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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Hebräisch regieren -- das wäre etwas himm¬
lisches! Ein Punkt kann den ehrlichsten Mann an
den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr
oder weniger, da oder dort, giebt dem Gesetze einen
ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie
Butter und eine grobe Constitution so fein machen, daß
sie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, Ihr
christlichen Minister! werdet Rabbiner und ich habe
das erfunden! Auch will man jetzt in Preußen al¬
len Civilbeamten Uniformen geben. Das ist die
rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deut¬
sche Superlativ des Monarchismus; es ist eine aller¬
höchste Spitzbüberei. Dadurch will man die Regie¬
rung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter
den Corporalstock der Disciplin bringen, Vaterlands¬
liebe in blinden Gehorsam verwandeln, und aus dem
sitzenden Heere der Schreiber ein stehendes Heer
machen; aus Richtern und Hofräthen Soldaten, welche
die Feder statt der Flinte schultern, statt Patron¬
taschen Wappen tragen und Verordnungen und Stra¬
fen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichts-
Assessoren werden Schildwache stehen müssen und die
Referendaire des Nachts patrouilleren. Das Mini¬
sterium wird das Hauptquartier und jedes Amt
eine Wachtstube. So verknechtet man das Volk,
so verknechtet man seine Hüter, so verknechtet
man Alles von der Hütte bis zum Throne, vom

Hebräiſch regieren — das wäre etwas himm¬
liſches! Ein Punkt kann den ehrlichſten Mann an
den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr
oder weniger, da oder dort, giebt dem Geſetze einen
ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie
Butter und eine grobe Conſtitution ſo fein machen, daß
ſie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, Ihr
chriſtlichen Miniſter! werdet Rabbiner und ich habe
das erfunden! Auch will man jetzt in Preußen al¬
len Civilbeamten Uniformen geben. Das iſt die
rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deut¬
ſche Superlativ des Monarchismus; es iſt eine aller¬
höchſte Spitzbüberei. Dadurch will man die Regie¬
rung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter
den Corporalſtock der Disciplin bringen, Vaterlands¬
liebe in blinden Gehorſam verwandeln, und aus dem
ſitzenden Heere der Schreiber ein ſtehendes Heer
machen; aus Richtern und Hofräthen Soldaten, welche
die Feder ſtatt der Flinte ſchultern, ſtatt Patron¬
taſchen Wappen tragen und Verordnungen und Stra¬
fen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichts-
Aſſeſſoren werden Schildwache ſtehen müſſen und die
Referendaire des Nachts patrouilleren. Das Mini¬
ſterium wird das Hauptquartier und jedes Amt
eine Wachtſtube. So verknechtet man das Volk,
ſo verknechtet man ſeine Hüter, ſo verknechtet
man Alles von der Hütte bis zum Throne, vom

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[150/0164] Hebräiſch regieren — das wäre etwas himm¬ liſches! Ein Punkt kann den ehrlichſten Mann an den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr oder weniger, da oder dort, giebt dem Geſetze einen ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie Butter und eine grobe Conſtitution ſo fein machen, daß ſie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, Ihr chriſtlichen Miniſter! werdet Rabbiner und ich habe das erfunden! Auch will man jetzt in Preußen al¬ len Civilbeamten Uniformen geben. Das iſt die rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deut¬ ſche Superlativ des Monarchismus; es iſt eine aller¬ höchſte Spitzbüberei. Dadurch will man die Regie¬ rung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter den Corporalſtock der Disciplin bringen, Vaterlands¬ liebe in blinden Gehorſam verwandeln, und aus dem ſitzenden Heere der Schreiber ein ſtehendes Heer machen; aus Richtern und Hofräthen Soldaten, welche die Feder ſtatt der Flinte ſchultern, ſtatt Patron¬ taſchen Wappen tragen und Verordnungen und Stra¬ fen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichts- Aſſeſſoren werden Schildwache ſtehen müſſen und die Referendaire des Nachts patrouilleren. Das Mini¬ ſterium wird das Hauptquartier und jedes Amt eine Wachtſtube. So verknechtet man das Volk, ſo verknechtet man ſeine Hüter, ſo verknechtet man Alles von der Hütte bis zum Throne, vom

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/164>, abgerufen am 18.04.2024.