Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Was ich über die Briefe eines Verstorbenen ge¬
sagt, ist alles gerecht. Ich habe nichts mit Unrecht
getadelt. Freilich hätte ich das Gute im Buche stär¬
ker loben können; aber wozu? Es ist eben Krieg
und da kann man keine Rücksicht darauf nehmen, was
das für ein Mann ist, der uns gegenüber stehet.
Er stehet uns gegenüber und ist unser Feind. Puff!
Daß Goethe und Varnhagen das Buch eines Vor¬
nehmen
gelobt, hat ihm bei mir Nichts geholfen.
Ich kenne diese Herren, und weiß, wie sie, ihr eig¬
nes Gewicht nicht zu verlieren, diplomatisch bemüht
sind, das literarische Gleichgewicht in Deutschland zu
erhalten. Darum stärken sie mit so viel Liebe alle
schwachen Schriftsteller.

Die Würzburger Adresse ist sehr schön, ohnge¬
achtet des allergehorsamsten Puders auf dem Kopfe,
und der allerunterthänigsten seidnen Strümpfe an den
Füßen. Meine Pappenheimer werden munter. Der
Constitutionnel heute hat wieder die schöne Lüge: in
München sei der Teufel los, und der König habe sich
geflüchtet. Was hilfts? alle diese Bewegungen
führen zu nichts als -- zurück. Einmal Muth,
hat wohl auch der feigste Mensch! aber nur der
Held hat ihn alle Tage. Es gibt im Lateinischen


Was ich über die Briefe eines Verſtorbenen ge¬
ſagt, iſt alles gerecht. Ich habe nichts mit Unrecht
getadelt. Freilich hätte ich das Gute im Buche ſtär¬
ker loben können; aber wozu? Es iſt eben Krieg
und da kann man keine Rückſicht darauf nehmen, was
das für ein Mann iſt, der uns gegenüber ſtehet.
Er ſtehet uns gegenüber und iſt unſer Feind. Puff!
Daß Goethe und Varnhagen das Buch eines Vor¬
nehmen
gelobt, hat ihm bei mir Nichts geholfen.
Ich kenne dieſe Herren, und weiß, wie ſie, ihr eig¬
nes Gewicht nicht zu verlieren, diplomatiſch bemüht
ſind, das literariſche Gleichgewicht in Deutſchland zu
erhalten. Darum ſtärken ſie mit ſo viel Liebe alle
ſchwachen Schriftſteller.

Die Würzburger Adreſſe iſt ſehr ſchön, ohnge¬
achtet des allergehorſamſten Puders auf dem Kopfe,
und der allerunterthänigſten ſeidnen Strümpfe an den
Füßen. Meine Pappenheimer werden munter. Der
Conſtitutionnel heute hat wieder die ſchöne Lüge: in
München ſei der Teufel los, und der König habe ſich
geflüchtet. Was hilfts? alle dieſe Bewegungen
führen zu nichts als — zurück. Einmal Muth,
hat wohl auch der feigſte Menſch! aber nur der
Held hat ihn alle Tage. Es gibt im Lateiniſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0072" n="58"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 15. Februar.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Was ich über die Briefe eines Ver&#x017F;torbenen ge¬<lb/>
&#x017F;agt, i&#x017F;t alles gerecht. Ich habe nichts mit Unrecht<lb/>
getadelt. Freilich hätte ich das Gute im Buche &#x017F;tär¬<lb/>
ker loben können; aber wozu? Es i&#x017F;t eben Krieg<lb/>
und da kann man keine Rück&#x017F;icht darauf nehmen, was<lb/>
das für ein Mann i&#x017F;t, der uns gegenüber &#x017F;tehet.<lb/>
Er &#x017F;tehet uns gegenüber und i&#x017F;t un&#x017F;er Feind. Puff!<lb/>
Daß Goethe und Varnhagen das Buch eines <hi rendition="#g">Vor¬<lb/>
nehmen</hi> gelobt, hat ihm bei mir Nichts geholfen.<lb/>
Ich kenne die&#x017F;e Herren, und weiß, wie &#x017F;ie, ihr eig¬<lb/>
nes Gewicht nicht zu verlieren, diplomati&#x017F;ch bemüht<lb/>
&#x017F;ind, das literari&#x017F;che Gleichgewicht in Deut&#x017F;chland zu<lb/>
erhalten. Darum &#x017F;tärken &#x017F;ie mit &#x017F;o viel Liebe alle<lb/>
&#x017F;chwachen Schrift&#x017F;teller.</p><lb/>
          <p>Die Würzburger Adre&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;chön, ohnge¬<lb/>
achtet des allergehor&#x017F;am&#x017F;ten Puders auf dem Kopfe,<lb/>
und der allerunterthänig&#x017F;ten &#x017F;eidnen Strümpfe an den<lb/>
Füßen. Meine Pappenheimer werden munter. Der<lb/>
Con&#x017F;titutionnel heute hat wieder die &#x017F;chöne Lüge: in<lb/>
München &#x017F;ei der Teufel los, und der König habe &#x017F;ich<lb/>
geflüchtet. Was hilfts? alle die&#x017F;e Bewegungen<lb/>
führen zu nichts als &#x2014; zurück. <hi rendition="#g">Einmal</hi> Muth,<lb/>
hat wohl auch der feig&#x017F;te Men&#x017F;ch! aber nur der<lb/>
Held hat ihn alle Tage. Es gibt im Lateini&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0072] Dienſtag, den 15. Februar. Was ich über die Briefe eines Verſtorbenen ge¬ ſagt, iſt alles gerecht. Ich habe nichts mit Unrecht getadelt. Freilich hätte ich das Gute im Buche ſtär¬ ker loben können; aber wozu? Es iſt eben Krieg und da kann man keine Rückſicht darauf nehmen, was das für ein Mann iſt, der uns gegenüber ſtehet. Er ſtehet uns gegenüber und iſt unſer Feind. Puff! Daß Goethe und Varnhagen das Buch eines Vor¬ nehmen gelobt, hat ihm bei mir Nichts geholfen. Ich kenne dieſe Herren, und weiß, wie ſie, ihr eig¬ nes Gewicht nicht zu verlieren, diplomatiſch bemüht ſind, das literariſche Gleichgewicht in Deutſchland zu erhalten. Darum ſtärken ſie mit ſo viel Liebe alle ſchwachen Schriftſteller. Die Würzburger Adreſſe iſt ſehr ſchön, ohnge¬ achtet des allergehorſamſten Puders auf dem Kopfe, und der allerunterthänigſten ſeidnen Strümpfe an den Füßen. Meine Pappenheimer werden munter. Der Conſtitutionnel heute hat wieder die ſchöne Lüge: in München ſei der Teufel los, und der König habe ſich geflüchtet. Was hilfts? alle dieſe Bewegungen führen zu nichts als — zurück. Einmal Muth, hat wohl auch der feigſte Menſch! aber nur der Held hat ihn alle Tage. Es gibt im Lateiniſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/72
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/72>, abgerufen am 19.04.2024.