Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

an die d. Ges. von Greifswalde.
andern Hertz genug haben sollte, wenn wir ihm
nicht hier, so zu reden, die Hand in dem Sack er-
wischt hätten? Kan diese Verleumdung nicht

"zum Beweise dienen, wie sehr die Beurtheilungs-
"Kraft eines Kunstrichters könne verdorben wer-
"den, wenn er sich von Haß und Partheylichkeit
"einnehmen läßt?"

Wenn Gottsched selbst,
da er gesehen, daß er mit der Wahrheit nicht mehr
auskommen, noch den Verdacht des ersten An-
griffs von sich ablehnen könnte, auf eine solche Er-
findung gefallen wäre, so hätte man es ihm noch
wohl übersehen können; aber daß ein dritter, den
es eigentlich nichts angehet, ob Gottsched die
Schweitzer gereitzt, und zum Kampf aufgefodert
habe, oder nicht, und der die scheinheilige Larve ei-
ner unparteyischen Bescheidenheit überall annimmt,
sich solcher Erfindungen bedienet, um demje-
nigen Luft zu machen, und ein wenig aus der Noth
zu helffen, den man auch der Wahrheit zu Leide
gern beschützen möchte, das ist ein Beweiß eines
gantz verderbten Willens, und ein solcher hat wol
Ursache zu seufzen, daß die Critick nicht mit der
Satyre vermenget werden mögte. Mithin, un-
geachtet dieses eine offenbar falsche Zulage ist, daß
Hrn. Gottscheds und seines Wercks allemal in
ziemlich spöttischen und gehässigen Ausdrücken ge-
dacht worden sey, so oft desselben in der Breitin-
gerschen Dichtkunst gedacht worden ist; so ist hinge-
gen die wahre Ursache dieses Aergernisses, welches
diese Leute so weit verleiten können, daß sie endlich
bey der Verläumdung Schutz gesucht haben, kei-
ne andere, als daß Herr Prof. Breitinger den

be-

an die d. Geſ. von Greifswalde.
andern Hertz genug haben ſollte, wenn wir ihm
nicht hier, ſo zu reden, die Hand in dem Sack er-
wiſcht haͤtten? Kan dieſe Verleumdung nicht

„zum Beweiſe dienen, wie ſehr die Beurtheilungs-
„Kraft eines Kunſtrichters koͤnne verdorben wer-
„den, wenn er ſich von Haß und Partheylichkeit
„einnehmen laͤßt?„

Wenn Gottſched ſelbſt,
da er geſehen, daß er mit der Wahrheit nicht mehr
auskommen, noch den Verdacht des erſten An-
griffs von ſich ablehnen koͤnnte, auf eine ſolche Er-
findung gefallen waͤre, ſo haͤtte man es ihm noch
wohl uͤberſehen koͤnnen; aber daß ein dritter, den
es eigentlich nichts angehet, ob Gottſched die
Schweitzer gereitzt, und zum Kampf aufgefodert
habe, oder nicht, und der die ſcheinheilige Larve ei-
ner unparteyiſchen Beſcheidenheit uͤberall annimmt,
ſich ſolcher Erfindungen bedienet, um demje-
nigen Luft zu machen, und ein wenig aus der Noth
zu helffen, den man auch der Wahrheit zu Leide
gern beſchuͤtzen moͤchte, das iſt ein Beweiß eines
gantz verderbten Willens, und ein ſolcher hat wol
Urſache zu ſeufzen, daß die Critick nicht mit der
Satyre vermenget werden moͤgte. Mithin, un-
geachtet dieſes eine offenbar falſche Zulage iſt, daß
Hrn. Gottſcheds und ſeines Wercks allemal in
ziemlich ſpoͤttiſchen und gehaͤſſigen Ausdruͤcken ge-
dacht worden ſey, ſo oft deſſelben in der Breitin-
gerſchen Dichtkunſt gedacht worden iſt; ſo iſt hinge-
gen die wahre Urſache dieſes Aergerniſſes, welches
dieſe Leute ſo weit verleiten koͤnnen, daß ſie endlich
bey der Verlaͤumdung Schutz geſucht haben, kei-
ne andere, als daß Herr Prof. Breitinger den

be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an die d. Ge&#x017F;. von Greifswalde.</hi></fw><lb/>
andern Hertz genug haben &#x017F;ollte, wenn wir ihm<lb/>
nicht hier, &#x017F;o zu reden, die Hand in dem Sack er-<lb/>
wi&#x017F;cht ha&#x0364;tten? Kan die&#x017F;e Verleumdung nicht</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x201E;zum Bewei&#x017F;e dienen, wie &#x017F;ehr die Beurtheilungs-<lb/>
&#x201E;Kraft eines Kun&#x017F;trichters ko&#x0364;nne verdorben wer-<lb/>
&#x201E;den, wenn er &#x017F;ich von Haß und Partheylichkeit<lb/>
&#x201E;einnehmen la&#x0364;ßt?&#x201E;</quote>
          </cit>
          <p>Wenn <hi rendition="#fr">Gott&#x017F;ched</hi> &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
da er ge&#x017F;ehen, daß er mit der Wahrheit nicht mehr<lb/>
auskommen, noch den Verdacht des er&#x017F;ten An-<lb/>
griffs von &#x017F;ich ablehnen ko&#x0364;nnte, auf eine &#x017F;olche Er-<lb/>
findung gefallen wa&#x0364;re, &#x017F;o ha&#x0364;tte man es ihm noch<lb/>
wohl u&#x0364;ber&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen; aber daß ein dritter, den<lb/>
es eigentlich nichts angehet, ob <hi rendition="#fr">Gott&#x017F;ched</hi> die<lb/>
Schweitzer gereitzt, und zum Kampf aufgefodert<lb/>
habe, oder nicht, und der die &#x017F;cheinheilige Larve ei-<lb/>
ner unparteyi&#x017F;chen Be&#x017F;cheidenheit u&#x0364;berall annimmt,<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;olcher Erfindungen bedienet, um demje-<lb/>
nigen Luft zu machen, und ein wenig aus der Noth<lb/>
zu helffen, den man auch der Wahrheit zu Leide<lb/>
gern be&#x017F;chu&#x0364;tzen mo&#x0364;chte, das i&#x017F;t ein Beweiß eines<lb/>
gantz verderbten Willens, und ein &#x017F;olcher hat wol<lb/>
Ur&#x017F;ache zu &#x017F;eufzen, daß die Critick nicht mit der<lb/>
Satyre vermenget werden mo&#x0364;gte. Mithin, un-<lb/>
geachtet die&#x017F;es eine offenbar fal&#x017F;che Zulage i&#x017F;t, daß<lb/>
Hrn. <hi rendition="#fr">Gott&#x017F;cheds</hi> und &#x017F;eines Wercks allemal in<lb/>
ziemlich &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;chen und geha&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Ausdru&#x0364;cken ge-<lb/>
dacht worden &#x017F;ey, &#x017F;o oft de&#x017F;&#x017F;elben in der Breitin-<lb/>
ger&#x017F;chen Dichtkun&#x017F;t gedacht worden i&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t hinge-<lb/>
gen die wahre Ur&#x017F;ache die&#x017F;es Aergerni&#x017F;&#x017F;es, welches<lb/>
die&#x017F;e Leute &#x017F;o weit verleiten ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie endlich<lb/>
bey der Verla&#x0364;umdung Schutz ge&#x017F;ucht haben, kei-<lb/>
ne andere, als daß Herr Prof. <hi rendition="#fr">Breitinger</hi> den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0049] an die d. Geſ. von Greifswalde. andern Hertz genug haben ſollte, wenn wir ihm nicht hier, ſo zu reden, die Hand in dem Sack er- wiſcht haͤtten? Kan dieſe Verleumdung nicht „zum Beweiſe dienen, wie ſehr die Beurtheilungs- „Kraft eines Kunſtrichters koͤnne verdorben wer- „den, wenn er ſich von Haß und Partheylichkeit „einnehmen laͤßt?„ Wenn Gottſched ſelbſt, da er geſehen, daß er mit der Wahrheit nicht mehr auskommen, noch den Verdacht des erſten An- griffs von ſich ablehnen koͤnnte, auf eine ſolche Er- findung gefallen waͤre, ſo haͤtte man es ihm noch wohl uͤberſehen koͤnnen; aber daß ein dritter, den es eigentlich nichts angehet, ob Gottſched die Schweitzer gereitzt, und zum Kampf aufgefodert habe, oder nicht, und der die ſcheinheilige Larve ei- ner unparteyiſchen Beſcheidenheit uͤberall annimmt, ſich ſolcher Erfindungen bedienet, um demje- nigen Luft zu machen, und ein wenig aus der Noth zu helffen, den man auch der Wahrheit zu Leide gern beſchuͤtzen moͤchte, das iſt ein Beweiß eines gantz verderbten Willens, und ein ſolcher hat wol Urſache zu ſeufzen, daß die Critick nicht mit der Satyre vermenget werden moͤgte. Mithin, un- geachtet dieſes eine offenbar falſche Zulage iſt, daß Hrn. Gottſcheds und ſeines Wercks allemal in ziemlich ſpoͤttiſchen und gehaͤſſigen Ausdruͤcken ge- dacht worden ſey, ſo oft deſſelben in der Breitin- gerſchen Dichtkunſt gedacht worden iſt; ſo iſt hinge- gen die wahre Urſache dieſes Aergerniſſes, welches dieſe Leute ſo weit verleiten koͤnnen, daß ſie endlich bey der Verlaͤumdung Schutz geſucht haben, kei- ne andere, als daß Herr Prof. Breitinger den be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/49
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/49>, abgerufen am 23.04.2024.