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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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I. Abschnitt. [Gleich. 96]
nahme zweifelhaft, dass für die Geschwindigkeitsrichtung eines
Moleküls jede Richtung im Raume gleich wahrscheinlich ist.

Wir nahmen endlich an, dass jedes Molekül durch die
Fläche A B diejenige Menge G (z + l' cos th) der Grösse Q
hindurchträgt, welche in der Schicht, in der es zum letzten
Male zum Zusammenstosse gelangte, im Mittel einem Moleküle
zukommt. Auch diese Annahme ist willkürlich. Jene Menge
kann ja für Moleküle, die in verschiedenen Richtungen und
mit verschiedenen Geschwindigkeiten von der Schicht ausgehen,
verschieden, also irgend eine Function Ph von c und th sein,
weshalb partial G / partial z bei den folgenden Integrationen nach th und c
nicht vor das Integralzeichen gesetzt werden darf. Es wäre
dann für die von dem Moleküle durch A B hindurchgetragene
Menge der Grösse Q nicht bloss die Schicht, wo das Molekül
zum letzten Male zusammenstiess, maassgebend, sondern auch
die Orte, wo der vorletzte, vielleicht auch der drittletzte
Zusammenstoss stattfand.

Hiermit hängt ein schon beim Vergleiche der Diffusion
und Elektricitätsleitung besprochener Umstand zusammen. Es
kann sein, dass beim Zusammenstosse jedes der stossenden
Moleküle die Menge von der Grösse Q behält, die es vor dem
Stosse hatte; aber auch, dass beim Zusammenstosse ein Aus-
gleich stattfindet. Verstehen wir unter Q Elektricität, so wäre
ersteres der Fall, wenn jedes der Moleküle zwar leitend, aber
mit einer nicht leitenden Schicht überzogen wäre, die beim
Stosse auf Deckel und Boden, nicht aber beim Zusammen-
stosse zweier Moleküle durchbrochen würde; letzteres, wenn die
Moleküle bis zur Oberfläche aus leitender Substanz bestünden.

In diesen beiden Fällen könnte die soeben mit Ph be-
zeichnete Function von c und th verschieden, daher auch der
Transport der Grösse Q ungleich ausfallen, obwohl der Mittel-
werth der Grösse G in jeder Schicht z in beiden Fällen der-
selbe wäre nämlich
[Formel 1] .
In der That ist es wahrscheinlicher, dass ein Molekül nach
dem Stosse annähernd in derselben als in der entgegengesetzten
Richtung weitergeht. Man findet dies aus den später vor-
kommenden Formeln 201 und 203. Daher wird der Transport

I. Abschnitt. [Gleich. 96]
nahme zweifelhaft, dass für die Geschwindigkeitsrichtung eines
Moleküls jede Richtung im Raume gleich wahrscheinlich ist.

Wir nahmen endlich an, dass jedes Molekül durch die
Fläche A B diejenige Menge G (z + λ' cos ϑ) der Grösse Q
hindurchträgt, welche in der Schicht, in der es zum letzten
Male zum Zusammenstosse gelangte, im Mittel einem Moleküle
zukommt. Auch diese Annahme ist willkürlich. Jene Menge
kann ja für Moleküle, die in verschiedenen Richtungen und
mit verschiedenen Geschwindigkeiten von der Schicht ausgehen,
verschieden, also irgend eine Function Φ von c und ϑ sein,
weshalb ∂ G / ∂ z bei den folgenden Integrationen nach ϑ und c
nicht vor das Integralzeichen gesetzt werden darf. Es wäre
dann für die von dem Moleküle durch A B hindurchgetragene
Menge der Grösse Q nicht bloss die Schicht, wo das Molekül
zum letzten Male zusammenstiess, maassgebend, sondern auch
die Orte, wo der vorletzte, vielleicht auch der drittletzte
Zusammenstoss stattfand.

Hiermit hängt ein schon beim Vergleiche der Diffusion
und Elektricitätsleitung besprochener Umstand zusammen. Es
kann sein, dass beim Zusammenstosse jedes der stossenden
Moleküle die Menge von der Grösse Q behält, die es vor dem
Stosse hatte; aber auch, dass beim Zusammenstosse ein Aus-
gleich stattfindet. Verstehen wir unter Q Elektricität, so wäre
ersteres der Fall, wenn jedes der Moleküle zwar leitend, aber
mit einer nicht leitenden Schicht überzogen wäre, die beim
Stosse auf Deckel und Boden, nicht aber beim Zusammen-
stosse zweier Moleküle durchbrochen würde; letzteres, wenn die
Moleküle bis zur Oberfläche aus leitender Substanz bestünden.

In diesen beiden Fällen könnte die soeben mit Φ be-
zeichnete Function von c und ϑ verschieden, daher auch der
Transport der Grösse Q ungleich ausfallen, obwohl der Mittel-
werth der Grösse G in jeder Schicht z in beiden Fällen der-
selbe wäre nämlich
[Formel 1] .
In der That ist es wahrscheinlicher, dass ein Molekül nach
dem Stosse annähernd in derselben als in der entgegengesetzten
Richtung weitergeht. Man findet dies aus den später vor-
kommenden Formeln 201 und 203. Daher wird der Transport

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[94/0108] I. Abschnitt. [Gleich. 96] nahme zweifelhaft, dass für die Geschwindigkeitsrichtung eines Moleküls jede Richtung im Raume gleich wahrscheinlich ist. Wir nahmen endlich an, dass jedes Molekül durch die Fläche A B diejenige Menge G (z + λ' cos ϑ) der Grösse Q hindurchträgt, welche in der Schicht, in der es zum letzten Male zum Zusammenstosse gelangte, im Mittel einem Moleküle zukommt. Auch diese Annahme ist willkürlich. Jene Menge kann ja für Moleküle, die in verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen Geschwindigkeiten von der Schicht ausgehen, verschieden, also irgend eine Function Φ von c und ϑ sein, weshalb ∂ G / ∂ z bei den folgenden Integrationen nach ϑ und c nicht vor das Integralzeichen gesetzt werden darf. Es wäre dann für die von dem Moleküle durch A B hindurchgetragene Menge der Grösse Q nicht bloss die Schicht, wo das Molekül zum letzten Male zusammenstiess, maassgebend, sondern auch die Orte, wo der vorletzte, vielleicht auch der drittletzte Zusammenstoss stattfand. Hiermit hängt ein schon beim Vergleiche der Diffusion und Elektricitätsleitung besprochener Umstand zusammen. Es kann sein, dass beim Zusammenstosse jedes der stossenden Moleküle die Menge von der Grösse Q behält, die es vor dem Stosse hatte; aber auch, dass beim Zusammenstosse ein Aus- gleich stattfindet. Verstehen wir unter Q Elektricität, so wäre ersteres der Fall, wenn jedes der Moleküle zwar leitend, aber mit einer nicht leitenden Schicht überzogen wäre, die beim Stosse auf Deckel und Boden, nicht aber beim Zusammen- stosse zweier Moleküle durchbrochen würde; letzteres, wenn die Moleküle bis zur Oberfläche aus leitender Substanz bestünden. In diesen beiden Fällen könnte die soeben mit Φ be- zeichnete Function von c und ϑ verschieden, daher auch der Transport der Grösse Q ungleich ausfallen, obwohl der Mittel- werth der Grösse G in jeder Schicht z in beiden Fällen der- selbe wäre nämlich [FORMEL]. In der That ist es wahrscheinlicher, dass ein Molekül nach dem Stosse annähernd in derselben als in der entgegengesetzten Richtung weitergeht. Man findet dies aus den später vor- kommenden Formeln 201 und 203. Daher wird der Transport

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/108>, abgerufen am 28.03.2024.