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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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thätigen Alles. Die Hessen haben nur etwas ge¬
droht. Aber diese Constitution ist eine Betrügerei,
man hat das schlechte Zeug gelb gemacht, daß man
es für Gold halte, und so dumm ist unser Volk, daß
unter hundert Käufern nur Einer merkt, daß er be¬
trogen worden. Was ist das für eine Constitution,
die den Satz enthält: Das Briefgeheimniß ist
unverletzlich
, für nöthig hält ausdrücklich zu er¬
klären, die Regierung dürfe keine schlechten Streiche
machen? Es heißt: Die Presse ist vollkommen
frei
, ausgenommen, wo sie die deutsche Bundes-
Versammlung beschränkt; die deutsche Bundes-Ver¬
sammlung aber hat sie in allem beschränkt. Es heißt:
Alle Religionen sind gleich vor dem Ge¬
setze
, und gleich darauf: die Rechte der Juden
werden unter den Schutz der Constitution
gestellt
. Das heißt: Einem, der in Ketten liegt,
zu seiner Beruhigung eine Wache zur Seite stellen,
damit ihm ja Niemand seine Ketten stehle! Die Ju¬
den haben es jetzt viel schlimmer, als vorher. Frü¬
her konnte doch der Fürst die Rechte der Juden er¬
weitern, sie den übrigen Staatsbürgern ganz gleich
stellen. Jetzt kann er aber das nicht mehr, da der
rechtlose Zustand der Juden unter dem Schutze der
Constitution stehet, die von dem Fürsten nicht über¬
treten werden kann. Und so die Wahlen, so Alles.

thätigen Alles. Die Heſſen haben nur etwas ge¬
droht. Aber dieſe Conſtitution iſt eine Betrügerei,
man hat das ſchlechte Zeug gelb gemacht, daß man
es für Gold halte, und ſo dumm iſt unſer Volk, daß
unter hundert Käufern nur Einer merkt, daß er be¬
trogen worden. Was iſt das für eine Conſtitution,
die den Satz enthält: Das Briefgeheimniß iſt
unverletzlich
, für nöthig hält ausdrücklich zu er¬
klären, die Regierung dürfe keine ſchlechten Streiche
machen? Es heißt: Die Preſſe iſt vollkommen
frei
, ausgenommen, wo ſie die deutſche Bundes-
Verſammlung beſchränkt; die deutſche Bundes-Ver¬
ſammlung aber hat ſie in allem beſchränkt. Es heißt:
Alle Religionen ſind gleich vor dem Ge¬
ſetze
, und gleich darauf: die Rechte der Juden
werden unter den Schutz der Conſtitution
geſtellt
. Das heißt: Einem, der in Ketten liegt,
zu ſeiner Beruhigung eine Wache zur Seite ſtellen,
damit ihm ja Niemand ſeine Ketten ſtehle! Die Ju¬
den haben es jetzt viel ſchlimmer, als vorher. Frü¬
her konnte doch der Fürſt die Rechte der Juden er¬
weitern, ſie den übrigen Staatsbürgern ganz gleich
ſtellen. Jetzt kann er aber das nicht mehr, da der
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treten werden kann. Und ſo die Wahlen, ſo Alles.

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[12/0026] thätigen Alles. Die Heſſen haben nur etwas ge¬ droht. Aber dieſe Conſtitution iſt eine Betrügerei, man hat das ſchlechte Zeug gelb gemacht, daß man es für Gold halte, und ſo dumm iſt unſer Volk, daß unter hundert Käufern nur Einer merkt, daß er be¬ trogen worden. Was iſt das für eine Conſtitution, die den Satz enthält: Das Briefgeheimniß iſt unverletzlich, für nöthig hält ausdrücklich zu er¬ klären, die Regierung dürfe keine ſchlechten Streiche machen? Es heißt: Die Preſſe iſt vollkommen frei, ausgenommen, wo ſie die deutſche Bundes- Verſammlung beſchränkt; die deutſche Bundes-Ver¬ ſammlung aber hat ſie in allem beſchränkt. Es heißt: Alle Religionen ſind gleich vor dem Ge¬ ſetze, und gleich darauf: die Rechte der Juden werden unter den Schutz der Conſtitution geſtellt. Das heißt: Einem, der in Ketten liegt, zu ſeiner Beruhigung eine Wache zur Seite ſtellen, damit ihm ja Niemand ſeine Ketten ſtehle! Die Ju¬ den haben es jetzt viel ſchlimmer, als vorher. Frü¬ her konnte doch der Fürſt die Rechte der Juden er¬ weitern, ſie den übrigen Staatsbürgern ganz gleich ſtellen. Jetzt kann er aber das nicht mehr, da der rechtloſe Zuſtand der Juden unter dem Schutze der Conſtitution ſtehet, die von dem Fürſten nicht über¬ treten werden kann. Und ſo die Wahlen, ſo Alles.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/26>, abgerufen am 29.03.2024.