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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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hauen und den Kerkermeister fortgetrieben. Was
fehlt? Ein bischen Musik-Staub von Auber darauf
gestreut und die Oper ist fertig. Bologna, Ferrara,
Modena, Faenza, -- ich möchte das Alles von der
Malibran singen hören. Die zehen Plagen Aegyp¬
tens werden über die neuen Pharaonen kommen, und
die frohnenden Völker werden sich befreien. Ach!
ihr Weg geht auch über ein rothes Meer, über ein
Meer von Blut; aber es wird sie hinüber tragen,
und ihre meineidigen Verfolger werden darin ihr
Grab finden.

-- Ja wohl habe ich gelesen und gehört von
den frühzeitigen, unzeitigen und überzeitigen Dumm¬
heiten die in Baiern, vorgehen. Das hat mich be¬
trübt aber nicht gewundert. Der König von Baiern
hat zunächst an seinem Throne eine vertraute Per¬
son, die verblendetste, wo sie selbst rathet, die be¬
stechlichste wo sich Jemand findet, der sie lenkt, um
ihren Herrn zu lenken -- seine Phantasie. Düm¬
mere Fürsten handeln bei weitem klüger. Nichts ist
gefährlicher als Geist ohne Charakter, als das Genie,
dem es an Stoff mangelt. Hat das Feuer einmal
sein Holz gefunden, bleibt es ruhig und man braucht
sich ihm nur nicht zu nähern, um sicher zu seyn.
Aber die Flamme ohne Nahrung streicht hungrig um¬
her, leckt hier, leckt dort und entzündet vieles, ehe

hauen und den Kerkermeiſter fortgetrieben. Was
fehlt? Ein bischen Muſik-Staub von Auber darauf
geſtreut und die Oper iſt fertig. Bologna, Ferrara,
Modena, Faenza, — ich möchte das Alles von der
Malibran ſingen hören. Die zehen Plagen Aegyp¬
tens werden über die neuen Pharaonen kommen, und
die frohnenden Völker werden ſich befreien. Ach!
ihr Weg geht auch über ein rothes Meer, über ein
Meer von Blut; aber es wird ſie hinüber tragen,
und ihre meineidigen Verfolger werden darin ihr
Grab finden.

— Ja wohl habe ich geleſen und gehört von
den frühzeitigen, unzeitigen und überzeitigen Dumm¬
heiten die in Baiern, vorgehen. Das hat mich be¬
trübt aber nicht gewundert. Der König von Baiern
hat zunächſt an ſeinem Throne eine vertraute Per¬
ſon, die verblendetſte, wo ſie ſelbſt rathet, die be¬
ſtechlichſte wo ſich Jemand findet, der ſie lenkt, um
ihren Herrn zu lenken — ſeine Phantaſie. Düm¬
mere Fürſten handeln bei weitem klüger. Nichts iſt
gefährlicher als Geiſt ohne Charakter, als das Genie,
dem es an Stoff mangelt. Hat das Feuer einmal
ſein Holz gefunden, bleibt es ruhig und man braucht
ſich ihm nur nicht zu nähern, um ſicher zu ſeyn.
Aber die Flamme ohne Nahrung ſtreicht hungrig um¬
her, leckt hier, leckt dort und entzündet vieles, ehe

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[82/0096] hauen und den Kerkermeiſter fortgetrieben. Was fehlt? Ein bischen Muſik-Staub von Auber darauf geſtreut und die Oper iſt fertig. Bologna, Ferrara, Modena, Faenza, — ich möchte das Alles von der Malibran ſingen hören. Die zehen Plagen Aegyp¬ tens werden über die neuen Pharaonen kommen, und die frohnenden Völker werden ſich befreien. Ach! ihr Weg geht auch über ein rothes Meer, über ein Meer von Blut; aber es wird ſie hinüber tragen, und ihre meineidigen Verfolger werden darin ihr Grab finden. — Ja wohl habe ich geleſen und gehört von den frühzeitigen, unzeitigen und überzeitigen Dumm¬ heiten die in Baiern, vorgehen. Das hat mich be¬ trübt aber nicht gewundert. Der König von Baiern hat zunächſt an ſeinem Throne eine vertraute Per¬ ſon, die verblendetſte, wo ſie ſelbſt rathet, die be¬ ſtechlichſte wo ſich Jemand findet, der ſie lenkt, um ihren Herrn zu lenken — ſeine Phantaſie. Düm¬ mere Fürſten handeln bei weitem klüger. Nichts iſt gefährlicher als Geiſt ohne Charakter, als das Genie, dem es an Stoff mangelt. Hat das Feuer einmal ſein Holz gefunden, bleibt es ruhig und man braucht ſich ihm nur nicht zu nähern, um ſicher zu ſeyn. Aber die Flamme ohne Nahrung ſtreicht hungrig um¬ her, leckt hier, leckt dort und entzündet vieles, ehe

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/96>, abgerufen am 29.03.2024.