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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
Stücke bestanden die Achselteile; auf Brust und Rücken bildete je
eine grosse Scheibe das Mittelstück, um welches sich die anderen
Platten gruppierten. Bei den Tartaren und einigen türkischen Stämmen,
wie auch bei den Tscherkessen, ist der Brust- und Rückenharnisch
aus einem System von vierseitigen Platten, die unter sich durch
Maschenpanzer in Verbindung standen. (Fig. 175.) Zuweilen war auch
nur der rechte Arm von einem Handschuh mit langem Stulpe geschützt;
der linke Unterarm schien durch den Rundschild genügend gedeckt.
Die Füsse blieben anfänglich ganz unbeschützt (Fig. 176. 177); später,
im 16. Jahrhundert, findet man bei den Persern, dann auch bei einigen
Tartarenstämmen eine Art Beinkleid, aus eisernen Bändern be-
stehend, die mit Ringgeflechten verbunden waren. Sie waren so weit
gebildet, dass sie die Bewegung nicht im geringsten hinderten.

Die Araber kämpften bis in die Zeit Mohammeds nicht wie die
Perser zu Pferde, ja es sind in ihren Heeren bis ans Ende des
7. Jahrhunderts nur wenig Reiter anzutreffen, so bei Bedr 623 gar
nur zwei. Später vermehrte sich deren Zahl ausserordentlich, so dass
die Reiterei von nun an zur Hauptwaffe der arabischen Heere wurde.
Weit früher hatten sich die tartarischen Völker dazu bequemt, den
Krieg zu Pferde zu führen; bei den Persern aber hatte sich die Lust zum
Reiterdienste auch nach dem Zusammenbruche des altpersischen Reiches
traditionell erhalten. Die Chinesen waren von ältester Zeit her dem
Reiterdienste abhold; ihre wenige Reiterei bestand aus tartarischen
Stämmen, die um Sold dienten; ebenso scheinen auch in Japan in
alter Zeit keine Reitertruppen bestanden zu haben. Eigentümlich
ist die Harnischausrüstung der Chinesen und Japaner, die vom
Mittelalter bis in die Neuzeit sich im wesentlichen gleich geblieben
ist. Der Harnisch bestand in einem weiten Helme von Schlagblech,
der an die deutschen Eisenhüte erinnert; vorn war ein festes Visier
genietet, welches eine abschreckende Fratze mit stacheligem Barte
darstellte. Der übrige Teil des Harnisches war aus mattenartig ge-
bildeten Tabletten aus Fischbeinstäben zusammengefügt, die mittelst
fein gewirkten Bändern verbunden und mit Lackmalerei verziert oder
mit reichem Stoff überzogen waren. (Fig. 178.) Nur Vornehme
hatten auch die Beine in dieser Art geschützt, gemeine Krieger hatten
die Füsse ungeharnischt und zuweilen nackt. Es sind noch japanesische
Harnische vorhanden, welche aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts
datieren.*) Sie dienen zum Beweise, wie wenig sich deren Form bis
in die Neuzeit geändert hat. Erst vor einigen Jahrzehnten wurde
der chinesische Fischbeinharnisch abgelegt.



*) In Mailand, in Madrid, im Schlosse Ambras in Tirol u. a. O.

I. Die Schutzwaffen.
Stücke bestanden die Achselteile; auf Brust und Rücken bildete je
eine groſse Scheibe das Mittelstück, um welches sich die anderen
Platten gruppierten. Bei den Tartaren und einigen türkischen Stämmen,
wie auch bei den Tscherkessen, ist der Brust- und Rückenharnisch
aus einem System von vierseitigen Platten, die unter sich durch
Maschenpanzer in Verbindung standen. (Fig. 175.) Zuweilen war auch
nur der rechte Arm von einem Handschuh mit langem Stulpe geschützt;
der linke Unterarm schien durch den Rundschild genügend gedeckt.
Die Füſse blieben anfänglich ganz unbeschützt (Fig. 176. 177); später,
im 16. Jahrhundert, findet man bei den Persern, dann auch bei einigen
Tartarenstämmen eine Art Beinkleid, aus eisernen Bändern be-
stehend, die mit Ringgeflechten verbunden waren. Sie waren so weit
gebildet, daſs sie die Bewegung nicht im geringsten hinderten.

Die Araber kämpften bis in die Zeit Mohammeds nicht wie die
Perser zu Pferde, ja es sind in ihren Heeren bis ans Ende des
7. Jahrhunderts nur wenig Reiter anzutreffen, so bei Bedr 623 gar
nur zwei. Später vermehrte sich deren Zahl auſserordentlich, so daſs
die Reiterei von nun an zur Hauptwaffe der arabischen Heere wurde.
Weit früher hatten sich die tartarischen Völker dazu bequemt, den
Krieg zu Pferde zu führen; bei den Persern aber hatte sich die Lust zum
Reiterdienste auch nach dem Zusammenbruche des altpersischen Reiches
traditionell erhalten. Die Chinesen waren von ältester Zeit her dem
Reiterdienste abhold; ihre wenige Reiterei bestand aus tartarischen
Stämmen, die um Sold dienten; ebenso scheinen auch in Japan in
alter Zeit keine Reitertruppen bestanden zu haben. Eigentümlich
ist die Harnischausrüstung der Chinesen und Japaner, die vom
Mittelalter bis in die Neuzeit sich im wesentlichen gleich geblieben
ist. Der Harnisch bestand in einem weiten Helme von Schlagblech,
der an die deutschen Eisenhüte erinnert; vorn war ein festes Visier
genietet, welches eine abschreckende Fratze mit stacheligem Barte
darstellte. Der übrige Teil des Harnisches war aus mattenartig ge-
bildeten Tabletten aus Fischbeinstäben zusammengefügt, die mittelst
fein gewirkten Bändern verbunden und mit Lackmalerei verziert oder
mit reichem Stoff überzogen waren. (Fig. 178.) Nur Vornehme
hatten auch die Beine in dieser Art geschützt, gemeine Krieger hatten
die Füſse ungeharnischt und zuweilen nackt. Es sind noch japanesische
Harnische vorhanden, welche aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts
datieren.*) Sie dienen zum Beweise, wie wenig sich deren Form bis
in die Neuzeit geändert hat. Erst vor einigen Jahrzehnten wurde
der chinesische Fischbeinharnisch abgelegt.



*) In Mailand, in Madrid, im Schlosse Ambras in Tirol u. a. O.
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[168/0186] I. Die Schutzwaffen. Stücke bestanden die Achselteile; auf Brust und Rücken bildete je eine groſse Scheibe das Mittelstück, um welches sich die anderen Platten gruppierten. Bei den Tartaren und einigen türkischen Stämmen, wie auch bei den Tscherkessen, ist der Brust- und Rückenharnisch aus einem System von vierseitigen Platten, die unter sich durch Maschenpanzer in Verbindung standen. (Fig. 175.) Zuweilen war auch nur der rechte Arm von einem Handschuh mit langem Stulpe geschützt; der linke Unterarm schien durch den Rundschild genügend gedeckt. Die Füſse blieben anfänglich ganz unbeschützt (Fig. 176. 177); später, im 16. Jahrhundert, findet man bei den Persern, dann auch bei einigen Tartarenstämmen eine Art Beinkleid, aus eisernen Bändern be- stehend, die mit Ringgeflechten verbunden waren. Sie waren so weit gebildet, daſs sie die Bewegung nicht im geringsten hinderten. Die Araber kämpften bis in die Zeit Mohammeds nicht wie die Perser zu Pferde, ja es sind in ihren Heeren bis ans Ende des 7. Jahrhunderts nur wenig Reiter anzutreffen, so bei Bedr 623 gar nur zwei. Später vermehrte sich deren Zahl auſserordentlich, so daſs die Reiterei von nun an zur Hauptwaffe der arabischen Heere wurde. Weit früher hatten sich die tartarischen Völker dazu bequemt, den Krieg zu Pferde zu führen; bei den Persern aber hatte sich die Lust zum Reiterdienste auch nach dem Zusammenbruche des altpersischen Reiches traditionell erhalten. Die Chinesen waren von ältester Zeit her dem Reiterdienste abhold; ihre wenige Reiterei bestand aus tartarischen Stämmen, die um Sold dienten; ebenso scheinen auch in Japan in alter Zeit keine Reitertruppen bestanden zu haben. Eigentümlich ist die Harnischausrüstung der Chinesen und Japaner, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit sich im wesentlichen gleich geblieben ist. Der Harnisch bestand in einem weiten Helme von Schlagblech, der an die deutschen Eisenhüte erinnert; vorn war ein festes Visier genietet, welches eine abschreckende Fratze mit stacheligem Barte darstellte. Der übrige Teil des Harnisches war aus mattenartig ge- bildeten Tabletten aus Fischbeinstäben zusammengefügt, die mittelst fein gewirkten Bändern verbunden und mit Lackmalerei verziert oder mit reichem Stoff überzogen waren. (Fig. 178.) Nur Vornehme hatten auch die Beine in dieser Art geschützt, gemeine Krieger hatten die Füſse ungeharnischt und zuweilen nackt. Es sind noch japanesische Harnische vorhanden, welche aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts datieren. *) Sie dienen zum Beweise, wie wenig sich deren Form bis in die Neuzeit geändert hat. Erst vor einigen Jahrzehnten wurde der chinesische Fischbeinharnisch abgelegt. *) In Mailand, in Madrid, im Schlosse Ambras in Tirol u. a. O.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/186>, abgerufen am 25.04.2024.