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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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der Jude Dautz sei der heilige Geist der Berry ge¬
wesen, und er habe nicht des Geldes wegen, sondern
in einem Anfalle von eifersüchtiger Wuth, seine
Freundin verrathen. Schade das es Verläumdung
war! Wahrlich es wäre ein Glück für die Welt,
wenn einmal jüdisches Blut in christlich-monarchische
Adern käme. Vielleicht stiege dann wieder ein wei¬
ser König Salomo auf den Thron, der die Sprache
der Thiere verstände, und seinen Hofleuten in das
Herz sehen könnte ...

Du gute Karoline! ich wäre Dir zugethan,
wenn Du keine Fürstin wärest. Du hast viel geliebt
und es wird Dir viel vergeben werden. Aber Du
bist ein thörichtes Weib! Dein Sohn ist noch ein
Knabe, noch siebenzig Male kann er den Kreislauf
der Sonne erleben -- ein Tag für das Glück, eine
Ewigkeit für den Schmerz -- und Du suchst eine
Krone für ihn? Laß ihn eine Lazarone werden!
Laß ihn sich sonnen unter dem schönen Himmel Dei¬
nes Vaterlandes! Laß ihn Muscheln suchen am
Strande des blauen Meeres. Und ein Tag kann
kommen, ein Tag des Schreckens und der Trauer,
wo das wildtobende Volk durch die Straßen von
Neapel braußt und man einen jammervollen König
richtet. Dann schwankt Dein Sohn zu Deinem
Grabe, kniet nieder und dankt es Deiner Asche mit
heißen Thränen, daß Du ihn ein Bettler werden

der Jude Dautz ſei der heilige Geiſt der Berry ge¬
weſen, und er habe nicht des Geldes wegen, ſondern
in einem Anfalle von eiferſüchtiger Wuth, ſeine
Freundin verrathen. Schade das es Verläumdung
war! Wahrlich es wäre ein Glück für die Welt,
wenn einmal jüdiſches Blut in chriſtlich-monarchiſche
Adern käme. Vielleicht ſtiege dann wieder ein wei¬
ſer König Salomo auf den Thron, der die Sprache
der Thiere verſtände, und ſeinen Hofleuten in das
Herz ſehen könnte ...

Du gute Karoline! ich wäre Dir zugethan,
wenn Du keine Fürſtin wäreſt. Du haſt viel geliebt
und es wird Dir viel vergeben werden. Aber Du
biſt ein thörichtes Weib! Dein Sohn iſt noch ein
Knabe, noch ſiebenzig Male kann er den Kreislauf
der Sonne erleben — ein Tag für das Glück, eine
Ewigkeit für den Schmerz — und Du ſuchſt eine
Krone für ihn? Laß ihn eine Lazarone werden!
Laß ihn ſich ſonnen unter dem ſchönen Himmel Dei¬
nes Vaterlandes! Laß ihn Muſcheln ſuchen am
Strande des blauen Meeres. Und ein Tag kann
kommen, ein Tag des Schreckens und der Trauer,
wo das wildtobende Volk durch die Straßen von
Neapel braußt und man einen jammervollen König
richtet. Dann ſchwankt Dein Sohn zu Deinem
Grabe, kniet nieder und dankt es Deiner Aſche mit
heißen Thränen, daß Du ihn ein Bettler werden

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[158/0170] der Jude Dautz ſei der heilige Geiſt der Berry ge¬ weſen, und er habe nicht des Geldes wegen, ſondern in einem Anfalle von eiferſüchtiger Wuth, ſeine Freundin verrathen. Schade das es Verläumdung war! Wahrlich es wäre ein Glück für die Welt, wenn einmal jüdiſches Blut in chriſtlich-monarchiſche Adern käme. Vielleicht ſtiege dann wieder ein wei¬ ſer König Salomo auf den Thron, der die Sprache der Thiere verſtände, und ſeinen Hofleuten in das Herz ſehen könnte ... Du gute Karoline! ich wäre Dir zugethan, wenn Du keine Fürſtin wäreſt. Du haſt viel geliebt und es wird Dir viel vergeben werden. Aber Du biſt ein thörichtes Weib! Dein Sohn iſt noch ein Knabe, noch ſiebenzig Male kann er den Kreislauf der Sonne erleben — ein Tag für das Glück, eine Ewigkeit für den Schmerz — und Du ſuchſt eine Krone für ihn? Laß ihn eine Lazarone werden! Laß ihn ſich ſonnen unter dem ſchönen Himmel Dei¬ nes Vaterlandes! Laß ihn Muſcheln ſuchen am Strande des blauen Meeres. Und ein Tag kann kommen, ein Tag des Schreckens und der Trauer, wo das wildtobende Volk durch die Straßen von Neapel braußt und man einen jammervollen König richtet. Dann ſchwankt Dein Sohn zu Deinem Grabe, kniet nieder und dankt es Deiner Aſche mit heißen Thränen, daß Du ihn ein Bettler werden

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/170>, abgerufen am 25.04.2024.