Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Tischen hört' ich da viel von Wohlleben und lustigen
Tagen reden. Man setzte uns wacker zu Trinken
vor. Ich war des Weins nicht gewohnt, und dar-
um bald aufgeräumt, und recht guter Dingen.

Wir machten uns erst bey anbrechender Nacht
wieder auf den Weg. Ein fuchsrother Herisauer,
und, wie Laurenz, ein Müller, war unser Gefär-
the. Es gieng auf Gossau und Flohweil zu. An
letzterm Orte kamen wir bey einem Schopf vorbey,
wo etliche Mädel beym Licht Flachs schwungen: "Laßt
"mich e'nmal", sagt ich, "ich muß die Dinger sehn,
"ob keine meinem Schatz gleiche"? Damit setzt' ich
mich unter sie hin, und spaßte ein wenig mit ihnen.
Aber eben, da war wenig zu vergleichen. Indessen
musterten mich meine Führer fort; sagten, ich werde
derley Zeug noch genug bekommen, und machten
allerley schmutzige Anmerkungen, daß ich roth bis
über die Ohren ward. Dann kamen wir auf Kicken-
bach, Frauenfeld, Nünforn
. Hier überfiel mich
mit Eins eine entsetzliche Mattigkeit. Es war (des
Marschierens und Trinkens nicht e'nmal zu geden-
ken) das erstemal in meinem Leben, daß ich zwo
Nächte nach einander nicht geschlafen hatte. Allein
die Kerls wollten nichts vom Rasten hören, preßir-
ten gewaltig auf Schaffhausen zu, und gaben mir
endlich, da ich schwur: Ich könnte nun einmal kei-
nen Schritt weiter! ein Pferd. Das gefiel mir
nicht unfein. Unterwegs gieng's an ein Predigen,
wie ich mich in Schaffhausen verhalten, hübsch
grad strecken, frisch antworten sollte, u. d. gl. Dann

Tiſchen hoͤrt’ ich da viel von Wohlleben und luſtigen
Tagen reden. Man ſetzte uns wacker zu Trinken
vor. Ich war des Weins nicht gewohnt, und dar-
um bald aufgeraͤumt, und recht guter Dingen.

Wir machten uns erſt bey anbrechender Nacht
wieder auf den Weg. Ein fuchsrother Heriſauer,
und, wie Laurenz, ein Muͤller, war unſer Gefaͤr-
the. Es gieng auf Goſſau und Flohweil zu. An
letzterm Orte kamen wir bey einem Schopf vorbey,
wo etliche Maͤdel beym Licht Flachs ſchwungen: „Laßt
„mich e’nmal„, ſagt ich, „ich muß die Dinger ſehn,
„ob keine meinem Schatz gleiche„? Damit ſetzt’ ich
mich unter ſie hin, und ſpaßte ein wenig mit ihnen.
Aber eben, da war wenig zu vergleichen. Indeſſen
muſterten mich meine Fuͤhrer fort; ſagten, ich werde
derley Zeug noch genug bekommen, und machten
allerley ſchmutzige Anmerkungen, daß ich roth bis
uͤber die Ohren ward. Dann kamen wir auf Kicken-
bach, Frauenfeld, Nuͤnforn
. Hier uͤberfiel mich
mit Eins eine entſetzliche Mattigkeit. Es war (des
Marſchierens und Trinkens nicht e’nmal zu geden-
ken) das erſtemal in meinem Leben, daß ich zwo
Naͤchte nach einander nicht geſchlafen hatte. Allein
die Kerls wollten nichts vom Raſten hoͤren, preßir-
ten gewaltig auf Schaffhauſen zu, und gaben mir
endlich, da ich ſchwur: Ich koͤnnte nun einmal kei-
nen Schritt weiter! ein Pferd. Das gefiel mir
nicht unfein. Unterwegs gieng’s an ein Predigen,
wie ich mich in Schaffhauſen verhalten, huͤbſch
grad ſtrecken, friſch antworten ſollte, u. d. gl. Dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="89"/>
Ti&#x017F;chen ho&#x0364;rt&#x2019; ich da viel von Wohlleben und lu&#x017F;tigen<lb/>
Tagen reden. Man &#x017F;etzte uns wacker zu Trinken<lb/>
vor. Ich war des Weins nicht gewohnt, und dar-<lb/>
um bald aufgera&#x0364;umt, und recht guter Dingen.</p><lb/>
        <p>Wir machten uns er&#x017F;t bey anbrechender Nacht<lb/>
wieder auf den Weg. Ein fuchsrother <hi rendition="#fr">Heri&#x017F;auer</hi>,<lb/>
und, wie <hi rendition="#fr">Laurenz</hi>, ein Mu&#x0364;ller, war un&#x017F;er Gefa&#x0364;r-<lb/>
the. Es gieng auf <hi rendition="#fr">Go&#x017F;&#x017F;au</hi> und <hi rendition="#fr">Flohweil</hi> zu. An<lb/>
letzterm Orte kamen wir bey einem Schopf vorbey,<lb/>
wo etliche Ma&#x0364;del beym Licht Flachs &#x017F;chwungen: &#x201E;Laßt<lb/>
&#x201E;mich e&#x2019;nmal&#x201E;, &#x017F;agt ich, &#x201E;ich muß die Dinger &#x017F;ehn,<lb/>
&#x201E;ob keine meinem Schatz gleiche&#x201E;? Damit &#x017F;etzt&#x2019; ich<lb/>
mich unter &#x017F;ie hin, und &#x017F;paßte ein wenig mit ihnen.<lb/>
Aber eben, da war wenig zu vergleichen. Inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mu&#x017F;terten mich meine Fu&#x0364;hrer fort; &#x017F;agten, ich werde<lb/>
derley Zeug noch genug bekommen, und machten<lb/>
allerley &#x017F;chmutzige Anmerkungen, daß ich roth bis<lb/>
u&#x0364;ber die Ohren ward. Dann kamen wir auf <hi rendition="#fr">Kicken-<lb/>
bach, Frauenfeld, Nu&#x0364;nforn</hi>. Hier u&#x0364;berfiel mich<lb/>
mit Eins eine ent&#x017F;etzliche Mattigkeit. Es war (des<lb/>
Mar&#x017F;chierens und Trinkens nicht e&#x2019;nmal zu geden-<lb/>
ken) das er&#x017F;temal in meinem Leben, daß ich zwo<lb/>
Na&#x0364;chte nach einander nicht ge&#x017F;chlafen hatte. Allein<lb/>
die Kerls wollten nichts vom Ra&#x017F;ten ho&#x0364;ren, preßir-<lb/>
ten gewaltig auf <hi rendition="#fr">Schaffhau&#x017F;en</hi> zu, und gaben mir<lb/>
endlich, da ich &#x017F;chwur: Ich ko&#x0364;nnte nun einmal kei-<lb/>
nen Schritt weiter! ein Pferd. Das gefiel mir<lb/>
nicht unfein. Unterwegs gieng&#x2019;s an ein Predigen,<lb/>
wie ich mich in <hi rendition="#fr">Schaffhau&#x017F;en</hi> verhalten, hu&#x0364;b&#x017F;ch<lb/>
grad &#x017F;trecken, fri&#x017F;ch antworten &#x017F;ollte, u. d. gl. Dann<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0105] Tiſchen hoͤrt’ ich da viel von Wohlleben und luſtigen Tagen reden. Man ſetzte uns wacker zu Trinken vor. Ich war des Weins nicht gewohnt, und dar- um bald aufgeraͤumt, und recht guter Dingen. Wir machten uns erſt bey anbrechender Nacht wieder auf den Weg. Ein fuchsrother Heriſauer, und, wie Laurenz, ein Muͤller, war unſer Gefaͤr- the. Es gieng auf Goſſau und Flohweil zu. An letzterm Orte kamen wir bey einem Schopf vorbey, wo etliche Maͤdel beym Licht Flachs ſchwungen: „Laßt „mich e’nmal„, ſagt ich, „ich muß die Dinger ſehn, „ob keine meinem Schatz gleiche„? Damit ſetzt’ ich mich unter ſie hin, und ſpaßte ein wenig mit ihnen. Aber eben, da war wenig zu vergleichen. Indeſſen muſterten mich meine Fuͤhrer fort; ſagten, ich werde derley Zeug noch genug bekommen, und machten allerley ſchmutzige Anmerkungen, daß ich roth bis uͤber die Ohren ward. Dann kamen wir auf Kicken- bach, Frauenfeld, Nuͤnforn. Hier uͤberfiel mich mit Eins eine entſetzliche Mattigkeit. Es war (des Marſchierens und Trinkens nicht e’nmal zu geden- ken) das erſtemal in meinem Leben, daß ich zwo Naͤchte nach einander nicht geſchlafen hatte. Allein die Kerls wollten nichts vom Raſten hoͤren, preßir- ten gewaltig auf Schaffhauſen zu, und gaben mir endlich, da ich ſchwur: Ich koͤnnte nun einmal kei- nen Schritt weiter! ein Pferd. Das gefiel mir nicht unfein. Unterwegs gieng’s an ein Predigen, wie ich mich in Schaffhauſen verhalten, huͤbſch grad ſtrecken, friſch antworten ſollte, u. d. gl. Dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/105
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/105>, abgerufen am 24.04.2024.