Der Waffenschmied ist ein Eisenarbeiter, von seiner Fähigkeit, das harte Metall zu bearbeiten und zu formen, hängt die Güte der Waffe ab. Schon in antiker Zeit war darin der Orientale, vor allem der Inder, den westlichen Nationen weit überlegen und ist es ge- blieben bis auf die Gegenwart; denn noch heute ist man mit dem riesigsten Aufwande von Mitteln in Europa nicht im stande, eine Klinge von der Güte einer indischen, persischen oder japanesischen herzustellen.
Von der Zubereitung des Eisens im Oriente in älterer Zeit ist man nur ungenügend unterrichtet. In Europa war die Zubereitung des Eisens lange Zeit äusserst primitiv. Das uralte Pochen in Mörsern und das Sieben hatte sich vom Altertume her bis ins Mittelalter fort- vererbt, und erst 1519 wurde zu Joachimsthal im Erzgebirge das erste nasse Pochwerk angelegt. In der Frühzeit des Mittelalters bot dem Waffenschmiede die Fertigung der Schwertklinge die grössten Schwierigkeiten, daher man guten Schwertern schwärmerische Ver- ehrung widmete und ihnen nicht selten auch wunderbare Kräfte bei- mass. Der alte Haubert, die Brünne und auch der spätere Lentner wurde nur aus kleinen Eisenstückchen und geschmiedetem Draht ge- bildet, die Schilde aus mehreren Blechstücken zusammengesetzt, die untereinander vernietet waren; selbst der Helm bestand aus mehreren verschweissten Stücken, aber eine Klinge, zumal von grösserer Länge, zu fertigen, das gehörte bei den hohen Ansprüchen an die Leistungs- fähigkeit zu den schwierigsten Aufgaben, und daraus erklärt sich, dass die ersten Waffenschmiede ihr Verfahren mit dem Schleier tiefsten Geheimnisses zu umgeben trachteten. In grossen Mengen sendeten die sarazenischen Werkstätten Siziliens, die maurischen Spaniens vom 9. Jahrhundert an ihre unübertrefflichen Klingen nach Europa. Später, im 11. Jahrhundert entwickelte sich eine namhafte Einfuhr aus Damaskus über Byzanz nach Venedig, ebenso aus Indien nach Genua.
Eine ausserordentliche Geschicklichkeit und ungemeine Vorsicht und Geduld erforderte das Schmieden einer Schwertklinge, das Ver- schweissen des eigentlichen Kerns aus weichem Eisen mit den äusseren Partien an den Schneiden aus feinstem Stahl. Diese schwierige, nur mit dem Handhammer ausgeübte Technik war aus dem Oriente ge- kommen.
Die Keltiberer und viele andere Gebirgsvölker fertigten ihre Klingen, indem sie Eisenplatten in feuchte Erde vergruben und sie so lange darin liegen liessen, bis der Rost die schwächeren, schlech- teren Teile ausgefressen hatte. Aus den festesten, übriggebliebenen Teilen schmiedeten sie dann ihre Schwerter, die zu den vortrefflichsten gehörten. Das Verfahren ist nicht unglaubwürdig, denn wir wissen, dass der Rost weit weniger den Stahl als das Eisen ergreift; je un- reiner dieses ist, desto eher wird es verzehrt, so dass die besten Partien übrigbleiben. Die Japaner beobachteten ein ganz ähnliches Verfahren.
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Der Waffenschmied ist ein Eisenarbeiter, von seiner Fähigkeit, das harte Metall zu bearbeiten und zu formen, hängt die Güte der Waffe ab. Schon in antiker Zeit war darin der Orientale, vor allem der Inder, den westlichen Nationen weit überlegen und ist es ge- blieben bis auf die Gegenwart; denn noch heute ist man mit dem riesigsten Aufwande von Mitteln in Europa nicht im stande, eine Klinge von der Güte einer indischen, persischen oder japanesischen herzustellen.
Von der Zubereitung des Eisens im Oriente in älterer Zeit ist man nur ungenügend unterrichtet. In Europa war die Zubereitung des Eisens lange Zeit äuſserst primitiv. Das uralte Pochen in Mörsern und das Sieben hatte sich vom Altertume her bis ins Mittelalter fort- vererbt, und erst 1519 wurde zu Joachimsthal im Erzgebirge das erste nasse Pochwerk angelegt. In der Frühzeit des Mittelalters bot dem Waffenschmiede die Fertigung der Schwertklinge die gröſsten Schwierigkeiten, daher man guten Schwertern schwärmerische Ver- ehrung widmete und ihnen nicht selten auch wunderbare Kräfte bei- maſs. Der alte Haubert, die Brünne und auch der spätere Lentner wurde nur aus kleinen Eisenstückchen und geschmiedetem Draht ge- bildet, die Schilde aus mehreren Blechstücken zusammengesetzt, die untereinander vernietet waren; selbst der Helm bestand aus mehreren verschweiſsten Stücken, aber eine Klinge, zumal von gröſserer Länge, zu fertigen, das gehörte bei den hohen Ansprüchen an die Leistungs- fähigkeit zu den schwierigsten Aufgaben, und daraus erklärt sich, daſs die ersten Waffenschmiede ihr Verfahren mit dem Schleier tiefsten Geheimnisses zu umgeben trachteten. In groſsen Mengen sendeten die sarazenischen Werkstätten Siziliens, die maurischen Spaniens vom 9. Jahrhundert an ihre unübertrefflichen Klingen nach Europa. Später, im 11. Jahrhundert entwickelte sich eine namhafte Einfuhr aus Damaskus über Byzanz nach Venedig, ebenso aus Indien nach Genua.
Eine auſserordentliche Geschicklichkeit und ungemeine Vorsicht und Geduld erforderte das Schmieden einer Schwertklinge, das Ver- schweiſsen des eigentlichen Kerns aus weichem Eisen mit den äuſseren Partien an den Schneiden aus feinstem Stahl. Diese schwierige, nur mit dem Handhammer ausgeübte Technik war aus dem Oriente ge- kommen.
Die Keltiberer und viele andere Gebirgsvölker fertigten ihre Klingen, indem sie Eisenplatten in feuchte Erde vergruben und sie so lange darin liegen lieſsen, bis der Rost die schwächeren, schlech- teren Teile ausgefressen hatte. Aus den festesten, übriggebliebenen Teilen schmiedeten sie dann ihre Schwerter, die zu den vortrefflichsten gehörten. Das Verfahren ist nicht unglaubwürdig, denn wir wissen, daſs der Rost weit weniger den Stahl als das Eisen ergreift; je un- reiner dieses ist, desto eher wird es verzehrt, so daſs die besten Partien übrigbleiben. Die Japaner beobachteten ein ganz ähnliches Verfahren.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Der Waffenschmied ist ein Eisenarbeiter, von seiner Fähigkeit,
das harte Metall zu bearbeiten und zu formen, hängt die Güte der
Waffe ab. Schon in antiker Zeit war darin der Orientale, vor allem
der Inder, den westlichen Nationen weit überlegen und ist es ge-
blieben bis auf die Gegenwart; denn noch heute ist man mit dem
riesigsten Aufwande von Mitteln in Europa nicht im stande, eine Klinge
von der Güte einer indischen, persischen oder japanesischen herzustellen.
Von der Zubereitung des Eisens im Oriente in älterer Zeit ist
man nur ungenügend unterrichtet. In Europa war die Zubereitung
des Eisens lange Zeit äuſserst primitiv. Das uralte Pochen in Mörsern
und das Sieben hatte sich vom Altertume her bis ins Mittelalter fort-
vererbt, und erst 1519 wurde zu Joachimsthal im Erzgebirge das
erste nasse Pochwerk angelegt. In der Frühzeit des Mittelalters bot
dem Waffenschmiede die Fertigung der Schwertklinge die gröſsten
Schwierigkeiten, daher man guten Schwertern schwärmerische Ver-
ehrung widmete und ihnen nicht selten auch wunderbare Kräfte bei-
maſs. Der alte Haubert, die Brünne und auch der spätere Lentner
wurde nur aus kleinen Eisenstückchen und geschmiedetem Draht ge-
bildet, die Schilde aus mehreren Blechstücken zusammengesetzt, die
untereinander vernietet waren; selbst der Helm bestand aus mehreren
verschweiſsten Stücken, aber eine Klinge, zumal von gröſserer Länge,
zu fertigen, das gehörte bei den hohen Ansprüchen an die Leistungs-
fähigkeit zu den schwierigsten Aufgaben, und daraus erklärt sich,
daſs die ersten Waffenschmiede ihr Verfahren mit dem Schleier tiefsten
Geheimnisses zu umgeben trachteten. In groſsen Mengen sendeten
die sarazenischen Werkstätten Siziliens, die maurischen Spaniens vom
9. Jahrhundert an ihre unübertrefflichen Klingen nach Europa. Später,
im 11. Jahrhundert entwickelte sich eine namhafte Einfuhr aus Damaskus
über Byzanz nach Venedig, ebenso aus Indien nach Genua.
Eine auſserordentliche Geschicklichkeit und ungemeine Vorsicht
und Geduld erforderte das Schmieden einer Schwertklinge, das Ver-
schweiſsen des eigentlichen Kerns aus weichem Eisen mit den äuſseren
Partien an den Schneiden aus feinstem Stahl. Diese schwierige, nur
mit dem Handhammer ausgeübte Technik war aus dem Oriente ge-
kommen.
Die Keltiberer und viele andere Gebirgsvölker fertigten ihre
Klingen, indem sie Eisenplatten in feuchte Erde vergruben und sie
so lange darin liegen lieſsen, bis der Rost die schwächeren, schlech-
teren Teile ausgefressen hatte. Aus den festesten, übriggebliebenen
Teilen schmiedeten sie dann ihre Schwerter, die zu den vortrefflichsten
gehörten. Das Verfahren ist nicht unglaubwürdig, denn wir wissen,
daſs der Rost weit weniger den Stahl als das Eisen ergreift; je un-
reiner dieses ist, desto eher wird es verzehrt, so daſs die besten
Partien übrigbleiben. Die Japaner beobachteten ein ganz ähnliches
Verfahren.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/610>, abgerufen am 08.10.2024.
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