Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß sie einen
edlen Zweck haben, daß sie suchen Licht in das dunkle
Lügengebäude des Papstthums zu bringen, und die
Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre
ich von der unbeschreiblichen Wuth, mit welcher die
geistliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬
narismus verfolgt.

Der hier erscheinende Globe ist das Apostel-
Blatt der Simonisten; eine Art hausirende Bibel,
die alle Tage den wahren Glauben frisch und warm
in die Häuser bringt. Doch ich kann keine Milch
vertragen und lese darum das Blatt nicht. Von
den drei stereotypen Lehren, die der Globe als Motto's
täglich hinter seinem Titel hat, kann ich nur die
erste annehmen; die zweite ist mir zu trivial; die
dritte finde ich falsch, und eine vierte; mir die erste,
mangelt gänzlich. Erste Grundlehre. Les in¬
stitutions sociales doivent avoir pour but l'ame¬
lioration du sort moral, physique et intellectuel
de la classe la plus nombreuse et la plus
pauvre. Daß die bürgerliche Gesellschaft nur für
die Mehrzahl, nur für die ärmeren Classen zu sor¬
gen habe, diesem Grundsatze kann man dann erst
beitreten, nachdem man stillschweigend angenommen,
daß die Minderzahl der Geist- und Güterbegabten,
daß jene Glücklichen, für welche schon die Natur ge¬
sorgt, den Schutz und den Beistand der bürgerlichen

len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß ſie einen
edlen Zweck haben, daß ſie ſuchen Licht in das dunkle
Lügengebäude des Papſtthums zu bringen, und die
Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre
ich von der unbeſchreiblichen Wuth, mit welcher die
geiſtliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬
narismus verfolgt.

Der hier erſcheinende Globe iſt das Apoſtel-
Blatt der Simoniſten; eine Art hauſirende Bibel,
die alle Tage den wahren Glauben friſch und warm
in die Häuſer bringt. Doch ich kann keine Milch
vertragen und leſe darum das Blatt nicht. Von
den drei ſtereotypen Lehren, die der Globe als Motto's
täglich hinter ſeinem Titel hat, kann ich nur die
erſte annehmen; die zweite iſt mir zu trivial; die
dritte finde ich falſch, und eine vierte; mir die erſte,
mangelt gänzlich. Erſte Grundlehre. Les in¬
stitutions sociales doivent avoir pour but l'amé¬
lioration du sort moral, physique et intellectuel
de la classe la plus nombreuse et la plus
pauvre. Daß die bürgerliche Geſellſchaft nur für
die Mehrzahl, nur für die ärmeren Claſſen zu ſor¬
gen habe, dieſem Grundſatze kann man dann erſt
beitreten, nachdem man ſtillſchweigend angenommen,
daß die Minderzahl der Geiſt- und Güterbegabten,
daß jene Glücklichen, für welche ſchon die Natur ge¬
ſorgt, den Schutz und den Beiſtand der bürgerlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="16"/>
len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß &#x017F;ie einen<lb/>
edlen Zweck haben, daß &#x017F;ie &#x017F;uchen Licht in das dunkle<lb/>
Lügengebäude des Pap&#x017F;tthums zu bringen, und die<lb/>
Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre<lb/>
ich von der unbe&#x017F;chreiblichen Wuth, mit welcher die<lb/>
gei&#x017F;tliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬<lb/>
narismus verfolgt.</p><lb/>
          <p>Der hier er&#x017F;cheinende <hi rendition="#g">Globe</hi> i&#x017F;t das Apo&#x017F;tel-<lb/>
Blatt der Simoni&#x017F;ten; eine Art hau&#x017F;irende Bibel,<lb/>
die alle Tage den wahren Glauben fri&#x017F;ch und warm<lb/>
in die Häu&#x017F;er bringt. Doch ich kann keine Milch<lb/>
vertragen und le&#x017F;e darum das Blatt nicht. Von<lb/>
den drei &#x017F;tereotypen Lehren, die der Globe als Motto's<lb/>
täglich hinter &#x017F;einem Titel hat, kann ich nur die<lb/>
er&#x017F;te annehmen; die zweite i&#x017F;t mir zu trivial; die<lb/>
dritte finde ich fal&#x017F;ch, und eine vierte; mir die er&#x017F;te,<lb/>
mangelt gänzlich. <hi rendition="#g">Er&#x017F;te Grundlehre</hi>. <hi rendition="#aq">Les in¬<lb/>
stitutions sociales doivent avoir pour but l'amé¬<lb/>
lioration du sort moral, physique et intellectuel<lb/>
de la classe la plus nombreuse et la plus<lb/>
pauvre.</hi> Daß die bürgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft <hi rendition="#g">nur</hi> für<lb/>
die Mehrzahl, <hi rendition="#g">nur</hi> für die ärmeren Cla&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;or¬<lb/>
gen habe, die&#x017F;em Grund&#x017F;atze kann man dann er&#x017F;t<lb/>
beitreten, nachdem man &#x017F;till&#x017F;chweigend angenommen,<lb/>
daß die Minderzahl der Gei&#x017F;t- und Güterbegabten,<lb/>
daß jene Glücklichen, für welche &#x017F;chon die Natur ge¬<lb/>
&#x017F;orgt, den Schutz und den Bei&#x017F;tand der bürgerlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0030] len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß ſie einen edlen Zweck haben, daß ſie ſuchen Licht in das dunkle Lügengebäude des Papſtthums zu bringen, und die Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre ich von der unbeſchreiblichen Wuth, mit welcher die geiſtliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬ narismus verfolgt. Der hier erſcheinende Globe iſt das Apoſtel- Blatt der Simoniſten; eine Art hauſirende Bibel, die alle Tage den wahren Glauben friſch und warm in die Häuſer bringt. Doch ich kann keine Milch vertragen und leſe darum das Blatt nicht. Von den drei ſtereotypen Lehren, die der Globe als Motto's täglich hinter ſeinem Titel hat, kann ich nur die erſte annehmen; die zweite iſt mir zu trivial; die dritte finde ich falſch, und eine vierte; mir die erſte, mangelt gänzlich. Erſte Grundlehre. Les in¬ stitutions sociales doivent avoir pour but l'amé¬ lioration du sort moral, physique et intellectuel de la classe la plus nombreuse et la plus pauvre. Daß die bürgerliche Geſellſchaft nur für die Mehrzahl, nur für die ärmeren Claſſen zu ſor¬ gen habe, dieſem Grundſatze kann man dann erſt beitreten, nachdem man ſtillſchweigend angenommen, daß die Minderzahl der Geiſt- und Güterbegabten, daß jene Glücklichen, für welche ſchon die Natur ge¬ ſorgt, den Schutz und den Beiſtand der bürgerlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/30
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/30>, abgerufen am 24.04.2024.