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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
leichtbewegliche Feldgeschütz scheint seine Einführung unter den
Hussiten um 1420 gefunden zu haben, unter den Burgundern um
1470 fand es eine zahlreichere Verwendung, von jener Zeit reiht
sich die Artillerie ebenbürtig neben Reiterei und Fussvolk. Diese
nun ins Gebiet tretende Waffe bildete sich aus durchaus bürgerlichen
Elementen von handwerksmässigem Gepräge, sie hatte keine nationale
Färbung in den Heeren, im Gegenteil bedienten sich die Macht-
haber der Büchsenmeister, wo sie selbige nur fanden; so dienten in der
Türkei Italiener, Griechen und Ungarn, in den burgundischen
Ländern Italiener, Deutsche u. s. w. Als man um 1430 begann,
die Geschütze aus Metall zu erzeugen, dienten die Gussmeister zu-
gleich als Büchsenmeister. Diese Verwendung finden sie noch am
Ende des 17. Jahrhunderts.

Der Gebrauch von Handfeuerwaffen durch das Fussvolk griff
nur langsam um sich; seltsamerweise wurde das Handgewehr als
Faustrohr lange Zeit nur in der Reiterei angewendet. Erst um 1370
finden wir Handrohre auf Bockgestellen, die aber mehr zum Wurfe,
als zum direkten Schusse dienten. Im 15. Jahrhundert finden sich
im Fussvolke leichte Handrohre, welche, unter dem rechten Arm
gehalten, abgefeuert wurden. Der Schaft des Handgewehres erscheint
erst um 1480. Die meisten Heere bedienten sich noch bis etwa
1450 vorwiegend der Bogen- und Armrustschützen.

Bis ins 15. Jahrhundert hatte die Reiterei noch einen Anstrich
aus feudaler Zeit, die Reihen der Lehensritter lichteten sich aber so
bedeutend, dass die Herrscher darauf Bedacht nehmen mussten, ihre
Reiterei in einem entsprechenden Stande zu erhalten. Sie nahmen
entweder ärmere Adlige dafür unmittelbar in Sold, oder übertrugen
das Geschäft der Anwerbung auf einen angesehenen Reitersmann
gegen summarische Entschädigung.

Wir haben gesehen, dass die Ritterschaften in den Kreuzzügen
ihre Rüstung gerade einem Feinde gegenüber schwerer gestalteten, der
nicht allein durch Kraftwirkung, sondern auch durch Beweglichkeit
zu bekämpfen war. Diese Schwerfälligkeit der Reiterei jener Zeit
war die Folge des irrigen Glaubens an den Wert einer absoluten
Deckung vor der feindlichen Waffe. Dieser Irrwahn erhielt sich vor
allem in der Reiterei und nahm sein Ende noch lange nicht, als
die Geschosse der Kartaunen, Singerinen und Falken ganze Reihen
Geharnischter niederschmetterten. Ja im Gegenteil war man be-
strebt, den Lentner allmählich durch mehr und grössere Platten zu ver-
stärken.

Im 13. Jahrh. begann bereits die Deckung von Armen und Beinen
durch Geschiebe aus Eisenplatten; nun fügte man Brust- und Rücken-
stücke, aus eisernen Platten gebildet, hinzu, gab den Helmen entsprechen-
dere Formen; so entstand um 1420 der "Plattenharnisch", der nur
gegen Spiess und Schwert, allenfalls noch gegen Armrustbolzen und

Einleitung.
leichtbewegliche Feldgeschütz scheint seine Einführung unter den
Hussiten um 1420 gefunden zu haben, unter den Burgundern um
1470 fand es eine zahlreichere Verwendung, von jener Zeit reiht
sich die Artillerie ebenbürtig neben Reiterei und Fuſsvolk. Diese
nun ins Gebiet tretende Waffe bildete sich aus durchaus bürgerlichen
Elementen von handwerksmäſsigem Gepräge, sie hatte keine nationale
Färbung in den Heeren, im Gegenteil bedienten sich die Macht-
haber der Büchsenmeister, wo sie selbige nur fanden; so dienten in der
Türkei Italiener, Griechen und Ungarn, in den burgundischen
Ländern Italiener, Deutsche u. s. w. Als man um 1430 begann,
die Geschütze aus Metall zu erzeugen, dienten die Guſsmeister zu-
gleich als Büchsenmeister. Diese Verwendung finden sie noch am
Ende des 17. Jahrhunderts.

Der Gebrauch von Handfeuerwaffen durch das Fuſsvolk griff
nur langsam um sich; seltsamerweise wurde das Handgewehr als
Faustrohr lange Zeit nur in der Reiterei angewendet. Erst um 1370
finden wir Handrohre auf Bockgestellen, die aber mehr zum Wurfe,
als zum direkten Schusse dienten. Im 15. Jahrhundert finden sich
im Fuſsvolke leichte Handrohre, welche, unter dem rechten Arm
gehalten, abgefeuert wurden. Der Schaft des Handgewehres erscheint
erst um 1480. Die meisten Heere bedienten sich noch bis etwa
1450 vorwiegend der Bogen- und Armrustschützen.

Bis ins 15. Jahrhundert hatte die Reiterei noch einen Anstrich
aus feudaler Zeit, die Reihen der Lehensritter lichteten sich aber so
bedeutend, daſs die Herrscher darauf Bedacht nehmen muſsten, ihre
Reiterei in einem entsprechenden Stande zu erhalten. Sie nahmen
entweder ärmere Adlige dafür unmittelbar in Sold, oder übertrugen
das Geschäft der Anwerbung auf einen angesehenen Reitersmann
gegen summarische Entschädigung.

Wir haben gesehen, daſs die Ritterschaften in den Kreuzzügen
ihre Rüstung gerade einem Feinde gegenüber schwerer gestalteten, der
nicht allein durch Kraftwirkung, sondern auch durch Beweglichkeit
zu bekämpfen war. Diese Schwerfälligkeit der Reiterei jener Zeit
war die Folge des irrigen Glaubens an den Wert einer absoluten
Deckung vor der feindlichen Waffe. Dieser Irrwahn erhielt sich vor
allem in der Reiterei und nahm sein Ende noch lange nicht, als
die Geschosse der Kartaunen, Singerinen und Falken ganze Reihen
Geharnischter niederschmetterten. Ja im Gegenteil war man be-
strebt, den Lentner allmählich durch mehr und gröſsere Platten zu ver-
stärken.

Im 13. Jahrh. begann bereits die Deckung von Armen und Beinen
durch Geschiebe aus Eisenplatten; nun fügte man Brust- und Rücken-
stücke, aus eisernen Platten gebildet, hinzu, gab den Helmen entsprechen-
dere Formen; so entstand um 1420 der „Plattenharnisch“, der nur
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[14/0032] Einleitung. leichtbewegliche Feldgeschütz scheint seine Einführung unter den Hussiten um 1420 gefunden zu haben, unter den Burgundern um 1470 fand es eine zahlreichere Verwendung, von jener Zeit reiht sich die Artillerie ebenbürtig neben Reiterei und Fuſsvolk. Diese nun ins Gebiet tretende Waffe bildete sich aus durchaus bürgerlichen Elementen von handwerksmäſsigem Gepräge, sie hatte keine nationale Färbung in den Heeren, im Gegenteil bedienten sich die Macht- haber der Büchsenmeister, wo sie selbige nur fanden; so dienten in der Türkei Italiener, Griechen und Ungarn, in den burgundischen Ländern Italiener, Deutsche u. s. w. Als man um 1430 begann, die Geschütze aus Metall zu erzeugen, dienten die Guſsmeister zu- gleich als Büchsenmeister. Diese Verwendung finden sie noch am Ende des 17. Jahrhunderts. Der Gebrauch von Handfeuerwaffen durch das Fuſsvolk griff nur langsam um sich; seltsamerweise wurde das Handgewehr als Faustrohr lange Zeit nur in der Reiterei angewendet. Erst um 1370 finden wir Handrohre auf Bockgestellen, die aber mehr zum Wurfe, als zum direkten Schusse dienten. Im 15. Jahrhundert finden sich im Fuſsvolke leichte Handrohre, welche, unter dem rechten Arm gehalten, abgefeuert wurden. Der Schaft des Handgewehres erscheint erst um 1480. Die meisten Heere bedienten sich noch bis etwa 1450 vorwiegend der Bogen- und Armrustschützen. Bis ins 15. Jahrhundert hatte die Reiterei noch einen Anstrich aus feudaler Zeit, die Reihen der Lehensritter lichteten sich aber so bedeutend, daſs die Herrscher darauf Bedacht nehmen muſsten, ihre Reiterei in einem entsprechenden Stande zu erhalten. Sie nahmen entweder ärmere Adlige dafür unmittelbar in Sold, oder übertrugen das Geschäft der Anwerbung auf einen angesehenen Reitersmann gegen summarische Entschädigung. Wir haben gesehen, daſs die Ritterschaften in den Kreuzzügen ihre Rüstung gerade einem Feinde gegenüber schwerer gestalteten, der nicht allein durch Kraftwirkung, sondern auch durch Beweglichkeit zu bekämpfen war. Diese Schwerfälligkeit der Reiterei jener Zeit war die Folge des irrigen Glaubens an den Wert einer absoluten Deckung vor der feindlichen Waffe. Dieser Irrwahn erhielt sich vor allem in der Reiterei und nahm sein Ende noch lange nicht, als die Geschosse der Kartaunen, Singerinen und Falken ganze Reihen Geharnischter niederschmetterten. Ja im Gegenteil war man be- strebt, den Lentner allmählich durch mehr und gröſsere Platten zu ver- stärken. Im 13. Jahrh. begann bereits die Deckung von Armen und Beinen durch Geschiebe aus Eisenplatten; nun fügte man Brust- und Rücken- stücke, aus eisernen Platten gebildet, hinzu, gab den Helmen entsprechen- dere Formen; so entstand um 1420 der „Plattenharnisch“, der nur gegen Spieſs und Schwert, allenfalls noch gegen Armrustbolzen und

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/32>, abgerufen am 29.03.2024.