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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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§ 2. Druck eines Gases.
§ 2. Berechnung des Druckes eines Gases.

Derartige Gase wollen wir nun einer näheren Betrachtung
unterziehen. Da wir annehmen, dass die Moleküle den all-
gemeinen Gesetzen der Mechanik unterworfen sind, so muss
sowohl bei den Zusammenstössen der Moleküle untereinander,
als auch bei den Stössen an die Wand das Princip der Er-
haltung der lebendigen Kraft und der Bewegung des Schwer-
punktes erfüllt sein. Wir können uns noch die verschiedensten
Vorstellungen über die innere Beschaffenheit der Moleküle
machen; sobald nur diese beiden Principe erfüllt sind, werden wir
ein System erhalten, welches eine gewisse mechanische Analogie
mit den wirklichen Gasen zeigt. Die einfachste derartige
Vorstellung ist die, dass die Moleküle vollkommen elastische,
unendlich wenig deformirbare Kugeln und die Gefässwände
vollkommen glatte, ebenso elastische Flächen sind. Wir können
aber, wo es uns bequemer ist, ein anderes Wirkungsgesetz
voraussetzen. Es wird dasselbe, wofern es wieder mit den
allgemeinen mechanischen Principien im Einklange steht, nicht
mehr, aber auch nicht weniger berechtigt als die Annahme
elastischer Kugeln sein, die wir zuvörderst adoptiren.

Wir denken uns nun ein übrigens beliebig gestaltetes, mit
einem Gase gefülltes Gefäss vom Volumen O, an dessen Wänden
die Gasmoleküle genau wie vollkommen elastische Kugeln reflectirt
werden sollen. Ein Theil der Gefässwand A B vom Flächeninhalte ph
soll eben sein. Wir legen senkrecht zu demselben von innen nach
aussen die positive Abscissenaxe. Der Druck auf A B wird
offenbar nicht verändert, wenn wir uns hinter diesem Flächen-
stücke einen senkrechten Cylinder von der Basis A B denken,
in welchem das Flächenstück A B wie ein Kolben parallel
zu sich selbst verschiebbar ist. Dieser Kolben würde dann
durch die Molekularstösse in den Cylinder hineingetrieben.
Wirkt jedoch darauf von aussen eine Kraft P in der negativen
Abscissenrichtung, so kann deren Intensität so gewählt werden,
dass sie den Molekularstössen das Gleichgewicht hält und der
Kolben nur unsichtbare Schwankungen bald in einem, bald im
entgegengesetzten Sinne macht.

Während irgend eines Zeitmomentes d t werden vielleicht
einige Moleküle gerade mit dem Kolben A B im Zusammen-

§ 2. Druck eines Gases.
§ 2. Berechnung des Druckes eines Gases.

Derartige Gase wollen wir nun einer näheren Betrachtung
unterziehen. Da wir annehmen, dass die Moleküle den all-
gemeinen Gesetzen der Mechanik unterworfen sind, so muss
sowohl bei den Zusammenstössen der Moleküle untereinander,
als auch bei den Stössen an die Wand das Princip der Er-
haltung der lebendigen Kraft und der Bewegung des Schwer-
punktes erfüllt sein. Wir können uns noch die verschiedensten
Vorstellungen über die innere Beschaffenheit der Moleküle
machen; sobald nur diese beiden Principe erfüllt sind, werden wir
ein System erhalten, welches eine gewisse mechanische Analogie
mit den wirklichen Gasen zeigt. Die einfachste derartige
Vorstellung ist die, dass die Moleküle vollkommen elastische,
unendlich wenig deformirbare Kugeln und die Gefässwände
vollkommen glatte, ebenso elastische Flächen sind. Wir können
aber, wo es uns bequemer ist, ein anderes Wirkungsgesetz
voraussetzen. Es wird dasselbe, wofern es wieder mit den
allgemeinen mechanischen Principien im Einklange steht, nicht
mehr, aber auch nicht weniger berechtigt als die Annahme
elastischer Kugeln sein, die wir zuvörderst adoptiren.

Wir denken uns nun ein übrigens beliebig gestaltetes, mit
einem Gase gefülltes Gefäss vom Volumen Ω, an dessen Wänden
die Gasmoleküle genau wie vollkommen elastische Kugeln reflectirt
werden sollen. Ein Theil der Gefässwand A B vom Flächeninhalte φ
soll eben sein. Wir legen senkrecht zu demselben von innen nach
aussen die positive Abscissenaxe. Der Druck auf A B wird
offenbar nicht verändert, wenn wir uns hinter diesem Flächen-
stücke einen senkrechten Cylinder von der Basis A B denken,
in welchem das Flächenstück A B wie ein Kolben parallel
zu sich selbst verschiebbar ist. Dieser Kolben würde dann
durch die Molekularstösse in den Cylinder hineingetrieben.
Wirkt jedoch darauf von aussen eine Kraft P in der negativen
Abscissenrichtung, so kann deren Intensität so gewählt werden,
dass sie den Molekularstössen das Gleichgewicht hält und der
Kolben nur unsichtbare Schwankungen bald in einem, bald im
entgegengesetzten Sinne macht.

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einige Moleküle gerade mit dem Kolben A B im Zusammen-

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[9/0023] § 2. Druck eines Gases. § 2. Berechnung des Druckes eines Gases. Derartige Gase wollen wir nun einer näheren Betrachtung unterziehen. Da wir annehmen, dass die Moleküle den all- gemeinen Gesetzen der Mechanik unterworfen sind, so muss sowohl bei den Zusammenstössen der Moleküle untereinander, als auch bei den Stössen an die Wand das Princip der Er- haltung der lebendigen Kraft und der Bewegung des Schwer- punktes erfüllt sein. Wir können uns noch die verschiedensten Vorstellungen über die innere Beschaffenheit der Moleküle machen; sobald nur diese beiden Principe erfüllt sind, werden wir ein System erhalten, welches eine gewisse mechanische Analogie mit den wirklichen Gasen zeigt. Die einfachste derartige Vorstellung ist die, dass die Moleküle vollkommen elastische, unendlich wenig deformirbare Kugeln und die Gefässwände vollkommen glatte, ebenso elastische Flächen sind. Wir können aber, wo es uns bequemer ist, ein anderes Wirkungsgesetz voraussetzen. Es wird dasselbe, wofern es wieder mit den allgemeinen mechanischen Principien im Einklange steht, nicht mehr, aber auch nicht weniger berechtigt als die Annahme elastischer Kugeln sein, die wir zuvörderst adoptiren. Wir denken uns nun ein übrigens beliebig gestaltetes, mit einem Gase gefülltes Gefäss vom Volumen Ω, an dessen Wänden die Gasmoleküle genau wie vollkommen elastische Kugeln reflectirt werden sollen. Ein Theil der Gefässwand A B vom Flächeninhalte φ soll eben sein. Wir legen senkrecht zu demselben von innen nach aussen die positive Abscissenaxe. Der Druck auf A B wird offenbar nicht verändert, wenn wir uns hinter diesem Flächen- stücke einen senkrechten Cylinder von der Basis A B denken, in welchem das Flächenstück A B wie ein Kolben parallel zu sich selbst verschiebbar ist. Dieser Kolben würde dann durch die Molekularstösse in den Cylinder hineingetrieben. Wirkt jedoch darauf von aussen eine Kraft P in der negativen Abscissenrichtung, so kann deren Intensität so gewählt werden, dass sie den Molekularstössen das Gleichgewicht hält und der Kolben nur unsichtbare Schwankungen bald in einem, bald im entgegengesetzten Sinne macht. Während irgend eines Zeitmomentes d t werden vielleicht einige Moleküle gerade mit dem Kolben A B im Zusammen-

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/23>, abgerufen am 29.03.2024.