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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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freilich ohne Vorliebe die gefällige Allgemeine für
Alle, die bezahlen; aber das Recht hat selten
Geld und das Unrecht immer, und wenn das Recht
ja einmal die Gunst der Allgemeinen bezahlen kann,
ist die Schöne so schlau, ehe sie das Recht einläßt,
das Unrecht durch die Hinterthüre zu entlassen, da¬
mit die beiden Nebenbuhler sich nie begegnen, sich
messen, und die Schöne auffordern können, endlich
einmal zwischen ihnen zu wählen.

-- Die Briefe von Cormenin habe ich noch
nicht gelesen. Sind sie aber wirklich so herrlich, als
Sie sie gefunden, dann werde ich, Ihrem Rathe
folgend, sie übersetzen und mit deutschen Bemerkun¬
gen verzieren. Ich begehe jedes Staatsverbrechen,
wozu Sie mich anreitzen, mit tausend Freuden.
Kann mir denn etwas erwünschter seyn, als früher
oder später auf der Frankfurter Hauptwache Ihre
schöne und gute Gesellschaft zu genießen? Zwar
hat diese freie Stadt Frankfurt keine Civil-Liste zu
bezahlen, aber unsere Regierung muß ihr Contingent
zu jeder Bundes-Tyrannei stellen, und der Senat
würde meine Gotteslästerungen über die großen
Königs-Magen
so streng bestrafen, als ob er
selbst ein König wäre. Ja wohl ist die Sache von
der größten Wichtigkeit. Nicht darauf kömmt es an,
ob man einem Fürsten für seine ungemeine Gefällig¬
keit zu regieren einige Millionen mehr oder weniger

freilich ohne Vorliebe die gefällige Allgemeine für
Alle, die bezahlen; aber das Recht hat ſelten
Geld und das Unrecht immer, und wenn das Recht
ja einmal die Gunſt der Allgemeinen bezahlen kann,
iſt die Schöne ſo ſchlau, ehe ſie das Recht einläßt,
das Unrecht durch die Hinterthüre zu entlaſſen, da¬
mit die beiden Nebenbuhler ſich nie begegnen, ſich
meſſen, und die Schöne auffordern können, endlich
einmal zwiſchen ihnen zu wählen.

— Die Briefe von Cormenin habe ich noch
nicht geleſen. Sind ſie aber wirklich ſo herrlich, als
Sie ſie gefunden, dann werde ich, Ihrem Rathe
folgend, ſie überſetzen und mit deutſchen Bemerkun¬
gen verzieren. Ich begehe jedes Staatsverbrechen,
wozu Sie mich anreitzen, mit tauſend Freuden.
Kann mir denn etwas erwünſchter ſeyn, als früher
oder ſpäter auf der Frankfurter Hauptwache Ihre
ſchöne und gute Geſellſchaft zu genießen? Zwar
hat dieſe freie Stadt Frankfurt keine Civil-Liſte zu
bezahlen, aber unſere Regierung muß ihr Contingent
zu jeder Bundes-Tyrannei ſtellen, und der Senat
würde meine Gottesläſterungen über die großen
Königs-Magen
ſo ſtreng beſtrafen, als ob er
ſelbſt ein König wäre. Ja wohl iſt die Sache von
der größten Wichtigkeit. Nicht darauf kömmt es an,
ob man einem Fürſten für ſeine ungemeine Gefällig¬
keit zu regieren einige Millionen mehr oder weniger

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[27/0041] freilich ohne Vorliebe die gefällige Allgemeine für Alle, die bezahlen; aber das Recht hat ſelten Geld und das Unrecht immer, und wenn das Recht ja einmal die Gunſt der Allgemeinen bezahlen kann, iſt die Schöne ſo ſchlau, ehe ſie das Recht einläßt, das Unrecht durch die Hinterthüre zu entlaſſen, da¬ mit die beiden Nebenbuhler ſich nie begegnen, ſich meſſen, und die Schöne auffordern können, endlich einmal zwiſchen ihnen zu wählen. — Die Briefe von Cormenin habe ich noch nicht geleſen. Sind ſie aber wirklich ſo herrlich, als Sie ſie gefunden, dann werde ich, Ihrem Rathe folgend, ſie überſetzen und mit deutſchen Bemerkun¬ gen verzieren. Ich begehe jedes Staatsverbrechen, wozu Sie mich anreitzen, mit tauſend Freuden. Kann mir denn etwas erwünſchter ſeyn, als früher oder ſpäter auf der Frankfurter Hauptwache Ihre ſchöne und gute Geſellſchaft zu genießen? Zwar hat dieſe freie Stadt Frankfurt keine Civil-Liſte zu bezahlen, aber unſere Regierung muß ihr Contingent zu jeder Bundes-Tyrannei ſtellen, und der Senat würde meine Gottesläſterungen über die großen Königs-Magen ſo ſtreng beſtrafen, als ob er ſelbſt ein König wäre. Ja wohl iſt die Sache von der größten Wichtigkeit. Nicht darauf kömmt es an, ob man einem Fürſten für ſeine ungemeine Gefällig¬ keit zu regieren einige Millionen mehr oder weniger

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/41>, abgerufen am 23.04.2024.