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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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Heere ihrer besoldeten Zeitungsschreiber, hatte so etwas
Schönes nicht sagen können, sie mußte sich erst einen
Franzosen dazu kommen lassen. Der verstehts!
Er spricht wie wir, er macht unsere Stimme nach,
er meint Gott wäre blind und harthörig wie der
Patriarch Isaac, werde seinem spitzbübischen Sohn
Jakob für seinen Erstgebohrnen halten und ihm
seinen Segen geben. Wahrhaftig es gefällt mir,
daß sie selbst die schlafenden Blitze der Gerechtigkeit
aufwecken!

Dritte Seite. Noch einmal Preußen. Prussia
for ever
. Die Preußische Regierung, wie jede
germanischen Ursprungs -- es ist des Tacitus
wegen -- besoldet Spione in Paris, um dort auf
ihre geliebten treuen Unterthanen etwas Acht zu
geben. Dagegen läßt sich nichts sagen, keine Mon¬
archie kann der Spione entbehren, man lebt so lange
man kann. Warum haben Republiken, warum
haben Nordamerika, die Schweiz, die freien deutschen
Städte keine Spione? Weil dort die Regierungen
nicht zu befürchten brauchen, daß ihre Bürger ein¬
mal den Verstand verlieren und ihre freie Verfassung
gegen einen Fürsten vertauschen möchten. Die Be¬
wohner einer Monarchie aber wünschen sich einen
Freistaat sobald sie zu Verstande kommen; je ver¬
nünftiger sie also werden je mehr Spione braucht
ein Fürst. Das ist also ganz in der Ordnung.

Heere ihrer beſoldeten Zeitungsſchreiber, hatte ſo etwas
Schönes nicht ſagen können, ſie mußte ſich erſt einen
Franzoſen dazu kommen laſſen. Der verſtehts!
Er ſpricht wie wir, er macht unſere Stimme nach,
er meint Gott wäre blind und harthörig wie der
Patriarch Iſaac, werde ſeinem ſpitzbübiſchen Sohn
Jakob für ſeinen Erſtgebohrnen halten und ihm
ſeinen Segen geben. Wahrhaftig es gefällt mir,
daß ſie ſelbſt die ſchlafenden Blitze der Gerechtigkeit
aufwecken!

Dritte Seite. Noch einmal Preußen. Prussia
for ever
. Die Preußiſche Regierung, wie jede
germaniſchen Urſprungs — es iſt des Tacitus
wegen — beſoldet Spione in Paris, um dort auf
ihre geliebten treuen Unterthanen etwas Acht zu
geben. Dagegen läßt ſich nichts ſagen, keine Mon¬
archie kann der Spione entbehren, man lebt ſo lange
man kann. Warum haben Republiken, warum
haben Nordamerika, die Schweiz, die freien deutſchen
Städte keine Spione? Weil dort die Regierungen
nicht zu befürchten brauchen, daß ihre Bürger ein¬
mal den Verſtand verlieren und ihre freie Verfaſſung
gegen einen Fürſten vertauſchen möchten. Die Be¬
wohner einer Monarchie aber wünſchen ſich einen
Freiſtaat ſobald ſie zu Verſtande kommen; je ver¬
nünftiger ſie alſo werden je mehr Spione braucht
ein Fürſt. Das iſt alſo ganz in der Ordnung.

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[9/0021] Heere ihrer beſoldeten Zeitungsſchreiber, hatte ſo etwas Schönes nicht ſagen können, ſie mußte ſich erſt einen Franzoſen dazu kommen laſſen. Der verſtehts! Er ſpricht wie wir, er macht unſere Stimme nach, er meint Gott wäre blind und harthörig wie der Patriarch Iſaac, werde ſeinem ſpitzbübiſchen Sohn Jakob für ſeinen Erſtgebohrnen halten und ihm ſeinen Segen geben. Wahrhaftig es gefällt mir, daß ſie ſelbſt die ſchlafenden Blitze der Gerechtigkeit aufwecken! Dritte Seite. Noch einmal Preußen. Prussia for ever. Die Preußiſche Regierung, wie jede germaniſchen Urſprungs — es iſt des Tacitus wegen — beſoldet Spione in Paris, um dort auf ihre geliebten treuen Unterthanen etwas Acht zu geben. Dagegen läßt ſich nichts ſagen, keine Mon¬ archie kann der Spione entbehren, man lebt ſo lange man kann. Warum haben Republiken, warum haben Nordamerika, die Schweiz, die freien deutſchen Städte keine Spione? Weil dort die Regierungen nicht zu befürchten brauchen, daß ihre Bürger ein¬ mal den Verſtand verlieren und ihre freie Verfaſſung gegen einen Fürſten vertauſchen möchten. Die Be¬ wohner einer Monarchie aber wünſchen ſich einen Freiſtaat ſobald ſie zu Verſtande kommen; je ver¬ nünftiger ſie alſo werden je mehr Spione braucht ein Fürſt. Das iſt alſo ganz in der Ordnung.

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/21>, abgerufen am 25.04.2024.