Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch eines Gedichtes

Was Streit er hat gefühlt, wie offt er hat gesollt
Mich lassen. Aber nein, die Lieb es anderst wollt:740.
Die reizt ihn allezeit zu gehen neue Wege,
Und weil die muntre Lieb ihn nicht ließ werden träge,
Sucht er Gelegenheit sich mir zu machen kund,
Was stets sein Herz fürbracht, sollt sagen auch der Mund.
Abenar wehlt er aus, ihm wohl bey mir zu dienen,
Weil er wust seine Macht und sein wohlmeinend grünen,
Und nahm der willig an was Adriel ihm sagt,
Weil sein Gewissen ihn bereits hat angeklagt,
Daß er nicht recht gethan, in Unrecht uns zu schützen.
Er dachte diese Lieb könnt ihn hinwieder nützen,750.
Daß sein Gemüth in Ruh, sein Nahm bey Ehren blieb,
Weil was geschehn, ihm schon die gantze Stadt zuschrieb.
Und weil der Adriel bey allen war beliebet,
Hat auch sein Unglück fast das gantze Land betrübet.
Ahinoam bereut auch ebenfalls die That,
Die, daß sie unrecht hat, erkannt, wiewohl zu spath.
Mit Ehren konnt man nicht das Erbe wieder geben,
Denn Joel hätte sonst uns dörffen wiederstreben,
Und bringen selbst in Noth, weil er also gericht.
Wir dorften seiner Macht ja widersprechen nicht.760.
Sie hört Abenars Rath deßwegen an mit Freuden,
Und ward mir angebracht des Adriels sein Leyden.
Die Röthe sprach für mich und gab ich mich darein,
Was meiner Mutter Freund ihr Wille würde seyn.
Doch weil man Joels Lieb zu mir verspüren konnte,
War leicht der Schluß gemacht, daß er mich ihm nicht gönnte
Drum nahme man ihm für zu eilen aus der Stadt,
Eh Joel noch hievon etwas gemercket hat.
Doch fiel was in den Weg, das unsrer Reise wehrte,
Es wurde plötzlich kranck die Mutter, und begehrte,770.
Daß Saul gleich zu ihr käm; nach dem dann ward geschickt,
Und wurde unser Zweck dadurch gar sehr verrückt.
Man hatte Adriel noch nicht entdeckt den Willen
Der Mutter, der da war, den Seinen zu erfüllen,
Weil sie nicht ohne Saul hierinnen wollte gehn,
Doch wurde ihm erlaubt, wann er wollt, uns zu sehn.
Ver-
Verſuch eines Gedichtes

Was Streit er hat gefuͤhlt, wie offt er hat geſollt
Mich laſſen. Aber nein, die Lieb es anderſt wollt:740.
Die reizt ihn allezeit zu gehen neue Wege,
Und weil die muntre Lieb ihn nicht ließ werden traͤge,
Sucht er Gelegenheit ſich mir zu machen kund,
Was ſtets ſein Herz fuͤrbracht, ſollt ſagen auch der Mund.
Abenar wehlt er aus, ihm wohl bey mir zu dienen,
Weil er wuſt ſeine Macht und ſein wohlmeinend gruͤnen,
Und nahm der willig an was Adriel ihm ſagt,
Weil ſein Gewiſſen ihn bereits hat angeklagt,
Daß er nicht recht gethan, in Unrecht uns zu ſchuͤtzen.
Er dachte dieſe Lieb koͤnnt ihn hinwieder nuͤtzen,750.
Daß ſein Gemuͤth in Ruh, ſein Nahm bey Ehren blieb,
Weil was geſchehn, ihm ſchon die gantze Stadt zuſchrieb.
Und weil der Adriel bey allen war beliebet,
Hat auch ſein Ungluͤck faſt das gantze Land betruͤbet.
Ahinoam bereut auch ebenfalls die That,
Die, daß ſie unrecht hat, erkannt, wiewohl zu ſpath.
Mit Ehren konnt man nicht das Erbe wieder geben,
Denn Joel haͤtte ſonſt uns doͤrffen wiederſtreben,
Und bringen ſelbſt in Noth, weil er alſo gericht.
Wir dorften ſeiner Macht ja widerſprechen nicht.760.
Sie hoͤrt Abenars Rath deßwegen an mit Freuden,
Und ward mir angebracht des Adriels ſein Leyden.
Die Roͤthe ſprach fuͤr mich und gab ich mich darein,
Was meiner Mutter Freund ihr Wille wuͤrde ſeyn.
Doch weil man Joels Lieb zu mir verſpuͤren konnte,
War leicht der Schluß gemacht, daß er mich ihm nicht goͤnnte
Drum nahme man ihm fuͤr zu eilen aus der Stadt,
Eh Joel noch hievon etwas gemercket hat.
Doch fiel was in den Weg, das unſrer Reiſe wehrte,
Es wurde ploͤtzlich kranck die Mutter, und begehrte,770.
Daß Saul gleich zu ihr kaͤm; nach dem dann ward geſchickt,
Und wurde unſer Zweck dadurch gar ſehr verruͤckt.
Man hatte Adriel noch nicht entdeckt den Willen
Der Mutter, der da war, den Seinen zu erfuͤllen,
Weil ſie nicht ohne Saul hierinnen wollte gehn,
Doch wurde ihm erlaubt, wann er wollt, uns zu ſehn.
Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <l>
            <pb facs="#f0044" n="44"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch eines Gedichtes</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Was Streit er hat gefu&#x0364;hlt, wie offt er hat ge&#x017F;ollt</l><lb/>
          <l>Mich la&#x017F;&#x017F;en. Aber nein, die Lieb es ander&#x017F;t wollt:<note place="right">740.</note></l><lb/>
          <l>Die reizt ihn allezeit zu gehen neue Wege,</l><lb/>
          <l>Und weil die muntre Lieb ihn nicht ließ werden tra&#x0364;ge,</l><lb/>
          <l>Sucht er Gelegenheit &#x017F;ich mir zu machen kund,</l><lb/>
          <l>Was &#x017F;tets &#x017F;ein Herz fu&#x0364;rbracht, &#x017F;ollt &#x017F;agen auch der Mund.</l><lb/>
          <l>Abenar wehlt er aus, ihm wohl bey mir zu dienen,</l><lb/>
          <l>Weil er wu&#x017F;t &#x017F;eine Macht und &#x017F;ein wohlmeinend gru&#x0364;nen,</l><lb/>
          <l>Und nahm der willig an was Adriel ihm &#x017F;agt,</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en ihn bereits hat angeklagt,</l><lb/>
          <l>Daß er nicht recht gethan, in Unrecht uns zu &#x017F;chu&#x0364;tzen.</l><lb/>
          <l>Er dachte die&#x017F;e Lieb ko&#x0364;nnt ihn hinwieder nu&#x0364;tzen,<note place="right">750.</note></l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ein Gemu&#x0364;th in Ruh, &#x017F;ein Nahm bey Ehren blieb,</l><lb/>
          <l>Weil was ge&#x017F;chehn, ihm &#x017F;chon die gantze Stadt zu&#x017F;chrieb.</l><lb/>
          <l>Und weil der Adriel bey allen war beliebet,</l><lb/>
          <l>Hat auch &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck fa&#x017F;t das gantze Land betru&#x0364;bet.</l><lb/>
          <l>Ahinoam bereut auch ebenfalls die That,</l><lb/>
          <l>Die, daß &#x017F;ie unrecht hat, erkannt, wiewohl zu &#x017F;path.</l><lb/>
          <l>Mit Ehren konnt man nicht das Erbe wieder geben,</l><lb/>
          <l>Denn Joel ha&#x0364;tte &#x017F;on&#x017F;t uns do&#x0364;rffen wieder&#x017F;treben,</l><lb/>
          <l>Und bringen &#x017F;elb&#x017F;t in Noth, weil er al&#x017F;o gericht.</l><lb/>
          <l>Wir dorften &#x017F;einer Macht ja wider&#x017F;prechen nicht.<note place="right">760.</note></l><lb/>
          <l>Sie ho&#x0364;rt Abenars Rath deßwegen an mit Freuden,</l><lb/>
          <l>Und ward mir angebracht des Adriels &#x017F;ein Leyden.</l><lb/>
          <l>Die Ro&#x0364;the &#x017F;prach fu&#x0364;r mich und gab ich mich darein,</l><lb/>
          <l>Was meiner Mutter Freund ihr Wille wu&#x0364;rde &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Doch weil man Joels Lieb zu mir ver&#x017F;pu&#x0364;ren konnte,</l><lb/>
          <l>War leicht der Schluß gemacht, daß er mich ihm nicht go&#x0364;nnte</l><lb/>
          <l>Drum nahme man ihm fu&#x0364;r zu eilen aus der Stadt,</l><lb/>
          <l>Eh Joel noch hievon etwas gemercket hat.</l><lb/>
          <l>Doch fiel was in den Weg, das un&#x017F;rer Rei&#x017F;e wehrte,</l><lb/>
          <l>Es wurde plo&#x0364;tzlich kranck die Mutter, und begehrte,<note place="right">770.</note></l><lb/>
          <l>Daß Saul gleich zu ihr ka&#x0364;m; nach dem dann ward ge&#x017F;chickt,</l><lb/>
          <l>Und wurde un&#x017F;er Zweck dadurch gar &#x017F;ehr verru&#x0364;ckt.</l><lb/>
          <l>Man hatte Adriel noch nicht entdeckt den Willen</l><lb/>
          <l>Der Mutter, der da war, den Seinen zu erfu&#x0364;llen,</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie nicht ohne Saul hierinnen wollte gehn,</l><lb/>
          <l>Doch wurde ihm erlaubt, wann er wollt, uns zu &#x017F;ehn.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0044] Verſuch eines Gedichtes Was Streit er hat gefuͤhlt, wie offt er hat geſollt Mich laſſen. Aber nein, die Lieb es anderſt wollt: Die reizt ihn allezeit zu gehen neue Wege, Und weil die muntre Lieb ihn nicht ließ werden traͤge, Sucht er Gelegenheit ſich mir zu machen kund, Was ſtets ſein Herz fuͤrbracht, ſollt ſagen auch der Mund. Abenar wehlt er aus, ihm wohl bey mir zu dienen, Weil er wuſt ſeine Macht und ſein wohlmeinend gruͤnen, Und nahm der willig an was Adriel ihm ſagt, Weil ſein Gewiſſen ihn bereits hat angeklagt, Daß er nicht recht gethan, in Unrecht uns zu ſchuͤtzen. Er dachte dieſe Lieb koͤnnt ihn hinwieder nuͤtzen, Daß ſein Gemuͤth in Ruh, ſein Nahm bey Ehren blieb, Weil was geſchehn, ihm ſchon die gantze Stadt zuſchrieb. Und weil der Adriel bey allen war beliebet, Hat auch ſein Ungluͤck faſt das gantze Land betruͤbet. Ahinoam bereut auch ebenfalls die That, Die, daß ſie unrecht hat, erkannt, wiewohl zu ſpath. Mit Ehren konnt man nicht das Erbe wieder geben, Denn Joel haͤtte ſonſt uns doͤrffen wiederſtreben, Und bringen ſelbſt in Noth, weil er alſo gericht. Wir dorften ſeiner Macht ja widerſprechen nicht. Sie hoͤrt Abenars Rath deßwegen an mit Freuden, Und ward mir angebracht des Adriels ſein Leyden. Die Roͤthe ſprach fuͤr mich und gab ich mich darein, Was meiner Mutter Freund ihr Wille wuͤrde ſeyn. Doch weil man Joels Lieb zu mir verſpuͤren konnte, War leicht der Schluß gemacht, daß er mich ihm nicht goͤnnte Drum nahme man ihm fuͤr zu eilen aus der Stadt, Eh Joel noch hievon etwas gemercket hat. Doch fiel was in den Weg, das unſrer Reiſe wehrte, Es wurde ploͤtzlich kranck die Mutter, und begehrte, Daß Saul gleich zu ihr kaͤm; nach dem dann ward geſchickt, Und wurde unſer Zweck dadurch gar ſehr verruͤckt. Man hatte Adriel noch nicht entdeckt den Willen Der Mutter, der da war, den Seinen zu erfuͤllen, Weil ſie nicht ohne Saul hierinnen wollte gehn, Doch wurde ihm erlaubt, wann er wollt, uns zu ſehn. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/44
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/44>, abgerufen am 29.03.2024.