nichts zu tadeln: Es iſt ſo ferne,
daß ſie an Deutlichkeit und Wahrſcheinlichkeit ei-
nigen Mangel leide, daß ſie eben deswegen dem
Leipzigiſchen Tadler ſo verhaßt iſt. Er ſagt da-
her auf der 180ſten Seite:

„Er geraͤth daruͤber
„gar in die Metapher, und nennt dieſe Cenſo-
„ren, mit einer recht feinen Spoͤtterey, obrig-
„keitlich verordnete Buͤcheraͤrtzte.„ Und auf der
folgenden Seite: „Die dritte Unbedachtſamkeit,
„die er begangen hat, iſt dieſe, daß er Leute,
„von denen er uns vorzuſagen weiß, daß ſie durch
„hoͤhern Befehl verordnet ſind, mit Titeln be-
„legt, die von ihm fuͤr ſpoͤttiſch und laͤcher-
„lich gehalten werden.„

Es muß einer wahr-
haftig ſelbſt ein hochgeſchorner Buͤcher-Cenſor
ſeyn, wenn er ſich daruͤber aͤrgert, daß man ihn
mit einem Artzte in Vergleichung ſtellet. Und
wenn der Leipzigiſche Tadler dieſe Metapher als
niedertraͤchtig und unedel, und darum als ſpoͤttiſch
und laͤchtrlich durchziehet, ſo muß ich es, weil
ich ſelbſt kein Artzt bin, der medieiniſchen Fa-
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ten, da man dieſelbe ſo niedrig tractiert, als ob

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[82/0084] Echo macher habe mit dieſer Anmerkung Hrn. D. Steinbach eins verſetzen wollen, weil dieſer in ſei- nem deutſchen Woͤrterbuche das Schweitzeriſche Grade dem Hochdeutſchen Gerade vorziehet. Obrigkeitlich verordnete Buͤcheraͤrzte.] Bey dieſer Metapher fragt es ſich, ob ſie fuͤr eine Spoͤtterey und fuͤr laͤcherlich zu halten ſey? Der Leipzigiſche Notenmacher weiß an der Richtigkeit der Metapher nichts zu tadeln: Es iſt ſo ferne, daß ſie an Deutlichkeit und Wahrſcheinlichkeit ei- nigen Mangel leide, daß ſie eben deswegen dem Leipzigiſchen Tadler ſo verhaßt iſt. Er ſagt da- her auf der 180ſten Seite: „Er geraͤth daruͤber „gar in die Metapher, und nennt dieſe Cenſo- „ren, mit einer recht feinen Spoͤtterey, obrig- „keitlich verordnete Buͤcheraͤrtzte.„ Und auf der folgenden Seite: „Die dritte Unbedachtſamkeit, „die er begangen hat, iſt dieſe, daß er Leute, „von denen er uns vorzuſagen weiß, daß ſie durch „hoͤhern Befehl verordnet ſind, mit Titeln be- „legt, die von ihm fuͤr ſpoͤttiſch und laͤcher- „lich gehalten werden.„ Es muß einer wahr- haftig ſelbſt ein hochgeſchorner Buͤcher-Cenſor ſeyn, wenn er ſich daruͤber aͤrgert, daß man ihn mit einem Artzte in Vergleichung ſtellet. Und wenn der Leipzigiſche Tadler dieſe Metapher als niedertraͤchtig und unedel, und darum als ſpoͤttiſch und laͤchtrlich durchziehet, ſo muß ich es, weil ich ſelbſt kein Artzt bin, der medieiniſchen Fa- cultaͤt uͤberlaſſen, die Wuͤrde dieſer Metapher zugleich mit der Wuͤrde ihrer Profeſſion zu ret- ten, da man dieſelbe ſo niedrig tractiert, als ob es

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/84>, abgerufen am 19.04.2024.