Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
des deutschen Witzes.

XXVIII. Ob dieses ein untrügliches Zeichen
der Gelindigkeit und Gefälligkeit an öffentlich
bestellten Bücher-Censoren sey, wenn sie nicht
vertragen können, daß man überhaupt diejeni-
gen, die andere ohne Grund tadeln, Lügner
nennet?

Jn der Anklage des verderbten Geschmackes, einer
critischen Schrift, die 1727. wider den Hamburgischen Pa-
trivten herausgekommen, werden Bl. 38. diejenigen, die
andere ohne genugsamen Grund tadeln, Lügner geschol-
ten. Dieses haben die Censoren in L. wo das Werckgen
hatte gedruckt werden sollen, nicht vertragen können, wie
aus der Note Bl. 38. besagter Schrift zu sehen ist. Und
das ist die Gelindigkeit und die Gefälligkeit, von welcher
der Text zu Hr. Pitschels zehnten Anm. redet; Bl. 179.

XXIX. Ob Hr. Pitschel und andere deutsche
Magistri nostrandi, darum keine Gemüthesge-
dancken
haben oder leiden können, weil sie alle
die ihrigen ans den Fingern hervorsaugen?

Hr. Pitschel setzt in der 35sten Anm. Bl. 365. die Ge-
müthesgedancken den Gedancken des Leibes entgegen.

XXX. Ob dieses ein Beweisthum von der
Scharffsinnigkeit der Deutschen sey, daß sie in
Miltons Gedichte viel rauhe Ausdrücke; eine
Menge von Schwulst; eine Einbildungskraft/
der der Zügel gäntzlich gelassen ist/ und die dar-
aus entspringenden häufigen Unwahrscheinlich-
keiten, nebst andern Fehlern bemercken,
wo
die Engelländer, die Holländer, die Jtaliäner,
die Franzosen, die Schweitzer keine sehen kön-
nen? Und ob sie dadurch klar zeigen, daß ih-

nen
F 3
des deutſchen Witzes.

XXVIII. Ob dieſes ein untruͤgliches Zeichen
der Gelindigkeit und Gefaͤlligkeit an oͤffentlich
beſtellten Buͤcher-Cenſoren ſey, wenn ſie nicht
vertragen koͤnnen, daß man uͤberhaupt diejeni-
gen, die andere ohne Grund tadeln, Luͤgner
nennet?

Jn der Anklage des verderbten Geſchmackes, einer
critiſchen Schrift, die 1727. wider den Hamburgiſchen Pa-
trivten herausgekommen, werden Bl. 38. diejenigen, die
andere ohne genugſamen Grund tadeln, Luͤgner geſchol-
ten. Dieſes haben die Cenſoren in L. wo das Werckgen
hatte gedruckt werden ſollen, nicht vertragen koͤnnen, wie
aus der Note Bl. 38. beſagter Schrift zu ſehen iſt. Und
das iſt die Gelindigkeit und die Gefaͤlligkeit, von welcher
der Text zu Hr. Pitſchels zehnten Anm. redet; Bl. 179.

XXIX. Ob Hr. Pitſchel und andere deutſche
Magiſtri noſtrandi, darum keine Gemuͤthesge-
dancken
haben oder leiden koͤnnen, weil ſie alle
die ihrigen ans den Fingern hervorſaugen?

Hr. Pitſchel ſetzt in der 35ſten Anm. Bl. 365. die Ge-
muͤthesgedancken den Gedancken des Leibes entgegen.

XXX. Ob dieſes ein Beweisthum von der
Scharffſinnigkeit der Deutſchen ſey, daß ſie in
Miltons Gedichte viel rauhe Ausdruͤcke; eine
Menge von Schwulſt; eine Einbildungskraft/
der der Zuͤgel gaͤntzlich gelaſſen iſt/ und die dar-
aus entſpringenden haͤufigen Unwahrſcheinlich-
keiten, nebſt andern Fehlern bemercken,
wo
die Engellaͤnder, die Hollaͤnder, die Jtaliaͤner,
die Franzoſen, die Schweitzer keine ſehen koͤn-
nen? Und ob ſie dadurch klar zeigen, daß ih-

nen
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0085" n="85"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">des deut&#x017F;chen Witzes.</hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">XXVIII.</hi> Ob die&#x017F;es ein untru&#x0364;gliches Zeichen<lb/>
der Gelindigkeit und Gefa&#x0364;lligkeit an o&#x0364;ffentlich<lb/>
be&#x017F;tellten Bu&#x0364;cher-Cen&#x017F;oren &#x017F;ey, wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
vertragen ko&#x0364;nnen, daß man u&#x0364;berhaupt diejeni-<lb/>
gen, die andere ohne Grund tadeln, Lu&#x0364;gner<lb/>
nennet?</p><lb/>
          <p>Jn der <hi rendition="#fr">Anklage des verderbten Ge&#x017F;chmackes,</hi> einer<lb/>
criti&#x017F;chen Schrift, die 1727. wider den Hamburgi&#x017F;chen Pa-<lb/>
trivten herausgekommen, werden Bl. 38. diejenigen, die<lb/>
andere ohne genug&#x017F;amen Grund tadeln, <hi rendition="#fr">Lu&#x0364;gner</hi> ge&#x017F;chol-<lb/>
ten. Die&#x017F;es haben die Cen&#x017F;oren in L. wo das Werckgen<lb/>
hatte gedruckt werden &#x017F;ollen, nicht vertragen ko&#x0364;nnen, wie<lb/>
aus der Note Bl. 38. be&#x017F;agter Schrift zu &#x017F;ehen i&#x017F;t. Und<lb/>
das i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Gelindigkeit und die Gefa&#x0364;lligkeit,</hi> von welcher<lb/>
der Text zu Hr. Pit&#x017F;chels zehnten Anm. redet; Bl. 179.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">XXIX.</hi> Ob Hr. <hi rendition="#fr">Pit&#x017F;chel</hi> und andere deut&#x017F;che<lb/><hi rendition="#aq">Magi&#x017F;tri no&#x017F;trandi,</hi> darum keine <hi rendition="#fr">Gemu&#x0364;thesge-<lb/>
dancken</hi> haben oder leiden ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ie alle<lb/>
die ihrigen ans den Fingern hervor&#x017F;augen?</p><lb/>
          <p>Hr. Pit&#x017F;chel &#x017F;etzt in der 35&#x017F;ten Anm. Bl. 365. die Ge-<lb/>
mu&#x0364;thesgedancken den Gedancken des Leibes entgegen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">XXX.</hi> Ob die&#x017F;es ein Beweisthum von der<lb/>
Scharff&#x017F;innigkeit der Deut&#x017F;chen &#x017F;ey, <hi rendition="#fr">daß &#x017F;ie in<lb/>
Miltons Gedichte viel rauhe Ausdru&#x0364;cke; eine<lb/>
Menge von Schwul&#x017F;t; eine Einbildungskraft/<lb/>
der der Zu&#x0364;gel ga&#x0364;ntzlich gela&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t/ und die dar-<lb/>
aus ent&#x017F;pringenden ha&#x0364;ufigen Unwahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
keiten, neb&#x017F;t andern Fehlern bemercken,</hi> wo<lb/>
die Engella&#x0364;nder, die Holla&#x0364;nder, die Jtalia&#x0364;ner,<lb/>
die Franzo&#x017F;en, die Schweitzer keine &#x017F;ehen ko&#x0364;n-<lb/>
nen? Und ob &#x017F;ie dadurch klar <hi rendition="#fr">zeigen, daß ih-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nen</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0085] des deutſchen Witzes. XXVIII. Ob dieſes ein untruͤgliches Zeichen der Gelindigkeit und Gefaͤlligkeit an oͤffentlich beſtellten Buͤcher-Cenſoren ſey, wenn ſie nicht vertragen koͤnnen, daß man uͤberhaupt diejeni- gen, die andere ohne Grund tadeln, Luͤgner nennet? Jn der Anklage des verderbten Geſchmackes, einer critiſchen Schrift, die 1727. wider den Hamburgiſchen Pa- trivten herausgekommen, werden Bl. 38. diejenigen, die andere ohne genugſamen Grund tadeln, Luͤgner geſchol- ten. Dieſes haben die Cenſoren in L. wo das Werckgen hatte gedruckt werden ſollen, nicht vertragen koͤnnen, wie aus der Note Bl. 38. beſagter Schrift zu ſehen iſt. Und das iſt die Gelindigkeit und die Gefaͤlligkeit, von welcher der Text zu Hr. Pitſchels zehnten Anm. redet; Bl. 179. XXIX. Ob Hr. Pitſchel und andere deutſche Magiſtri noſtrandi, darum keine Gemuͤthesge- dancken haben oder leiden koͤnnen, weil ſie alle die ihrigen ans den Fingern hervorſaugen? Hr. Pitſchel ſetzt in der 35ſten Anm. Bl. 365. die Ge- muͤthesgedancken den Gedancken des Leibes entgegen. XXX. Ob dieſes ein Beweisthum von der Scharffſinnigkeit der Deutſchen ſey, daß ſie in Miltons Gedichte viel rauhe Ausdruͤcke; eine Menge von Schwulſt; eine Einbildungskraft/ der der Zuͤgel gaͤntzlich gelaſſen iſt/ und die dar- aus entſpringenden haͤufigen Unwahrſcheinlich- keiten, nebſt andern Fehlern bemercken, wo die Engellaͤnder, die Hollaͤnder, die Jtaliaͤner, die Franzoſen, die Schweitzer keine ſehen koͤn- nen? Und ob ſie dadurch klar zeigen, daß ih- nen F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/85
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/85>, abgerufen am 23.04.2024.