Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch über den Ursprung
zehen Klaftern über das Grab des Cambyses trette,
aus einer Wildniß, wo weder Pythagoras noch
Apollonius jemahls hingedrungen sind.

Man stimmet durchgehends überein, daß die
Künste und Wissenschaften von den Aegyptern und
Jndianern herzuleiten seyn, allein von wem diese
sie zuerst bekommen, das ist noch ein Geheimniß.
Der höchste Zeit-Periodus, auf welchen die Ge-
lehrten es wagen ihnen nachzuspühren, ist der An-
fang der Assyrischen Monarchie, da die Erfinder
derselben als Götter verehret wurden: Daher
wird nöthig seyn, daß wir in noch entferntere Zei-
ten zurückgehen, und einige Erkänntniß ihrer Hi-
storie aus denen auch noch so dunckeln und un-
terbrochenen Spuhren, welche uns alte Schrift-
steller darüber an die Hand geben, herholen.

Weder Troja noch Thebes waren die ersten Rei-
che: Wir finden Meldung, wiewol keine Be-
schreibungen, einer noch frühern kriegerischen Na-
tion, welche den Nahmen der Pygmeer getragen.
Wenn ich die Erzehlungen eines Homers, Aristo-
teles, und anderer betrachte, die von dem, was
diese Nation angeht, als von bekannten Din-
gen reden, so kan ich nicht anders gedencken, als daß
ihre Geschichten, Kriege, Revolutionen, etc. ein
Theil der Wissenschaften gewesen, derer sich da-
mahls die Gelahrten beflissen haben. Und wenn
wir schon geradeswegs nur von ihren Kriegstha-
ten in Beschützung ihres Vaterlands gegen die
jährliche Einfälle eines mächtigen Feindes Nach-
richt haben, so zweifle ich doch keineswegs, daß
sie sich in den Künsten einer friedlichen Regierung

eben

Verſuch uͤber den Urſprung
zehen Klaftern uͤber das Grab des Cambyſes trette,
aus einer Wildniß, wo weder Pythagoras noch
Apollonius jemahls hingedrungen ſind.

Man ſtimmet durchgehends uͤberein, daß die
Kuͤnſte und Wiſſenſchaften von den Aegyptern und
Jndianern herzuleiten ſeyn, allein von wem dieſe
ſie zuerſt bekommen, das iſt noch ein Geheimniß.
Der hoͤchſte Zeit-Periodus, auf welchen die Ge-
lehrten es wagen ihnen nachzuſpuͤhren, iſt der An-
fang der Aſſyriſchen Monarchie, da die Erfinder
derſelben als Goͤtter verehret wurden: Daher
wird noͤthig ſeyn, daß wir in noch entferntere Zei-
ten zuruͤckgehen, und einige Erkaͤnntniß ihrer Hi-
ſtorie aus denen auch noch ſo dunckeln und un-
terbrochenen Spuhren, welche uns alte Schrift-
ſteller daruͤber an die Hand geben, herholen.

Weder Troja noch Thebes waren die erſten Rei-
che: Wir finden Meldung, wiewol keine Be-
ſchreibungen, einer noch fruͤhern kriegeriſchen Na-
tion, welche den Nahmen der Pygmeer getragen.
Wenn ich die Erzehlungen eines Homers, Ariſto-
teles, und anderer betrachte, die von dem, was
dieſe Nation angeht, als von bekannten Din-
gen reden, ſo kan ich nicht anders gedencken, als daß
ihre Geſchichten, Kriege, Revolutionen, ꝛc. ein
Theil der Wiſſenſchaften geweſen, derer ſich da-
mahls die Gelahrten befliſſen haben. Und wenn
wir ſchon geradeswegs nur von ihren Kriegstha-
ten in Beſchuͤtzung ihres Vaterlands gegen die
jaͤhrliche Einfaͤlle eines maͤchtigen Feindes Nach-
richt haben, ſo zweifle ich doch keineswegs, daß
ſie ſich in den Kuͤnſten einer friedlichen Regierung

eben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0040" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung</hi></fw><lb/>
zehen Klaftern u&#x0364;ber das Grab des Camby&#x017F;es trette,<lb/>
aus einer Wildniß, wo weder Pythagoras noch<lb/>
Apollonius jemahls hingedrungen &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Man &#x017F;timmet durchgehends u&#x0364;berein, daß die<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften von den <hi rendition="#fr">Aegyptern</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Jndianern</hi> herzuleiten &#x017F;eyn, allein von wem die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ie zuer&#x017F;t bekommen, das i&#x017F;t noch ein Geheimniß.<lb/>
Der ho&#x0364;ch&#x017F;te Zeit-Periodus, auf welchen die Ge-<lb/>
lehrten es wagen ihnen nachzu&#x017F;pu&#x0364;hren, i&#x017F;t der An-<lb/>
fang der A&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;chen Monarchie, da die Erfinder<lb/>
der&#x017F;elben als Go&#x0364;tter verehret wurden: Daher<lb/>
wird no&#x0364;thig &#x017F;eyn, daß wir in noch entferntere Zei-<lb/>
ten zuru&#x0364;ckgehen, und einige Erka&#x0364;nntniß ihrer Hi-<lb/>
&#x017F;torie aus denen auch noch &#x017F;o dunckeln und un-<lb/>
terbrochenen Spuhren, welche uns alte Schrift-<lb/>
&#x017F;teller daru&#x0364;ber an die Hand geben, herholen.</p><lb/>
          <p>Weder Troja noch Thebes waren die er&#x017F;ten Rei-<lb/>
che: Wir finden Meldung, wiewol keine Be-<lb/>
&#x017F;chreibungen, einer noch fru&#x0364;hern kriegeri&#x017F;chen Na-<lb/>
tion, welche den Nahmen der Pygmeer getragen.<lb/>
Wenn ich die Erzehlungen eines Homers, Ari&#x017F;to-<lb/>
teles, und anderer betrachte, die von dem, was<lb/>
die&#x017F;e Nation angeht, als von bekannten Din-<lb/>
gen reden, &#x017F;o kan ich nicht anders gedencken, als daß<lb/>
ihre Ge&#x017F;chichten, Kriege, Revolutionen, &#xA75B;c. ein<lb/>
Theil der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften gewe&#x017F;en, derer &#x017F;ich da-<lb/>
mahls die Gelahrten befli&#x017F;&#x017F;en haben. Und wenn<lb/>
wir &#x017F;chon geradeswegs nur von ihren Kriegstha-<lb/>
ten in Be&#x017F;chu&#x0364;tzung ihres Vaterlands gegen die<lb/>
ja&#x0364;hrliche Einfa&#x0364;lle eines ma&#x0364;chtigen Feindes Nach-<lb/>
richt haben, &#x017F;o zweifle ich doch keineswegs, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich in den Ku&#x0364;n&#x017F;ten einer friedlichen Regierung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eben</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0040] Verſuch uͤber den Urſprung zehen Klaftern uͤber das Grab des Cambyſes trette, aus einer Wildniß, wo weder Pythagoras noch Apollonius jemahls hingedrungen ſind. Man ſtimmet durchgehends uͤberein, daß die Kuͤnſte und Wiſſenſchaften von den Aegyptern und Jndianern herzuleiten ſeyn, allein von wem dieſe ſie zuerſt bekommen, das iſt noch ein Geheimniß. Der hoͤchſte Zeit-Periodus, auf welchen die Ge- lehrten es wagen ihnen nachzuſpuͤhren, iſt der An- fang der Aſſyriſchen Monarchie, da die Erfinder derſelben als Goͤtter verehret wurden: Daher wird noͤthig ſeyn, daß wir in noch entferntere Zei- ten zuruͤckgehen, und einige Erkaͤnntniß ihrer Hi- ſtorie aus denen auch noch ſo dunckeln und un- terbrochenen Spuhren, welche uns alte Schrift- ſteller daruͤber an die Hand geben, herholen. Weder Troja noch Thebes waren die erſten Rei- che: Wir finden Meldung, wiewol keine Be- ſchreibungen, einer noch fruͤhern kriegeriſchen Na- tion, welche den Nahmen der Pygmeer getragen. Wenn ich die Erzehlungen eines Homers, Ariſto- teles, und anderer betrachte, die von dem, was dieſe Nation angeht, als von bekannten Din- gen reden, ſo kan ich nicht anders gedencken, als daß ihre Geſchichten, Kriege, Revolutionen, ꝛc. ein Theil der Wiſſenſchaften geweſen, derer ſich da- mahls die Gelahrten befliſſen haben. Und wenn wir ſchon geradeswegs nur von ihren Kriegstha- ten in Beſchuͤtzung ihres Vaterlands gegen die jaͤhrliche Einfaͤlle eines maͤchtigen Feindes Nach- richt haben, ſo zweifle ich doch keineswegs, daß ſie ſich in den Kuͤnſten einer friedlichen Regierung eben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/40
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/40>, abgerufen am 18.04.2024.