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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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ihn daran, daß er ihr vierter Mann sei. Der
Herzog spottet ihrer. Sie ist erschöpft, ihr Köcher
ist ausgeleert. Ganz matt frägt sie ihren Gemahl,
warum er ihr das Leben des Jünglings nicht schenken,
ihr nicht den kleinen Gefallen thun wolle? Jetzt
fängt der beschneite Herzog zu rauchen an, und ein
Feuerstrom des Zorns stürzt aus seinem Munde.
Er donnert: "weil er dein Liebhaber ist" und jetzt
hält er ihr alle Schandthaten ihres Lebens vor und
endet: "Deine geliebten Männer können auch künftig
durch jede Thüre zu dir kommen; aber die Thüre,
durch welche sie wieder herausgehen, werde ich be¬
wachen lassen -- von dem Henker." Gennaro
müßte sterben, sie solle selbst wählen zwischen Gift
und Schwerdt. Lucrecia wählet Gift. Der Herzog
läßt zwei Flaschen holen, eine silberne und eine
goldene. In der goldenen sei der zubereitete Wein,
den sie recht gut kenne. Daraus solle sie dem Gennaro
einschenken, sich aber ja hüten, die Flaschen zu ver¬
wechseln, denn geschehe es, stünde draußen ein Mann
mit einem nackten Schwerdte bereit, der auf einen
Wink hereinstürzen und den geliebten Jüngling unter
ihren Augen niederhauen werde.

Gennaro wird zurückgeführt. Der Herzog
stellt sich gnädig, verzeiht ihm, trinkt ihm zu. Er
trinkt aus der silbernen Flasche, Lucrecia füllt mit
angstzitternder Hand einen Becher aus der goldenen

VI. 9

ihn daran, daß er ihr vierter Mann ſei. Der
Herzog ſpottet ihrer. Sie iſt erſchöpft, ihr Köcher
iſt ausgeleert. Ganz matt frägt ſie ihren Gemahl,
warum er ihr das Leben des Jünglings nicht ſchenken,
ihr nicht den kleinen Gefallen thun wolle? Jetzt
fängt der beſchneite Herzog zu rauchen an, und ein
Feuerſtrom des Zorns ſtürzt aus ſeinem Munde.
Er donnert: „weil er dein Liebhaber iſt“ und jetzt
hält er ihr alle Schandthaten ihres Lebens vor und
endet: „Deine geliebten Männer können auch künftig
durch jede Thüre zu dir kommen; aber die Thüre,
durch welche ſie wieder herausgehen, werde ich be¬
wachen laſſen — von dem Henker.“ Gennaro
müßte ſterben, ſie ſolle ſelbſt wählen zwiſchen Gift
und Schwerdt. Lucrecia wählet Gift. Der Herzog
läßt zwei Flaſchen holen, eine ſilberne und eine
goldene. In der goldenen ſei der zubereitete Wein,
den ſie recht gut kenne. Daraus ſolle ſie dem Gennaro
einſchenken, ſich aber ja hüten, die Flaſchen zu ver¬
wechſeln, denn geſchehe es, ſtünde draußen ein Mann
mit einem nackten Schwerdte bereit, der auf einen
Wink hereinſtürzen und den geliebten Jüngling unter
ihren Augen niederhauen werde.

Gennaro wird zurückgeführt. Der Herzog
ſtellt ſich gnädig, verzeiht ihm, trinkt ihm zu. Er
trinkt aus der ſilbernen Flaſche, Lucrecia füllt mit
angſtzitternder Hand einen Becher aus der goldenen

VI. 9
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[129/0141] ihn daran, daß er ihr vierter Mann ſei. Der Herzog ſpottet ihrer. Sie iſt erſchöpft, ihr Köcher iſt ausgeleert. Ganz matt frägt ſie ihren Gemahl, warum er ihr das Leben des Jünglings nicht ſchenken, ihr nicht den kleinen Gefallen thun wolle? Jetzt fängt der beſchneite Herzog zu rauchen an, und ein Feuerſtrom des Zorns ſtürzt aus ſeinem Munde. Er donnert: „weil er dein Liebhaber iſt“ und jetzt hält er ihr alle Schandthaten ihres Lebens vor und endet: „Deine geliebten Männer können auch künftig durch jede Thüre zu dir kommen; aber die Thüre, durch welche ſie wieder herausgehen, werde ich be¬ wachen laſſen — von dem Henker.“ Gennaro müßte ſterben, ſie ſolle ſelbſt wählen zwiſchen Gift und Schwerdt. Lucrecia wählet Gift. Der Herzog läßt zwei Flaſchen holen, eine ſilberne und eine goldene. In der goldenen ſei der zubereitete Wein, den ſie recht gut kenne. Daraus ſolle ſie dem Gennaro einſchenken, ſich aber ja hüten, die Flaſchen zu ver¬ wechſeln, denn geſchehe es, ſtünde draußen ein Mann mit einem nackten Schwerdte bereit, der auf einen Wink hereinſtürzen und den geliebten Jüngling unter ihren Augen niederhauen werde. Gennaro wird zurückgeführt. Der Herzog ſtellt ſich gnädig, verzeiht ihm, trinkt ihm zu. Er trinkt aus der ſilbernen Flaſche, Lucrecia füllt mit angſtzitternder Hand einen Becher aus der goldenen VI. 9

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/141>, abgerufen am 28.03.2024.