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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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4. Der Handschuh.
fläche zusammengeknöpft wurde. Dieser Schutz erwies sich als nicht
genügend, man nähte darum sowohl auf den Handrücken, als auf
den ersten Daumenknöchel runde Eisenplatten, die nach der Hand-
form getrieben waren. Diese Scheiben auf dem Handrücken treten
bis ins 14. Jahrhundert häufig vor Augen, man band sie später
mittelst Lederriemchen an den Handschuh, welche durch zwei Löcher
der Scheibe gezogen und aussen geknüpft wurden. Der Gebrauch
erbte sich traditionell bis in die Zeit fort, in welcher bereits längst
Eisenhandschuhe getragen wurden. In dieser primitiven Bedeckung
des Handrückens ist das Vorbild der an vielen Eisenhandschuhen
noch bis etwa 1500 ersichtlichen Stielscheiben zu erblicken, welcher
wir später gedenken.

In den zahlreichen Abbildungen des Codex Balduini I. von ca.

[Abbildung] Fig. 75.

Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten
Eisenplättchen benäht vom Grabmale des Sir Richard von Burling-
thorpe
um 1310 nach Planche.

[Abbildung] Fig. 76.

Eisenhandschuh vom Grabmale eines Ritters aus der
Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410,
nach Hewitt.

1340, dessen wir wiederholt erwähnten, tragen die Ritter durchaus
gefingerte Lederhandschuhe mit langen Stulpen. Der ungenügende
Schutz, welchen die Eisenscheiben auf den Handrücken boten, war
Ursache, dass man nun die Platte vergrösserte und sie nach der
Form der Hand bildete und dabei auch die Handwurzel zu decken
suchte. Dadurch entstanden die wesentlichsten Teile des Eisenhand-
schuhes, die Rückenplatte und der Stulp. Die Finger wurden mit
kleinen Eisenblechstücken bedeckt, welche schuppenförmig auf den
Lederhandschuh genäht wurden. (Fig. 75.) Eine derlei Einrichtung
war aber doch nichts anderes, als ein mit Eisenplatten besetzter
Lederhandschuh und kein Eisenhandschuh an sich, der sich erst in
der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu bilden begann. Die ältesten

4. Der Handschuh.
fläche zusammengeknöpft wurde. Dieser Schutz erwies sich als nicht
genügend, man nähte darum sowohl auf den Handrücken, als auf
den ersten Daumenknöchel runde Eisenplatten, die nach der Hand-
form getrieben waren. Diese Scheiben auf dem Handrücken treten
bis ins 14. Jahrhundert häufig vor Augen, man band sie später
mittelst Lederriemchen an den Handschuh, welche durch zwei Löcher
der Scheibe gezogen und auſsen geknüpft wurden. Der Gebrauch
erbte sich traditionell bis in die Zeit fort, in welcher bereits längst
Eisenhandschuhe getragen wurden. In dieser primitiven Bedeckung
des Handrückens ist das Vorbild der an vielen Eisenhandschuhen
noch bis etwa 1500 ersichtlichen Stielscheiben zu erblicken, welcher
wir später gedenken.

In den zahlreichen Abbildungen des Codex Balduini I. von ca.

[Abbildung] Fig. 75.

Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten
Eisenplättchen benäht vom Grabmale des Sir Richard von Burling-
thorpe
um 1310 nach Planché.

[Abbildung] Fig. 76.

Eisenhandschuh vom Grabmale eines Ritters aus der
Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410,
nach Hewitt.

1340, dessen wir wiederholt erwähnten, tragen die Ritter durchaus
gefingerte Lederhandschuhe mit langen Stulpen. Der ungenügende
Schutz, welchen die Eisenscheiben auf den Handrücken boten, war
Ursache, daſs man nun die Platte vergröſserte und sie nach der
Form der Hand bildete und dabei auch die Handwurzel zu decken
suchte. Dadurch entstanden die wesentlichsten Teile des Eisenhand-
schuhes, die Rückenplatte und der Stulp. Die Finger wurden mit
kleinen Eisenblechstücken bedeckt, welche schuppenförmig auf den
Lederhandschuh genäht wurden. (Fig. 75.) Eine derlei Einrichtung
war aber doch nichts anderes, als ein mit Eisenplatten besetzter
Lederhandschuh und kein Eisenhandschuh an sich, der sich erst in
der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu bilden begann. Die ältesten

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[79/0097] 4. Der Handschuh. fläche zusammengeknöpft wurde. Dieser Schutz erwies sich als nicht genügend, man nähte darum sowohl auf den Handrücken, als auf den ersten Daumenknöchel runde Eisenplatten, die nach der Hand- form getrieben waren. Diese Scheiben auf dem Handrücken treten bis ins 14. Jahrhundert häufig vor Augen, man band sie später mittelst Lederriemchen an den Handschuh, welche durch zwei Löcher der Scheibe gezogen und auſsen geknüpft wurden. Der Gebrauch erbte sich traditionell bis in die Zeit fort, in welcher bereits längst Eisenhandschuhe getragen wurden. In dieser primitiven Bedeckung des Handrückens ist das Vorbild der an vielen Eisenhandschuhen noch bis etwa 1500 ersichtlichen Stielscheiben zu erblicken, welcher wir später gedenken. In den zahlreichen Abbildungen des Codex Balduini I. von ca. [Abbildung Fig. 75. Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten Eisenplättchen benäht vom Grabmale des Sir Richard von Burling- thorpe um 1310 nach Planché.] [Abbildung Fig. 76. Eisenhandschuh vom Grabmale eines Ritters aus der Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410, nach Hewitt.] 1340, dessen wir wiederholt erwähnten, tragen die Ritter durchaus gefingerte Lederhandschuhe mit langen Stulpen. Der ungenügende Schutz, welchen die Eisenscheiben auf den Handrücken boten, war Ursache, daſs man nun die Platte vergröſserte und sie nach der Form der Hand bildete und dabei auch die Handwurzel zu decken suchte. Dadurch entstanden die wesentlichsten Teile des Eisenhand- schuhes, die Rückenplatte und der Stulp. Die Finger wurden mit kleinen Eisenblechstücken bedeckt, welche schuppenförmig auf den Lederhandschuh genäht wurden. (Fig. 75.) Eine derlei Einrichtung war aber doch nichts anderes, als ein mit Eisenplatten besetzter Lederhandschuh und kein Eisenhandschuh an sich, der sich erst in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu bilden begann. Die ältesten

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/97>, abgerufen am 29.03.2024.