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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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ist, und er dafür bezahlt wird. Wenn ihn seine
Gebieterin Lucrecia Borgia etwas Gutes thun heißt,
thut er es auch. Kurz er ist ein Muster von treuem
Staatsdiener, und er hat zu seinem fünfzigjährigen
Amts-Jubiläum ganz gewiß einen Orden vierter Klasse
mit einem allerhöchsten Belobungsschreiben erhalten.

Dieser schwarze Edelmann fängt plötzlich Streit
an. Es war Schelmerei, es war verabredet. Die
jungen Damen stellen sich erschrocken und verlassen
den Saal. Die Händel werden beigelegt und man
trinkt und lacht wie vor. Ein Weinlied wird an¬
gestimmt. Da mischen sich unsichtbare Geisterstimmen
in den Chor, erst fern dann näher, erst leise dann
stärker. Die lustigen Edelleute horchen auf, kehren
aber bald zum Taumel der Vergessenheit zurück.
Aber der wunderliche Gesang wird immer vernehm¬
barer. Es war ein Kirchenlied, ein Mönchsgemurmel,
ein Grabgeläute. Die Ritter werden nüchterner.
Da schlagen plötzlich große Flügelthüren auf, und
man sieht im Hintergrunde, durch eine Estrade von
dem Saale geschieden, ein schwarz behangenes von
Kirchenlichtern erhelltes Zimmer, das Mönche in
schwarzen und weißen Kutten, Fackeln in den Händen
tragend, ausfüllen. Sie trugen Larven. Die weißen
Gestalten steigen in den Saal hinab, und die Edel¬
leute in der Mitte nehmend, stellen sie sich in zwei
Reihen, und singen ihr schauerlich Latein. Die

iſt, und er dafür bezahlt wird. Wenn ihn ſeine
Gebieterin Lucrecia Borgia etwas Gutes thun heißt,
thut er es auch. Kurz er iſt ein Muſter von treuem
Staatsdiener, und er hat zu ſeinem fünfzigjährigen
Amts-Jubiläum ganz gewiß einen Orden vierter Klaſſe
mit einem allerhöchſten Belobungsſchreiben erhalten.

Dieſer ſchwarze Edelmann fängt plötzlich Streit
an. Es war Schelmerei, es war verabredet. Die
jungen Damen ſtellen ſich erſchrocken und verlaſſen
den Saal. Die Händel werden beigelegt und man
trinkt und lacht wie vor. Ein Weinlied wird an¬
geſtimmt. Da miſchen ſich unſichtbare Geiſterſtimmen
in den Chor, erſt fern dann näher, erſt leiſe dann
ſtärker. Die luſtigen Edelleute horchen auf, kehren
aber bald zum Taumel der Vergeſſenheit zurück.
Aber der wunderliche Geſang wird immer vernehm¬
barer. Es war ein Kirchenlied, ein Mönchsgemurmel,
ein Grabgeläute. Die Ritter werden nüchterner.
Da ſchlagen plötzlich große Flügelthüren auf, und
man ſieht im Hintergrunde, durch eine Eſtrade von
dem Saale geſchieden, ein ſchwarz behangenes von
Kirchenlichtern erhelltes Zimmer, das Mönche in
ſchwarzen und weißen Kutten, Fackeln in den Händen
tragend, ausfüllen. Sie trugen Larven. Die weißen
Geſtalten ſteigen in den Saal hinab, und die Edel¬
leute in der Mitte nehmend, ſtellen ſie ſich in zwei
Reihen, und ſingen ihr ſchauerlich Latein. Die

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[121/0133] iſt, und er dafür bezahlt wird. Wenn ihn ſeine Gebieterin Lucrecia Borgia etwas Gutes thun heißt, thut er es auch. Kurz er iſt ein Muſter von treuem Staatsdiener, und er hat zu ſeinem fünfzigjährigen Amts-Jubiläum ganz gewiß einen Orden vierter Klaſſe mit einem allerhöchſten Belobungsſchreiben erhalten. Dieſer ſchwarze Edelmann fängt plötzlich Streit an. Es war Schelmerei, es war verabredet. Die jungen Damen ſtellen ſich erſchrocken und verlaſſen den Saal. Die Händel werden beigelegt und man trinkt und lacht wie vor. Ein Weinlied wird an¬ geſtimmt. Da miſchen ſich unſichtbare Geiſterſtimmen in den Chor, erſt fern dann näher, erſt leiſe dann ſtärker. Die luſtigen Edelleute horchen auf, kehren aber bald zum Taumel der Vergeſſenheit zurück. Aber der wunderliche Geſang wird immer vernehm¬ barer. Es war ein Kirchenlied, ein Mönchsgemurmel, ein Grabgeläute. Die Ritter werden nüchterner. Da ſchlagen plötzlich große Flügelthüren auf, und man ſieht im Hintergrunde, durch eine Eſtrade von dem Saale geſchieden, ein ſchwarz behangenes von Kirchenlichtern erhelltes Zimmer, das Mönche in ſchwarzen und weißen Kutten, Fackeln in den Händen tragend, ausfüllen. Sie trugen Larven. Die weißen Geſtalten ſteigen in den Saal hinab, und die Edel¬ leute in der Mitte nehmend, ſtellen ſie ſich in zwei Reihen, und ſingen ihr ſchauerlich Latein. Die

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/133>, abgerufen am 23.04.2024.