Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Abentheuer von der Aeneis.
mit ihrer gefaßten eitelen Hoffnung zu verstehen
geben, daß wir diese schwartzische Uebersetzung in
unsern Schulen einführen und nützlich gebrau-
chen würden. Sie
werden uns noch nicht die
Nebelkappe über die Augen werffen, und Vir-
gil im Schwartze weisen. Dieses mag Jhnen
einmahl mit jungen Knaben angehen, wie mei-
nem Lehrling begegnet ist; den sie doch nicht
zum andern mahl fangen werden. Jch woll-
te diesen darum nicht harter strafen, als er ver-
schuldet hatte, und weil er als ein unbeson-
nener Jüngling von alten erwachsenen und sonst
angesehnen Männern verführet worden, hielt ich
vor billig, daß sie die Straffe mit ihm theilen
sollten. Jch that ihm weiter nichts als daß ich ihm
seine deutsche Aeneis confiscirte. Diese heftete ich
mit Nägeln dem Schulesel auf die Brust. Ueber-
dies erlaubete ich meinen Schülern, daß jeder von
ihnen täglich ein Blatt zu seinem Bedürffniß aus-
reissen dürfte. Dieses Urtheil ward von ihnen
mit solchem Eifer vollzogen, daß in 14 Tagen
die gantze Schwarzias, (diesen Nahmen gaben sie
der deutschen Aeneis Hrn. Schwartzen) bis auf
den pergamenen Band zerfetzet ward. Also ist
Schwartzens Troja durch einen Esel, wie Vir-
gils durch ein Pferd zerstöret, und zu Schan-
de gerichtet worden.

Neue

Abentheuer von der Aeneis.
mit ihrer gefaßten eitelen Hoffnung zu verſtehen
geben, daß wir dieſe ſchwartziſche Ueberſetzung in
unſern Schulen einfuͤhren und nuͤtzlich gebrau-
chen wuͤrden. Sie
werden uns noch nicht die
Nebelkappe uͤber die Augen werffen, und Vir-
gil im Schwartze weiſen. Dieſes mag Jhnen
einmahl mit jungen Knaben angehen, wie mei-
nem Lehrling begegnet iſt; den ſie doch nicht
zum andern mahl fangen werden. Jch woll-
te dieſen darum nicht harter ſtrafen, als er ver-
ſchuldet hatte, und weil er als ein unbeſon-
nener Juͤngling von alten erwachſenen und ſonſt
angeſehnen Maͤnnern verfuͤhret worden, hielt ich
vor billig, daß ſie die Straffe mit ihm theilen
ſollten. Jch that ihm weiter nichts als daß ich ihm
ſeine deutſche Aeneis confiſcirte. Dieſe heftete ich
mit Naͤgeln dem Schuleſel auf die Bruſt. Ueber-
dies erlaubete ich meinen Schuͤlern, daß jeder von
ihnen taͤglich ein Blatt zu ſeinem Beduͤrffniß aus-
reiſſen duͤrfte. Dieſes Urtheil ward von ihnen
mit ſolchem Eifer vollzogen, daß in 14 Tagen
die gantze Schwarzias, (dieſen Nahmen gaben ſie
der deutſchen Aeneis Hrn. Schwartzen) bis auf
den pergamenen Band zerfetzet ward. Alſo iſt
Schwartzens Troja durch einen Eſel, wie Vir-
gils durch ein Pferd zerſtoͤret, und zu Schan-
de gerichtet worden.

Neue
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abentheuer von der Aeneis.</hi></fw><lb/>
mit ihrer gefaßten eitelen Hoffnung zu ver&#x017F;tehen<lb/>
geben, daß wir die&#x017F;e &#x017F;chwartzi&#x017F;che Ueber&#x017F;etzung in<lb/>
un&#x017F;ern Schulen <hi rendition="#fr">einfu&#x0364;hren und nu&#x0364;tzlich gebrau-<lb/>
chen wu&#x0364;rden. Sie</hi> werden uns noch nicht die<lb/>
Nebelkappe u&#x0364;ber die Augen werffen, und Vir-<lb/>
gil im Schwartze wei&#x017F;en. Die&#x017F;es mag <hi rendition="#fr">Jhnen</hi><lb/>
einmahl mit jungen Knaben angehen, wie mei-<lb/>
nem Lehrling begegnet i&#x017F;t; den <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi> doch nicht<lb/>
zum andern mahl fangen werden. Jch woll-<lb/>
te die&#x017F;en darum nicht harter &#x017F;trafen, als er ver-<lb/>
&#x017F;chuldet hatte, und weil er als ein unbe&#x017F;on-<lb/>
nener Ju&#x0364;ngling von alten erwach&#x017F;enen und &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
ange&#x017F;ehnen Ma&#x0364;nnern verfu&#x0364;hret worden, hielt ich<lb/>
vor billig, daß &#x017F;ie die Straffe mit ihm theilen<lb/>
&#x017F;ollten. Jch that ihm weiter nichts als daß ich ihm<lb/>
&#x017F;eine deut&#x017F;che Aeneis confi&#x017F;cirte. Die&#x017F;e heftete ich<lb/>
mit Na&#x0364;geln dem Schule&#x017F;el auf die Bru&#x017F;t. Ueber-<lb/>
dies erlaubete ich meinen Schu&#x0364;lern, daß jeder von<lb/>
ihnen ta&#x0364;glich ein Blatt zu &#x017F;einem Bedu&#x0364;rffniß aus-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;rfte. Die&#x017F;es Urtheil ward von ihnen<lb/>
mit &#x017F;olchem Eifer vollzogen, daß in 14 Tagen<lb/>
die gantze <hi rendition="#aq">Schwarzias,</hi> (die&#x017F;en Nahmen gaben &#x017F;ie<lb/>
der deut&#x017F;chen Aeneis Hrn. Schwartzen) bis auf<lb/>
den pergamenen Band zerfetzet ward. Al&#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
Schwartzens Troja durch einen E&#x017F;el, wie Vir-<lb/>
gils durch ein Pferd zer&#x017F;to&#x0364;ret, und zu Schan-<lb/>
de gerichtet worden.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Neue</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0090] Abentheuer von der Aeneis. mit ihrer gefaßten eitelen Hoffnung zu verſtehen geben, daß wir dieſe ſchwartziſche Ueberſetzung in unſern Schulen einfuͤhren und nuͤtzlich gebrau- chen wuͤrden. Sie werden uns noch nicht die Nebelkappe uͤber die Augen werffen, und Vir- gil im Schwartze weiſen. Dieſes mag Jhnen einmahl mit jungen Knaben angehen, wie mei- nem Lehrling begegnet iſt; den ſie doch nicht zum andern mahl fangen werden. Jch woll- te dieſen darum nicht harter ſtrafen, als er ver- ſchuldet hatte, und weil er als ein unbeſon- nener Juͤngling von alten erwachſenen und ſonſt angeſehnen Maͤnnern verfuͤhret worden, hielt ich vor billig, daß ſie die Straffe mit ihm theilen ſollten. Jch that ihm weiter nichts als daß ich ihm ſeine deutſche Aeneis confiſcirte. Dieſe heftete ich mit Naͤgeln dem Schuleſel auf die Bruſt. Ueber- dies erlaubete ich meinen Schuͤlern, daß jeder von ihnen taͤglich ein Blatt zu ſeinem Beduͤrffniß aus- reiſſen duͤrfte. Dieſes Urtheil ward von ihnen mit ſolchem Eifer vollzogen, daß in 14 Tagen die gantze Schwarzias, (dieſen Nahmen gaben ſie der deutſchen Aeneis Hrn. Schwartzen) bis auf den pergamenen Band zerfetzet ward. Alſo iſt Schwartzens Troja durch einen Eſel, wie Vir- gils durch ein Pferd zerſtoͤret, und zu Schan- de gerichtet worden. Neue

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/90
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/90>, abgerufen am 25.04.2024.