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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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wa 50. Mann Gefangener von der Preussischen
Cavallerie; ein erbärmlich Specktackel! Da war kaum
einer von Wunden oder Beulen lär ausgegangen;
etliche über's ganze Gesicht heruntergehauen, andre
ins Genick, andre über die Ohren, über die Schul-
tern, die Schenkel u. s. f. Da war alles ein Aech-
zen und Wehklagen! Wie priesen uns diese armen
Wichte selig, einem ähnlichen Schicksal so glücklich en-
tronnen zu seyn; und wie dankten wir selber Gott dafür!
Wir mußten im Lager übernachten, und bekamen
jeder seinen Duckaten Reisgeld. Dann schickte man
uns mit einem Cavallerietransport, es waren unser
an die 200., auf ein Böhmisches Dorf, wo wir,
nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf
Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und
bekamen Pässe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche
einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder-
seltsames Gemengsel von Schweitzern, Schwa-
ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welschen,
Franzosen, Polacken
und Türken. Einen solchen
Paß bekamen unser 6. zusammen bis Regenspurg.
In Prag selber war indessen ebenfalls ein Zittern
und Beben vor den Preussen, ohne seinesgleichen.
Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo-
wositz
bereits vernommen, und glaubte nun den
Sieger schon vor den Thoreu zu sehn. Auch da stuhn-
den ganze Truppen Soldaten und Bürger um uns
her, denen wir sagen sollten, was der Preuß' im
Sinn habe? Einige von uns trösteten diese neugie-
rigen Haasen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-

wa 50. Mann Gefangener von der Preuſſiſchen
Cavallerie; ein erbaͤrmlich Specktackel! Da war kaum
einer von Wunden oder Beulen laͤr ausgegangen;
etliche uͤber’s ganze Geſicht heruntergehauen, andre
ins Genick, andre uͤber die Ohren, uͤber die Schul-
tern, die Schenkel u. ſ. f. Da war alles ein Aech-
zen und Wehklagen! Wie prieſen uns dieſe armen
Wichte ſelig, einem aͤhnlichen Schickſal ſo gluͤcklich en-
tronnen zu ſeyn; und wie dankten wir ſelber Gott dafuͤr!
Wir mußten im Lager uͤbernachten, und bekamen
jeder ſeinen Duckaten Reisgeld. Dann ſchickte man
uns mit einem Cavallerietransport, es waren unſer
an die 200., auf ein Boͤhmiſches Dorf, wo wir,
nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf
Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und
bekamen Paͤſſe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche
einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder-
ſeltſames Gemengſel von Schweitzern, Schwa-
ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welſchen,
Franzoſen, Polacken
und Tuͤrken. Einen ſolchen
Paß bekamen unſer 6. zuſammen bis Regenſpurg.
In Prag ſelber war indeſſen ebenfalls ein Zittern
und Beben vor den Preuſſen, ohne ſeinesgleichen.
Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo-
woſitz
bereits vernommen, und glaubte nun den
Sieger ſchon vor den Thoreu zu ſehn. Auch da ſtuhn-
den ganze Truppen Soldaten und Buͤrger um uns
her, denen wir ſagen ſollten, was der Preuß’ im
Sinn habe? Einige von uns troͤſteten dieſe neugie-
rigen Haaſen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-

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[159/0175] wa 50. Mann Gefangener von der Preuſſiſchen Cavallerie; ein erbaͤrmlich Specktackel! Da war kaum einer von Wunden oder Beulen laͤr ausgegangen; etliche uͤber’s ganze Geſicht heruntergehauen, andre ins Genick, andre uͤber die Ohren, uͤber die Schul- tern, die Schenkel u. ſ. f. Da war alles ein Aech- zen und Wehklagen! Wie prieſen uns dieſe armen Wichte ſelig, einem aͤhnlichen Schickſal ſo gluͤcklich en- tronnen zu ſeyn; und wie dankten wir ſelber Gott dafuͤr! Wir mußten im Lager uͤbernachten, und bekamen jeder ſeinen Duckaten Reisgeld. Dann ſchickte man uns mit einem Cavallerietransport, es waren unſer an die 200., auf ein Boͤhmiſches Dorf, wo wir, nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf Prag abgiengen. Dort vertheilten wir uns, und bekamen Paͤſſe, je zu 6. 10. bis 12. hoch welche einen Weg giengen; denn wir waren ein wunder- ſeltſames Gemengſel von Schweitzern, Schwa- ben, Saxen, Bayern, Tyrolern, Welſchen, Franzoſen, Polacken und Tuͤrken. Einen ſolchen Paß bekamen unſer 6. zuſammen bis Regenſpurg. In Prag ſelber war indeſſen ebenfalls ein Zittern und Beben vor den Preuſſen, ohne ſeinesgleichen. Man hatte dort den Ausgang der Schlacht bey Lo- woſitz bereits vernommen, und glaubte nun den Sieger ſchon vor den Thoreu zu ſehn. Auch da ſtuhn- den ganze Truppen Soldaten und Buͤrger um uns her, denen wir ſagen ſollten, was der Preuß’ im Sinn habe? Einige von uns troͤſteten dieſe neugie- rigen Haaſen; andre hingegen hatten noch ihre Freu-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/175>, abgerufen am 24.04.2024.