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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
genannt und diente, um das Wild anrennen zu lassen. Diesem ge-
fährlichen Gebrauche entsprechend war er auch kräftig ausgestattet,
um die Wucht des anrennenden Wildes auszuhalten und dabei nicht
zu zerbrechen. Die Klinge war breit, blattförmig und sehr scharf
und spitz. Spätere Exemplare haben einen Knebel an der Dille, der
mit starken Lederriemchen angeschnürt ist. Dieser Knebel bezweckte,
ein tieferes Eindringen der Klinge als bis zur Dille zu verhindern.
Der überaus starke Schaft von 2 m. Länge war meistenteils mit
schmalen Lederriemen umwickelt und mit Nieten besetzt, um das
Ausgleiten der Fäuste zu verhindern. Vom 16. Jahrhundert an kamen
auch Schweinspiesse mit Schiessvorrichtungen in Gebrauch, die den
Zweck hatten, den Effekt zu sichern, falls beim Stossen das Ziel
mehr oder minder verfehlt wurde. Die Bärenspiesse verschwinden
bereits im 15. Jahrhundert, die Schweinspiesse erhalten sich noch bis
ins 17., bei einigen Höfen selbst bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind
noch heute Inventarstücke fürstlicher Jagdkammern. (Fig. 389.)



2. Die Helmbarte.

Der Name dieser sinnreichsten Stangenwaffe ist von Helm
(Halm, Stange, Stiel) und Barte (Beil) herzuleiten. Als deutschen
Ursprungs wird in fremden Sprachen ihr Name durchwegs verstümmelt.
Sie heisst franz. hallebarde, engl. halbert, lat. hellemparta, ital.
allabarda. Erst im 16. und 17. Jahrhundert wurde durch Rücküber-
setzung die alte Benennung in Hellebarte verunstaltet.

Nach den Forschungen, welche Quirin von Leitner*) über den
Ursprung der Helmbarten angestellt hat, findet schon im letzten
Viertel des 13. Jahrhunderts in der mittelhochdeutschen gereimten
Erzählung: "Herzog Ernst" die Helmbarte Erwähnung und in "Ludwig
dem Kreuzfahrer", also zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird sie
genau beschrieben In ausgesprochenster Form führten sie schon die
Schweizer bei Morgarten 1315 wie bei Sempach 1386.

Diese Waffe ist somit zu einer Zeit entstanden, als man schon
begann, die einzelne Teile der Rüstung im Kriege durch etwas
grössere Platten zu verstärken. Es zeigt sich auch hier das fort-
gesetzte Streben, dem neuen defensiven mit dem entsprechenden offen-
siven Mittel zu begegnen; denn war Stich und Hieb des Schwertes
nicht im stande, dem Plattenharnische wirksam zu begegnen, so ver-
mochte das wohl der wuchtige Schlag eines Beiles mit langem Stiele.


*) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses im
k. u. k. Artillerie-Museum in Wien. Wien 1866--1870.

II. Die Angriffswaffen.
genannt und diente, um das Wild anrennen zu lassen. Diesem ge-
fährlichen Gebrauche entsprechend war er auch kräftig ausgestattet,
um die Wucht des anrennenden Wildes auszuhalten und dabei nicht
zu zerbrechen. Die Klinge war breit, blattförmig und sehr scharf
und spitz. Spätere Exemplare haben einen Knebel an der Dille, der
mit starken Lederriemchen angeschnürt ist. Dieser Knebel bezweckte,
ein tieferes Eindringen der Klinge als bis zur Dille zu verhindern.
Der überaus starke Schaft von 2 m. Länge war meistenteils mit
schmalen Lederriemen umwickelt und mit Nieten besetzt, um das
Ausgleiten der Fäuste zu verhindern. Vom 16. Jahrhundert an kamen
auch Schweinspieſse mit Schieſsvorrichtungen in Gebrauch, die den
Zweck hatten, den Effekt zu sichern, falls beim Stoſsen das Ziel
mehr oder minder verfehlt wurde. Die Bärenspieſse verschwinden
bereits im 15. Jahrhundert, die Schweinspieſse erhalten sich noch bis
ins 17., bei einigen Höfen selbst bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind
noch heute Inventarstücke fürstlicher Jagdkammern. (Fig. 389.)



2. Die Helmbarte.

Der Name dieser sinnreichsten Stangenwaffe ist von Helm
(Halm, Stange, Stiel) und Barte (Beil) herzuleiten. Als deutschen
Ursprungs wird in fremden Sprachen ihr Name durchwegs verstümmelt.
Sie heiſst franz. hallebarde, engl. halbert, lat. hellemparta, ital.
allabarda. Erst im 16. und 17. Jahrhundert wurde durch Rücküber-
setzung die alte Benennung in Hellebarte verunstaltet.

Nach den Forschungen, welche Quirin von Leitner*) über den
Ursprung der Helmbarten angestellt hat, findet schon im letzten
Viertel des 13. Jahrhunderts in der mittelhochdeutschen gereimten
Erzählung: „Herzog Ernst“ die Helmbarte Erwähnung und in „Ludwig
dem Kreuzfahrer“, also zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird sie
genau beschrieben In ausgesprochenster Form führten sie schon die
Schweizer bei Morgarten 1315 wie bei Sempach 1386.

Diese Waffe ist somit zu einer Zeit entstanden, als man schon
begann, die einzelne Teile der Rüstung im Kriege durch etwas
gröſsere Platten zu verstärken. Es zeigt sich auch hier das fort-
gesetzte Streben, dem neuen defensiven mit dem entsprechenden offen-
siven Mittel zu begegnen; denn war Stich und Hieb des Schwertes
nicht im stande, dem Plattenharnische wirksam zu begegnen, so ver-
mochte das wohl der wuchtige Schlag eines Beiles mit langem Stiele.


*) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses im
k. u. k. Artillerie-Museum in Wien. Wien 1866—1870.
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[330/0348] II. Die Angriffswaffen. genannt und diente, um das Wild anrennen zu lassen. Diesem ge- fährlichen Gebrauche entsprechend war er auch kräftig ausgestattet, um die Wucht des anrennenden Wildes auszuhalten und dabei nicht zu zerbrechen. Die Klinge war breit, blattförmig und sehr scharf und spitz. Spätere Exemplare haben einen Knebel an der Dille, der mit starken Lederriemchen angeschnürt ist. Dieser Knebel bezweckte, ein tieferes Eindringen der Klinge als bis zur Dille zu verhindern. Der überaus starke Schaft von 2 m. Länge war meistenteils mit schmalen Lederriemen umwickelt und mit Nieten besetzt, um das Ausgleiten der Fäuste zu verhindern. Vom 16. Jahrhundert an kamen auch Schweinspieſse mit Schieſsvorrichtungen in Gebrauch, die den Zweck hatten, den Effekt zu sichern, falls beim Stoſsen das Ziel mehr oder minder verfehlt wurde. Die Bärenspieſse verschwinden bereits im 15. Jahrhundert, die Schweinspieſse erhalten sich noch bis ins 17., bei einigen Höfen selbst bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind noch heute Inventarstücke fürstlicher Jagdkammern. (Fig. 389.) 2. Die Helmbarte. Der Name dieser sinnreichsten Stangenwaffe ist von Helm (Halm, Stange, Stiel) und Barte (Beil) herzuleiten. Als deutschen Ursprungs wird in fremden Sprachen ihr Name durchwegs verstümmelt. Sie heiſst franz. hallebarde, engl. halbert, lat. hellemparta, ital. allabarda. Erst im 16. und 17. Jahrhundert wurde durch Rücküber- setzung die alte Benennung in Hellebarte verunstaltet. Nach den Forschungen, welche Quirin von Leitner *) über den Ursprung der Helmbarten angestellt hat, findet schon im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in der mittelhochdeutschen gereimten Erzählung: „Herzog Ernst“ die Helmbarte Erwähnung und in „Ludwig dem Kreuzfahrer“, also zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird sie genau beschrieben In ausgesprochenster Form führten sie schon die Schweizer bei Morgarten 1315 wie bei Sempach 1386. Diese Waffe ist somit zu einer Zeit entstanden, als man schon begann, die einzelne Teile der Rüstung im Kriege durch etwas gröſsere Platten zu verstärken. Es zeigt sich auch hier das fort- gesetzte Streben, dem neuen defensiven mit dem entsprechenden offen- siven Mittel zu begegnen; denn war Stich und Hieb des Schwertes nicht im stande, dem Plattenharnische wirksam zu begegnen, so ver- mochte das wohl der wuchtige Schlag eines Beiles mit langem Stiele. *) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses im k. u. k. Artillerie-Museum in Wien. Wien 1866—1870.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/348>, abgerufen am 29.03.2024.