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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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unter dem schwäbisch. Stamme.
But that it schon full more clere
But of what congeled matere
It was, I niste redily.

Die Engelländer haben sich von diesem Sylben-
masse nicht irre machen lassen, daß sie den Jnn-
halt und die Erfindungen darunter aus dem Ge-
sichte verlohren hätten, ihre heutigen Poeten fin-
den noch ietzo die Perlen darinnen, und wissen
sie geschickt herauszunehmen. Sie halten Scha-
sers poetisches Naturell noch ietzo in Hochachtung,
da sie seine Sprache haben untergehen lassen.
Wir aber haben unsre Schaser mit ihrem Zahl-
masse, ihrer Sprache und ihrer Poesie, unter die
Banke geworffen.

Jndessen haben die Poeten des 13ten Jahrh.
noch andre bequemere Sylbenmasse gehabt, zum
Exempel folgendes, das Winsbeke gebraucht hat:

Swas si redent, ich bin dir holt
Und nem din glesin vingerlin fur einer kuneginne
golt.

Ferner:

Leb du in tugentlicher Aht
Und las den kranken also leben, als im von Arte
ist geslaht.

Und:

Gut das ist Gitikeit ein Klobe
Dem es ist lieber denne Got u. weltlich ere, ich
wen er tobe.

Wer mit der deutschen Sprache umgegangen ist,
der wird bald erkennen, daß dieses Metrum für

sie
unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme.
But that it ſchon full more clere
But of what congeled matere
It was, I niſte redily.

Die Engellaͤnder haben ſich von dieſem Sylben-
maſſe nicht irre machen laſſen, daß ſie den Jnn-
halt und die Erfindungen darunter aus dem Ge-
ſichte verlohren haͤtten, ihre heutigen Poeten fin-
den noch ietzo die Perlen darinnen, und wiſſen
ſie geſchickt herauszunehmen. Sie halten Scha-
ſers poetiſches Naturell noch ietzo in Hochachtung,
da ſie ſeine Sprache haben untergehen laſſen.
Wir aber haben unſre Schaſer mit ihrem Zahl-
maſſe, ihrer Sprache und ihrer Poeſie, unter die
Banke geworffen.

Jndeſſen haben die Poeten des 13ten Jahrh.
noch andre bequemere Sylbenmaſſe gehabt, zum
Exempel folgendes, das Winsbeke gebraucht hat:

Swas ſi redent, ich bin dir holt
Und nem din gleſin vingerlin fúr einer kuneginne
golt.

Ferner:

Leb du in tugentlicher Aht
Und las den kranken alſo leben, als im von Arte
iſt geslaht.

Und:

Gut das iſt Gitikeit ein Klobe
Dem es iſt lieber denne Got u. weltlich ere, ich
wen er tobe.

Wer mit der deutſchen Sprache umgegangen iſt,
der wird bald erkennen, daß dieſes Metrum fuͤr

ſie
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[47/0047] unter dem ſchwaͤbiſch. Stamme. But that it ſchon full more clere But of what congeled matere It was, I niſte redily. Die Engellaͤnder haben ſich von dieſem Sylben- maſſe nicht irre machen laſſen, daß ſie den Jnn- halt und die Erfindungen darunter aus dem Ge- ſichte verlohren haͤtten, ihre heutigen Poeten fin- den noch ietzo die Perlen darinnen, und wiſſen ſie geſchickt herauszunehmen. Sie halten Scha- ſers poetiſches Naturell noch ietzo in Hochachtung, da ſie ſeine Sprache haben untergehen laſſen. Wir aber haben unſre Schaſer mit ihrem Zahl- maſſe, ihrer Sprache und ihrer Poeſie, unter die Banke geworffen. Jndeſſen haben die Poeten des 13ten Jahrh. noch andre bequemere Sylbenmaſſe gehabt, zum Exempel folgendes, das Winsbeke gebraucht hat: Swas ſi redent, ich bin dir holt Und nem din gleſin vingerlin fúr einer kuneginne golt. Ferner: Leb du in tugentlicher Aht Und las den kranken alſo leben, als im von Arte iſt geslaht. Und: Gut das iſt Gitikeit ein Klobe Dem es iſt lieber denne Got u. weltlich ere, ich wen er tobe. Wer mit der deutſchen Sprache umgegangen iſt, der wird bald erkennen, daß dieſes Metrum fuͤr ſie

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/47>, abgerufen am 24.04.2024.