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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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erkannt' ich wohl, und war davon überzeugt, und
bin es noch in der gegenwärtigen Stunde, daß sie
für meine Umstände, unter allen die ich bekommen
hätte, weit weit die tauglichste war; meine Ver-
nunft
sieht es ein, daß mir keine nützlicher seyn
konnte, so sehr sich auch ein gewisser Muthwill gegen
diese ernste Hofmeisterinn sträuben will; und kurz,
so sehr mir die einte Seite meiner treue Hälfte itzt
noch bisweilen widrig ist, so aufrichtig ehr' ich ihre
andre schöne Seite im Stillen. Wenn also meine
Ehe schon nicht unter die glücklichsten gehört, so ge-
hört sie doch gewiß auch nicht unter die unglückli-
chen, sondern wenigstens unter die halbglücklichen,
und sie wird mich niemals gereuen. Mein Bruder
Jakob hatte ein Jahr vor mir, und meine älteste
Schwester ein Jahr nach mir sich verheurathet; und
keins von beyden traf's noch so gut wie ich. Nicht
zu gedenken, daß die Familie meiner Frau weit bes-
ser war, als die worein gedachte meine beyde Ge-
schwisterte sich hinein gemannet und geweibet --
sind die andern auch immer ärmer geblieben. Bru-
der Jakob zumal mußte in den theuern Siebenzi-
ger-Jahren vollends von Weib und Kindern weg,
in den Krieg laufen.


erkannt’ ich wohl, und war davon uͤberzeugt, und
bin es noch in der gegenwaͤrtigen Stunde, daß ſie
fuͤr meine Umſtaͤnde, unter allen die ich bekommen
haͤtte, weit weit die tauglichſte war; meine Ver-
nunft
ſieht es ein, daß mir keine nuͤtzlicher ſeyn
konnte, ſo ſehr ſich auch ein gewiſſer Muthwill gegen
dieſe ernſte Hofmeiſterinn ſtraͤuben will; und kurz,
ſo ſehr mir die einte Seite meiner treue Haͤlfte itzt
noch bisweilen widrig iſt, ſo aufrichtig ehr’ ich ihre
andre ſchoͤne Seite im Stillen. Wenn alſo meine
Ehe ſchon nicht unter die gluͤcklichſten gehoͤrt, ſo ge-
hoͤrt ſie doch gewiß auch nicht unter die ungluͤckli-
chen, ſondern wenigſtens unter die halbgluͤcklichen,
und ſie wird mich niemals gereuen. Mein Bruder
Jakob hatte ein Jahr vor mir, und meine aͤlteſte
Schweſter ein Jahr nach mir ſich verheurathet; und
keins von beyden traf’s noch ſo gut wie ich. Nicht
zu gedenken, daß die Familie meiner Frau weit beſ-
ſer war, als die worein gedachte meine beyde Ge-
ſchwiſterte ſich hinein gemannet und geweibet —
ſind die andern auch immer aͤrmer geblieben. Bru-
der Jakob zumal mußte in den theuern Siebenzi-
ger-Jahren vollends von Weib und Kindern weg,
in den Krieg laufen.


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[183/0199] erkannt’ ich wohl, und war davon uͤberzeugt, und bin es noch in der gegenwaͤrtigen Stunde, daß ſie fuͤr meine Umſtaͤnde, unter allen die ich bekommen haͤtte, weit weit die tauglichſte war; meine Ver- nunft ſieht es ein, daß mir keine nuͤtzlicher ſeyn konnte, ſo ſehr ſich auch ein gewiſſer Muthwill gegen dieſe ernſte Hofmeiſterinn ſtraͤuben will; und kurz, ſo ſehr mir die einte Seite meiner treue Haͤlfte itzt noch bisweilen widrig iſt, ſo aufrichtig ehr’ ich ihre andre ſchoͤne Seite im Stillen. Wenn alſo meine Ehe ſchon nicht unter die gluͤcklichſten gehoͤrt, ſo ge- hoͤrt ſie doch gewiß auch nicht unter die ungluͤckli- chen, ſondern wenigſtens unter die halbgluͤcklichen, und ſie wird mich niemals gereuen. Mein Bruder Jakob hatte ein Jahr vor mir, und meine aͤlteſte Schweſter ein Jahr nach mir ſich verheurathet; und keins von beyden traf’s noch ſo gut wie ich. Nicht zu gedenken, daß die Familie meiner Frau weit beſ- ſer war, als die worein gedachte meine beyde Ge- ſchwiſterte ſich hinein gemannet und geweibet — ſind die andern auch immer aͤrmer geblieben. Bru- der Jakob zumal mußte in den theuern Siebenzi- ger-Jahren vollends von Weib und Kindern weg, in den Krieg laufen.

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/199>, abgerufen am 19.04.2024.