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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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sernen spanischen Siege des Herzogs von Angouleme
abzuschlagen. Wachen verhinderten den Zutritt; denn
am Morgen waren welche vom Volke schon hinauf¬
geklettert, Frankreichs Ehrenfleck dort abzukratzen.
Von allen Kirchthürmen wurden die Kreuze abgenom¬
men, wegen ihrer unheiligen Allianz mit den Lilien.
Daß katholische Pfaffenthum hat in diesen Tagen eine
große Niederlage erlitten; die Bourbons hatten nicht
viel mehr zu verlieren. Der König läßt die Lilien
aus seinem Wappen nehmen, die er früher als das
Erbe seiner Ahnen beizubehalten gesonnen war. Nun
ist es zwar lächerlich und frevelhaft, daß Menschen
in ihrer Zerstörungswuth ihre kurzen Arme nach et¬
was ausstrecken, was selbst der allmächtige Gott
nicht erreichen kann -- nach dem Geschehenen,
Vollendeten; doch wo Tyrannen sich nicht scheuen,
den Kindermord an der Zukunft noch zu allen ihren
Verbrechen zu fügen, da darf man das Volk nicht
tadeln, wenn es den Leichnam der Vergangenheit
aus dem Grabe holt und ihn beschimpft. Der Ge¬
winn in diesen Vorfällen ist nicht eine neue Nieder¬
lage der Carlisten, denn es ist Wahnsinn zu den¬
ken, daß diese je wieder sich erheben könnten; son¬
dern, daß das Volk sich wieder in seiner Kraft ge¬
zeigt, und der Regierung, welche die Ruhe übermü¬
thig zu machen drohte, einen heilsamen Schrecken
beigebracht hat. Und daß dieses geschehen, merkt man

ſernen ſpaniſchen Siege des Herzogs von Angouleme
abzuſchlagen. Wachen verhinderten den Zutritt; denn
am Morgen waren welche vom Volke ſchon hinauf¬
geklettert, Frankreichs Ehrenfleck dort abzukratzen.
Von allen Kirchthürmen wurden die Kreuze abgenom¬
men, wegen ihrer unheiligen Allianz mit den Lilien.
Daß katholiſche Pfaffenthum hat in dieſen Tagen eine
große Niederlage erlitten; die Bourbons hatten nicht
viel mehr zu verlieren. Der König läßt die Lilien
aus ſeinem Wappen nehmen, die er früher als das
Erbe ſeiner Ahnen beizubehalten geſonnen war. Nun
iſt es zwar lächerlich und frevelhaft, daß Menſchen
in ihrer Zerſtörungswuth ihre kurzen Arme nach et¬
was ausſtrecken, was ſelbſt der allmächtige Gott
nicht erreichen kann — nach dem Geſchehenen,
Vollendeten; doch wo Tyrannen ſich nicht ſcheuen,
den Kindermord an der Zukunft noch zu allen ihren
Verbrechen zu fügen, da darf man das Volk nicht
tadeln, wenn es den Leichnam der Vergangenheit
aus dem Grabe holt und ihn beſchimpft. Der Ge¬
winn in dieſen Vorfällen iſt nicht eine neue Nieder¬
lage der Carliſten, denn es iſt Wahnſinn zu den¬
ken, daß dieſe je wieder ſich erheben könnten; ſon¬
dern, daß das Volk ſich wieder in ſeiner Kraft ge¬
zeigt, und der Regierung, welche die Ruhe übermü¬
thig zu machen drohte, einen heilſamen Schrecken
beigebracht hat. Und daß dieſes geſchehen, merkt man

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[69/0083] ſernen ſpaniſchen Siege des Herzogs von Angouleme abzuſchlagen. Wachen verhinderten den Zutritt; denn am Morgen waren welche vom Volke ſchon hinauf¬ geklettert, Frankreichs Ehrenfleck dort abzukratzen. Von allen Kirchthürmen wurden die Kreuze abgenom¬ men, wegen ihrer unheiligen Allianz mit den Lilien. Daß katholiſche Pfaffenthum hat in dieſen Tagen eine große Niederlage erlitten; die Bourbons hatten nicht viel mehr zu verlieren. Der König läßt die Lilien aus ſeinem Wappen nehmen, die er früher als das Erbe ſeiner Ahnen beizubehalten geſonnen war. Nun iſt es zwar lächerlich und frevelhaft, daß Menſchen in ihrer Zerſtörungswuth ihre kurzen Arme nach et¬ was ausſtrecken, was ſelbſt der allmächtige Gott nicht erreichen kann — nach dem Geſchehenen, Vollendeten; doch wo Tyrannen ſich nicht ſcheuen, den Kindermord an der Zukunft noch zu allen ihren Verbrechen zu fügen, da darf man das Volk nicht tadeln, wenn es den Leichnam der Vergangenheit aus dem Grabe holt und ihn beſchimpft. Der Ge¬ winn in dieſen Vorfällen iſt nicht eine neue Nieder¬ lage der Carliſten, denn es iſt Wahnſinn zu den¬ ken, daß dieſe je wieder ſich erheben könnten; ſon¬ dern, daß das Volk ſich wieder in ſeiner Kraft ge¬ zeigt, und der Regierung, welche die Ruhe übermü¬ thig zu machen drohte, einen heilſamen Schrecken beigebracht hat. Und daß dieſes geſchehen, merkt man

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/83>, abgerufen am 25.04.2024.