Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

was 's giebt, so giebt's. O! wie wenig Eltern ver-
stehen die rechte Erziehungskunst -- und wie unbe-
sonnen ist die Jugend! Wie späth kömmt der Ver-
stand! Bey mir sollte er damals schon längst gekom-
men, und ich meines Vaters beßte Stütze gewor-
den seyn. Ja! wenn das sinnliche Vergnügen nicht
so anziehend wäre. An guten Vorsätzen fehlte es nie.
Aber da hieß es:

Zwar billig' ich nicht mehr das Böse das ich
thue --
Doch thu' ich nicht das Gute das ich will.

Und so stolpert' ich immer meinem wahren Glück
vorbey.

LX.
Heurathsgedanken.

(1758.)

Schon im vorigen Jahr gerieth ich bey meinem Her-
umpatrouilliren hie und da an eine sogenannte Schö-
ne; und es gab deren nicht wenig die mir herzlich
gut waren, aber meist ohne Vermögen. Ich nichts,
Sie nichts, dacht' ich dann, ist doch auch zu wenig;
denn so unbedachtsam war ich doch nicht mehr, wie
im zwanzigsten. Auch sprach der Vater immer zu
uns: "Buben! seyt doch nicht so wohlfeil. Seht
"Euch wohl für. Ich will's Euch zwar nicht weh-
"ren; aber werft den Bengel nur ein Bißlin hoch,
"er fällt schon von selbst wieder tief; in diesem Punkt
"darf sich einer alleweil was rechtes einbilden".

was ’s giebt, ſo giebt’s. O! wie wenig Eltern ver-
ſtehen die rechte Erziehungskunſt — und wie unbe-
ſonnen iſt die Jugend! Wie ſpaͤth koͤmmt der Ver-
ſtand! Bey mir ſollte er damals ſchon laͤngſt gekom-
men, und ich meines Vaters beßte Stuͤtze gewor-
den ſeyn. Ja! wenn das ſinnliche Vergnuͤgen nicht
ſo anziehend waͤre. An guten Vorſaͤtzen fehlte es nie.
Aber da hieß es:

Zwar billig’ ich nicht mehr das Boͤſe das ich
thue
Doch thu’ ich nicht das Gute das ich will.

Und ſo ſtolpert’ ich immer meinem wahren Gluͤck
vorbey.

LX.
Heurathsgedanken.

(1758.)

Schon im vorigen Jahr gerieth ich bey meinem Her-
umpatrouilliren hie und da an eine ſogenannte Schoͤ-
ne; und es gab deren nicht wenig die mir herzlich
gut waren, aber meiſt ohne Vermoͤgen. Ich nichts,
Sie nichts, dacht’ ich dann, iſt doch auch zu wenig;
denn ſo unbedachtſam war ich doch nicht mehr, wie
im zwanzigſten. Auch ſprach der Vater immer zu
uns: „Buben! ſeyt doch nicht ſo wohlfeil. Seht
„Euch wohl fuͤr. Ich will’s Euch zwar nicht weh-
„ren; aber werft den Bengel nur ein Bißlin hoch,
„er faͤllt ſchon von ſelbſt wieder tief; in dieſem Punkt
„darf ſich einer alleweil was rechtes einbilden„.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="169"/>
was &#x2019;s giebt, &#x017F;o giebt&#x2019;s. O! wie wenig Eltern ver-<lb/>
&#x017F;tehen die rechte Erziehungskun&#x017F;t &#x2014; und wie unbe-<lb/>
&#x017F;onnen i&#x017F;t die Jugend! Wie &#x017F;pa&#x0364;th ko&#x0364;mmt der Ver-<lb/>
&#x017F;tand! Bey mir &#x017F;ollte er damals &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t gekom-<lb/>
men, und ich meines Vaters beßte Stu&#x0364;tze gewor-<lb/>
den &#x017F;eyn. Ja! wenn das &#x017F;innliche Vergnu&#x0364;gen nicht<lb/>
&#x017F;o anziehend wa&#x0364;re. An guten Vor&#x017F;a&#x0364;tzen fehlte es nie.<lb/>
Aber da hieß es:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">Zwar billig&#x2019; ich nicht mehr das Bo&#x0364;&#x017F;e das ich</hi> </l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">thue</hi> &#x2014;</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Doch thu&#x2019; ich nicht das Gute das ich will</hi>.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Und &#x017F;o &#x017F;tolpert&#x2019; ich immer meinem wahren Glu&#x0364;ck<lb/>
vorbey.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#aq">LX.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Heurathsgedanken.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">1758</hi>.)</hi> </p><lb/>
        <p><hi rendition="#in">S</hi>chon im vorigen Jahr gerieth ich bey meinem Her-<lb/>
umpatrouilliren hie und da an eine &#x017F;ogenannte Scho&#x0364;-<lb/>
ne; und es gab deren nicht wenig die mir herzlich<lb/>
gut waren, aber mei&#x017F;t ohne Vermo&#x0364;gen. Ich nichts,<lb/>
Sie nichts, dacht&#x2019; ich dann, i&#x017F;t doch auch zu wenig;<lb/>
denn &#x017F;o unbedacht&#x017F;am war ich doch nicht mehr, wie<lb/>
im zwanzig&#x017F;ten. Auch &#x017F;prach der Vater immer zu<lb/>
uns: &#x201E;Buben! &#x017F;eyt doch nicht &#x017F;o wohlfeil. Seht<lb/>
&#x201E;Euch wohl fu&#x0364;r. Ich will&#x2019;s Euch zwar nicht weh-<lb/>
&#x201E;ren; aber werft den Bengel nur ein Bißlin hoch,<lb/>
&#x201E;er fa&#x0364;llt &#x017F;chon von &#x017F;elb&#x017F;t wieder tief; in die&#x017F;em Punkt<lb/>
&#x201E;darf &#x017F;ich einer alleweil was rechtes einbilden&#x201E;.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] was ’s giebt, ſo giebt’s. O! wie wenig Eltern ver- ſtehen die rechte Erziehungskunſt — und wie unbe- ſonnen iſt die Jugend! Wie ſpaͤth koͤmmt der Ver- ſtand! Bey mir ſollte er damals ſchon laͤngſt gekom- men, und ich meines Vaters beßte Stuͤtze gewor- den ſeyn. Ja! wenn das ſinnliche Vergnuͤgen nicht ſo anziehend waͤre. An guten Vorſaͤtzen fehlte es nie. Aber da hieß es: Zwar billig’ ich nicht mehr das Boͤſe das ich thue — Doch thu’ ich nicht das Gute das ich will. Und ſo ſtolpert’ ich immer meinem wahren Gluͤck vorbey. LX. Heurathsgedanken. (1758.) Schon im vorigen Jahr gerieth ich bey meinem Her- umpatrouilliren hie und da an eine ſogenannte Schoͤ- ne; und es gab deren nicht wenig die mir herzlich gut waren, aber meiſt ohne Vermoͤgen. Ich nichts, Sie nichts, dacht’ ich dann, iſt doch auch zu wenig; denn ſo unbedachtſam war ich doch nicht mehr, wie im zwanzigſten. Auch ſprach der Vater immer zu uns: „Buben! ſeyt doch nicht ſo wohlfeil. Seht „Euch wohl fuͤr. Ich will’s Euch zwar nicht weh- „ren; aber werft den Bengel nur ein Bißlin hoch, „er faͤllt ſchon von ſelbſt wieder tief; in dieſem Punkt „darf ſich einer alleweil was rechtes einbilden„.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/185
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/185>, abgerufen am 29.03.2024.